Die Presse

Die roten Augen

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Seit Donald Trump kein Konto mehr auf Twitter und zahlreiche­n anderen sogenannte­n sozialen Plattforme­n mehr hat, wird eifrig darüber disputiert, ob das ein unerhörter Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäu­ßerung oder ein mindestens fünf Jahre zu spät erfolgter Schritt zur Eindämmung des Hasses im Internet (und im echten Leben) sei. In allen Herren und Damen Länder wirft man sich in dieses weltanscha­uliche Getümmel, auch hier in Belgien, wo ich lebe. Interessan­terweise hörte man von jenen Zeitgenoss­en, die nun Trumps Freiheitsr­echte auf unbotmäßig­e Weise beschnitte­n sehen, weil er nicht mehr auf Twitter sein darf, kein Sterbenswö­rtchen der Empörung, als die prominente belgische Autorin Myriam Leroy vor gut zwei Jahren Twitter verließ. Nicht, weil sie dort nicht mehr sein durfte. Sondern, weil sie dort nicht mehr sein konnte. Fünf Jahre lang wurde sie dort von einem Mann gezielt belästigt; mit sadistisch­en Drohungen und abartigen Fantasien. Immer und immer wieder ging sie zur Polizei, immer und immer wieder schloss die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en aus „Gründen der Verhältnis­mäßigkeit“früh. Twitter spielt in diesem Psychoterr­or gegen eine junge Frau insofern eine Rolle, weil der Troll hier eine Meute williger Mittäter zu gezielten Attacken zusammenro­ttete. Dasselbe spielte sich auf Facebook ab, weshalb Leroy sich auch dort abmeldete.

Sie hat diese Scheußlich­keiten in einem bemerkensk­enswewerte­ten Ro Romaman ve verararbeb­eititetet,, d derer 20 201919 in de den Ed´ Edi-itions du Seuil erschienen ist. „Les Yeux rouges“erzählt die Geschichte einer Radiojourn­alistin, die eines Tages eine Freundscha­ftsanfrage eines Unbekannte­n annimmt, der sich als Bewunderer ihrer Arbeit ausgibt. Schwerer Fehler. Im echten Leben, immerhin, bekommt der Troll einen Strafproze­ss – acht Jahre, nachdem er mit seinem Terror begonnen hatte. Ich hoffe, ein deutschspr­achiger Verlag hat sich die Rechte an „Les Yeux rouges“gesichert. Auch in unseren Landen müssen Frauen im Internet Hass erdulden, der keine Frage schöngeist­iger Debatten über Meinungsfr­eiheit, sondern strafrecht­licher Maßnahmen sein muss.

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