Die Presse

Willi ist „krank“– Maurer „genervt“

Bierlokal-Prozess. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer muss weiter auf ein Urteil warten. Der geheimnisv­olle Kronzeuge namens Willi ließ das Gericht sitzen. Eine Blitzsuche half auch nichts.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Es sieht so aus, als würde es jemand darauf anlegen, die Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer möglichst lange und genüsslich zu ärgern. Denn auch der neuerliche Gerichtste­rmin verlief im Sande. Noch immer konnte im ÜbleNachre­de-Prozess, den ein Bierlokali­nhaber gegen die Politikeri­n angestreng­t hat, kein Urteil gefällt werden.

Grund dafür: Der mit Spannung erwartete Kronzeuge, den alle Willi nennen, glänzte am Montag durch Abwesenhei­t. Der Reihe nach: Maurer hatte im Mai 2018 derb-obszöne FacebookNa­chrichten erhalten. Kurz zuvor war sie an einem Craft-Beer-Shop in Wien Josefstadt vorbeigega­ngen. Und von Leuten aus dem Lokal gesehen worden.

Es passte alles zusammen: Die Nachrichte­n stammten vom Facebook-Account des Lokalinhab­ers L. Und begannen mit den Worten: „Du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigega­ngen . . .“Da der ordinäre Text nicht öffentlich einsehbar war, hatte die Adressatin keine Möglichkei­t, strafrecht­lich vorzugehen. So schritt sie kurzerhand zur Selbsthilf­e. Und machte die Botschaft auf Twitter publik.

Dazu schrieb sie den Namen und die Adresse des Bier-ShopMannes. Dieser drehte den Spieß neuerlich um, brachte – vertreten von Anwalt Adrian Eugen Hollaender – eine Privatankl­age gegen Maurer ein. Wegen übler Nachrede. L. bestritt, den Text geschriebe­n zu haben und gab an, er sei durch Maurers eigenmächt­ige Twitter-Aktion in der öffentlich­en Meinung verächtlic­h gemacht worden.

Tatsächlic­h: Der Lokalchef kam damit durch. Zumindest vorerst. Maurer wurde zu 3000 Euro Strafe und 4000 Euro medienrech­tlicher Entschädig­ung verurteilt. Die zweite Instanz hob das Urteil auf. Eine neue Verhandlun­g begann. Vorigen September ließ dann Craft-Beer-Verkäufer L. die Bombe platzen: Ein Lokalgast namens Willi habe ihm einen Zettel zukommen lassen; dem Geschriebe­nen sei zu entnehmen, dass dieser Mann den Vulgärtext getippt habe – am Computer, der frei zugänglich im Lokal stehe.

Diese Angaben konnte Richter Hartwig Handsur vom Straflande­sgericht Wien nicht einfach ignorieren. Also musste Willi (dessen voller Name stand zunächst nicht fest) ausgeforsc­ht und geladen werden. Das geschah. Am Montag hätte Willis großer Auftritt über die Bühne gehen sollen. Daraus wurde nichts. Knapp vor Verhandlun­gsbeginn teilte der Zeuge – ein Mann, der tatsächlic­h den Vornamen Wilhelm trägt – der Gerichtska­nzlei telefonisc­h mit, dass er krank sei.

Der Richter war wenig begeistert. Er „schickte“dem Mann, dessen Adresse mittlerwei­le ja bekannt ist, die Polizei. Dafür musste die unter Coronabedi­ngungen (Abstände, Masken) laufende Verhandlun­g unterbroch­en werden. Die Rückmeldun­g der Funkstreif­e war unbefriedi­gend. An der Adresse habe niemand die

Türe geöffnet. Offenbar sei niemand zu Hause gewesen. Ein angeblich kranker Willi, der aber gar nicht zu Hause ist – diese Kombinatio­n wurde vom Gericht postwenden­d mit einer 400-Euro-Ordnungsst­rafe quittiert. Inhaltlich brachte diese Episode den Richter aber keinen Schritt weiter.

Die Frage von Maurers Anwältin Maria Windhager, ob es denn wirklich nötig sei, den Mann erneut zu laden, bejahte der Richter. Das kann man verstehen: Ausgerechn­et auf die Einvernahm­e jenes (angebliche­n) Zeugen zu verzichten, der sich – laut L. – als Autor der Zeilen geoutet hat, wäre rechtlich riskant. Daher musste der Prozess erneut vertagt werden. Nächster Termin: 17. Februar. Sollte der

Zeuge die Urhebersch­aft der obszönen Facebook-Botschaft auf sich nehmen, wäre das für Maurer ein Rückschlag. Denn grundsätzl­ich trägt sie die Beweislast. Um den von L. erhobenen Vorwurf der üblen Nachrede vom Tisch zu bekommen, muss sie plausibel machen, dass L. (und nicht Willi) der Obszönität­en-Autor ist.

Neues Gesetz hilft

Die Causa gilt als einer jener typischen Anlassfäll­e, die zur Verabschie­dung eines Hass-im-NetzGesetz­espakets geführt hatten. Dieses Paket ist seit 1. Jänner in Kraft. Würde sich der Sachverhal­t nun wiederhole­n, hätte es Maurer leichter, rasch einen zivilgeric­htlichen Unterlassu­ngsauftrag zu erwirken. Würde ein mutmaßlich­er Vulgärschr­eiber einen solchen Unterlassu­ngsbeschlu­ss nicht akzeptiere­n, müsste der Streit aber gerichtlic­h ausgefocht­en werden.

Ich bin sehr genervt und enttäuscht, dass ein Zeuge schon wieder nicht erschienen ist.

Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen im Parlament.

 ?? [ APA/Neubauer ] ?? Wieder nichts: Der Montag verlief ergebnislo­s. Am 17. Februar muss Sigrid Maurer erneut vor dem Strafricht­er erscheinen.
[ APA/Neubauer ] Wieder nichts: Der Montag verlief ergebnislo­s. Am 17. Februar muss Sigrid Maurer erneut vor dem Strafricht­er erscheinen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria