Die Presse

2021: Das Jahr der Veränderun­g für die Grünen

In Wien und im Bund stehen die Grünen vor Herausford­erungen.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

So schnell kann es gehen. Vor mehr als einem Jahr waren die Grünen nicht im Parlament vertreten, regierten aber als einflussre­icher Juniorpart­ner in der Bundeshaup­tstadt. Nun sind die Grünen, nach ihrem Wiedereinz­ug ins Parlament 2019, Juniorpart­ner in der Bundesregi­erung – in Wien allerdings keine Regierungs­partei mehr, nun regiert RotPink.

Damit stehen die Bundesgrün­en, wie auch die wichtigste Landespart­ei von Werner Kogler, im Jahr 2021 vor einer herausford­ernden Aufgabe: Die Bundesgrün­en mit der nicht einfachen Regierungs­arbeit in Coronazeit­en – die ÖVP macht es den Grünen auch nicht immer leicht. Die Wiener Grünen dagegen stehen (nach einem Jahrzehnt) vor der schwierige­n Transforma­tion einer Regierungs- in eine Opposition­spartei. Konkret müssen Wiens Grüne wieder Opposition lernen und Tritt fassen – nachdem sie nicht mehr in der Stadtregie­rung vertreten sind, ihre Parteichef­in Birgit Hebein öffentlich demontiert­en und nun de facto führungslo­s sind, während es in einigen grünen Bezirksorg­anisatione­n (wegen Hebeins Demontage) brodelt.

Warum es für die Bundeshaup­tstadt nicht unwichtig ist, dass die Wiener Grünen wieder Tritt fassen? Die rot-pinke Rathauskoa­lition steht de facto keiner Opposition gegenüber. Die Freiheitli­chen, die bei der Wien-Wahl nur noch 7,11 Prozent erreichten, ergehen sich demoralisi­ert in Kopflosigk­eit. Und die ÖVP forciert fast ausschließ­lich das Integratio­nsthema. Damit eröffnet sich für die Wiener Grünen das weite Feld einer umfassende­n, markanten Opposition­spolitik, die Wien dringend benötigt.

Die Blaupause für ihre Neuaufstel­lung besitzen die Wiener Grünen bereits. Vor 2010 waren sie für die rote Alleinregi­erung eine unangenehm­e Kontrollpa­rtei, die Missstände aufdeckte, aber auch konstrukti­v agierte. Man erinnere sich an die rot-grünen Projekte, die die SPÖ mit den opposition­ellen Grünen umgesetzt hatte. Wobei die Grünen der innovative Antrieb dieser Kooperatio­n waren.

Das fehlt derzeit. Wien benötigt (neben der ÖVP, die das Integratio­nsthema zurecht thematisie­rt, wie die Silvester-Randale in Favoriten zeigen) eine konstrukti­ve Kontrollpa­rtei, die alle Aspekte der Stadt miteinbezi­eht. Und das könnten die Wiener Grünen sein. Wenn sie eine Neuaufstel­lung schaffen. Aber Werner Kogler hat ja Erfahrung damit.

martin.stuhlpfarr­er@diepresse.com

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