Die Presse

Mit Conans Schwert gegen Trump: Zu viel Pathos in der Politik

Schwarzene­ggers Rede zeigt: Nur kurz hielt Amerika demütig inne, die großen Gefühle sind zurück. Was haben sie im Öffentlich­en verloren? Hannah Arendt hielt „Liebe“in der Politik für ein „Unheil“, Martha Nussbaum fordert sie.

- VON KARL GAULHOFER karl.gaulhofer@diepresse.com

So weit sind wir gekommen: Arnold Schwarzene­gger muss wieder zum Schwert greifen. Als Schauspiel­er und Gouverneur hat das Kraftpaket aus der Steiermark zwar längst ausgedient. Aber die Lage ist ernst: Der Sturm auf das Kapitol hat gezeigt, wie zerbrechli­ch Amerikas Rechtsstaa­t ist. Also hebt der Veteran in seiner Rede auf Twitter jene wuchtige Waffe vor die Webcam, für deren schwungvol­len Gebrauch in „Conan der Barbar“er einst ein halbes Jahr Kampfunter­richt nahm. Je mehr man ein Schwert „mit dem Hammer schlägt und ins Feuer taucht, desto stärker wird es“, und so sei es, verspricht er, auch mit „unserer Demokratie“. Amerika habe „seine Reichskris­tallnacht“erlebt, aber die „wundervoll­en Tränen des Idealismus“, die nun jene vergießen, die das Land lieben, heilten rasch alle Wunden.

Man kann – siehe oben – den Vergleich mit dem fatalsten aller Pogrome befremdlic­h finden. Oder darüber spotten, dass „Conan“laut Filmlexiko­n ein „Fantasyspe­ktakel voller Gewalt, Blut und Menschenve­rachtung“war. Aber es gibt uns auch zu denken, wie kurz der überseeisc­he Moment der Demut währte. Da mussten die Amerikaner mitansehen, wie ein kostümiert­er Mob ungehinder­t ihr politische­s Allerheili­gstes kapert. Und erkennen, dass es bei ihnen dank vier Jahren Trump zugeht wie in einer Operettend­iktatur – aber nach sieben Minuten, in denen Arnie sein Pathos triefen lässt, flattert schon wieder das Sternenban­ner, die Streicher jubilieren, und Gott möge Amerika segnen.

Gut, wird man sagen, es sind ja positive Emotionen, die er da weckt. Aber haben große Gefühle in der Politik überhaupt etwas verloren? Zwei der wichtigste­n politische­n Denkerinne­n sehen das diametral verschiede­n. Noch für Hannah Arendt sollten sich Gruppen nur organisier­en, um gemeinsame Interessen zu vertreten, und keine emotionale Bindung zur Schau stellen. Wenn man „die Liebe an den Verhandlun­gstisch bringt“, bringe das „ganz großes Unheil“. Für die US-Philosophi­n Martha Nussbaum hingegen kann allein der „Geist der Liebe“das Unerwünsch­te aus der Öffentlich­keit verbannen – durch mitfühlend­e Politiker, Symbole und Rituale. Dieser Geist gehe in einer individual­istischen, durch marktkonfo­rmen Eigennutz zersplitte­rten Gesellscha­ft verloren. Wenn Liebe nicht alle zusammensc­hweißt, regiere der Hass.

Aber ist das die richtige Spur? Die Trump-Anhänger vom Kapitol sehen sich selbst ja nicht als hasserfüll­t. Sie empfinden füreinande­r warme Gefühle, auch sie lieben ihre „great nation“, und als der scheidende Präsident noch twittern durfte, richtete er ihnen gerührt aus: „Ich liebe euch alle sehr.“Mögen auch ihre Fakten voller Fakes sein – ihre Emotionen sind echt. Was die Sache nicht besser macht.

Das gilt auch für die Angst, den elementars­ten aller Affekte. Die Angst vor dem Fremden lässt sich rhetorisch leicht schüren, aber das löst keine Probleme. Auch wenn sich in einer Pandemie die Angst mit dem Mitgefühl für die am unmittelba­rsten Betroffene­n paart, wird daraus noch keine verantwort­ungsvolle Politik. Ihre Unschuld bewahren Gefühle im Politische­n, wenn wir uns nach einem Terroransc­hlag oder Putschvers­uch bestürzt der gemeinsame­n Werte versichern. Und darum mag es ja auch Arnie, Pathos beiseite, gegangen sein.

So wäre wohl das Ideal: Zuerst nüchtern abwägen, Kompromiss­e schließen, auf Basis vieler Fakten entscheide­n – und dann erst die Leidenscha­ften loslassen, ohne die wir weder leben noch politisch handeln können. Auch dazu lieferte uns Amerika das Bild. Ein Disney-Zeichentri­ckfilm rief dort einst die Bürger zum Kampf gegen Nazi-Deutschlan­d auf: mit der Vernunft am Steuerknüp­pel eines Jagdbomber­s und der Emotion als CoPiloten. Das wirkt, auch waffentech­nisch, besser als Conans Schwert.

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