Der lang erwartete Aufschlag
Nach über einem Jahr Pause bestreitet Österreich in Israel die EM-Qualifikation. Auf die Topnationen fehlt vor allem Erfahrung, sagt Alexander Berger, der das Abenteuer Türkei lebt.
Es war eine lange Länderspielpause für Österreichs Volleyballer, die nun ihr Ende findet. 15 Monate sind seit den letzten offiziellen Auftritten vergangen, damals bei der historischen EM-Endrunde, für die erstmals die sportliche Qualifikation geschafft wurde. Die Wiederholung dieses Kunststückes ist auch das Ziel, wenn die ÖVV-Herren heute in Israel (20 Uhr, live ORF Sport+) in die neue EM-Qualifikation starten, sechs Monate später als geplant. Und mit neuem Trainer, denn im Februar beerbte der Slowene Radovan Gaciˇcˇ nach neun Jahren Michael Warm.
Nach der Ära des Deutschen Warm mit dem EM-Highlight sei die Zeit reif für neue Impulse gewesen. „Das kann man sich vorstellen wie bei einem Bleistift, der nicht mehr so spitz wird, egal wie oft man spitzt“, bemüht Berger den Vergleich zum Trainerwechsel. „Dann geht innerhalb kürzester Zeit sehr viel weiter, sind die Spieler wieder neu aufgeweckt.“
Bereits im Sommer konnten sich Mannschaft und Neo-Coach bei einem mehrwöchigen Lehrgang kennenlernen. Dass die Volleyballer als erste Ballsportart nach dem Fußball zusammenkamen, war für Berger ein wichtiges Statement des Verbands. „Das zeigt, wie ernst und seriös gearbeitet wird“, betont der 32-Jährige. Nach der Coronapause habe dieses Training ihm und vielen anderen eine intensive Vorbereitung auf die neue Saison ermöglicht – eine, die auch für ihn ein neues Abenteuer bereithielt.
Was das Sportlerherz begehrt
Nach fünf Jahren in Italien (Padua, Perugia, Piacenza) wechselte Berger im Sommer zu Halkbank Ankara. „Seit vier Jahren hat der Verein probiert, mich zu holen. Das hat mich überzeugt“, erklärt der Annahmespieler. Er tauschte sich mit Spielern und Trainern aus, bekam viel Gutes über den neunmaligen türkischen Meister (zuletzt 2019) und regelmäßigen Champions-League-Teilnehmer zu hören. Was genau ihn in der Türkei erwarten würde, wusste er aber nicht: „Man kennt Geschichten über den Präsidenten ...“
Nach einem halben Jahr fällt Bergers Zwischenresümee durchwegs positiv aus: „Alles da, was das Sportlerherz begehrt. Außer Publikum.“Die Qualität der Liga braucht sich nicht zu verstecken. „Namen und Können sind sehr gut, sie schaffen es nur noch nicht, das zusammen aufs Parkett zu bringen.“Nicht nur im Klub sei die Begeisterung für Volleyball spürbar, auch wenn die Damen dank ihrer Nationalteam-Erfolge stärker im Fokus der türkischen Öffentlichkeit stehen. Erkannt werde man als Volleyballer auf der Straße aber nicht, und das wohl nicht nur wegen der Maskenpflicht.
Ein Jahr läuft Bergers Vertrag in Ankara, die Zukunft hält er sich offen. Seine internationalen Erfahrungen bestärken ihn jedenfalls darin, dass Österreichs Abstand zur Spitze aufzuholen ist. „Spielerisch sind wir nicht weit weg, aber es fehlt die Erfahrung“, ist der Oberösterreicher überzeugt. Umso wichtiger seien Teilnahmen an Endrunden, auch wenn sie wie 2019 ohne Sieg enden. „Die Weltbesten werden konstant auf höchstem Level gefordert und sind überzeugt von dem, was sie machen. Das fehlt uns noch.“Den von Gaciˇcˇ eingeleiteten Umbruch erachtet auch Berger als essenziell. Den Team-Neulingen steht er mit Rat und Tat zur Seite, zumal das Leben in der Bubble eine besondere Herausforderung ist, wie der zweifache Vater aus eigener Erfahrung weiß. Auch in Chadera wurde aufgrund der Ausgangsbeschränkungen improvisiert, der Hochzeitssaal des Hotels zur Kraftkammer.
Bis Sonntag werden die Österreicher, Gastgeber Israel und Bulgarien den Gruppensieger ermitteln. Dieser ist fix bei der EM-Endrunde im Spätsommer (genauer Termin offen) in Polen, Tschechien, Estland und Finnland dabei. Tickets gibt es auch für die fünf besten Zweitplatzierten, „das ist mit einem Satzgewinn gegen Bulgarien realistisch“, so Berger. Gewissheit darüber könnte es erst im Mai geben. Für ihn kein Problem, er sei ein geduldiger Mensch.