Mit Conans Schwert gegen Trump: Zu viel Pathos in der Politik
Schwarzeneggers Rede zeigt: Nur kurz hielt Amerika demütig inne, die großen Gefühle sind zurück. Was haben sie im Öffentlichen verloren? Hannah Arendt hielt „Liebe“in der Politik für ein „Unheil“, Martha Nussbaum fordert sie.
So weit sind wir gekommen: Arnold Schwarzenegger muss wieder zum Schwert greifen. Als Schauspieler und Gouverneur hat das Kraftpaket aus der Steiermark zwar längst ausgedient. Aber die Lage ist ernst: Der Sturm auf das Kapitol hat gezeigt, wie zerbrechlich Amerikas Rechtsstaat ist. Also hebt der Veteran in seiner Rede auf Twitter jene wuchtige Waffe vor die Webcam, für deren schwungvollen Gebrauch in „Conan der Barbar“er einst ein halbes Jahr Kampfunterricht nahm. Je mehr man ein Schwert „mit dem Hammer schlägt und ins Feuer taucht, desto stärker wird es“, und so sei es, verspricht er, auch mit „unserer Demokratie“. Amerika habe „seine Reichskristallnacht“erlebt, aber die „wundervollen Tränen des Idealismus“, die nun jene vergießen, die das Land lieben, heilten rasch alle Wunden.
Man kann – siehe oben – den Vergleich mit dem fatalsten aller Pogrome befremdlich finden. Oder darüber spotten, dass „Conan“laut Filmlexikon ein „Fantasyspektakel voller Gewalt, Blut und Menschenverachtung“war. Aber es gibt uns auch zu denken, wie kurz der überseeische Moment der Demut währte. Da mussten die Amerikaner mitansehen, wie ein kostümierter Mob ungehindert ihr politisches Allerheiligstes kapert. Und erkennen, dass es bei ihnen dank vier Jahren Trump zugeht wie in einer Operettendiktatur – aber nach sieben Minuten, in denen Arnie sein Pathos triefen lässt, flattert schon wieder das Sternenbanner, die Streicher jubilieren, und Gott möge Amerika segnen.
Gut, wird man sagen, es sind ja positive Emotionen, die er da weckt. Aber haben große Gefühle in der Politik überhaupt etwas verloren? Zwei der wichtigsten politischen Denkerinnen sehen das diametral verschieden. Noch für Hannah Arendt sollten sich Gruppen nur organisieren, um gemeinsame Interessen zu vertreten, und keine emotionale Bindung zur Schau stellen. Wenn man „die Liebe an den Verhandlungstisch bringt“, bringe das „ganz großes Unheil“. Für die US-Philosophin Martha Nussbaum hingegen kann allein der „Geist der Liebe“das Unerwünschte aus der Öffentlichkeit verbannen – durch mitfühlende Politiker, Symbole und Rituale. Dieser Geist gehe in einer individualistischen, durch marktkonformen Eigennutz zersplitterten Gesellschaft verloren. Wenn Liebe nicht alle zusammenschweißt, regiere der Hass.
Aber ist das die richtige Spur? Die Trump-Anhänger vom Kapitol sehen sich selbst ja nicht als hasserfüllt. Sie empfinden füreinander warme Gefühle, auch sie lieben ihre „great nation“, und als der scheidende Präsident noch twittern durfte, richtete er ihnen gerührt aus: „Ich liebe euch alle sehr.“Mögen auch ihre Fakten voller Fakes sein – ihre Emotionen sind echt. Was die Sache nicht besser macht.
Das gilt auch für die Angst, den elementarsten aller Affekte. Die Angst vor dem Fremden lässt sich rhetorisch leicht schüren, aber das löst keine Probleme. Auch wenn sich in einer Pandemie die Angst mit dem Mitgefühl für die am unmittelbarsten Betroffenen paart, wird daraus noch keine verantwortungsvolle Politik. Ihre Unschuld bewahren Gefühle im Politischen, wenn wir uns nach einem Terroranschlag oder Putschversuch bestürzt der gemeinsamen Werte versichern. Und darum mag es ja auch Arnie, Pathos beiseite, gegangen sein.
So wäre wohl das Ideal: Zuerst nüchtern abwägen, Kompromisse schließen, auf Basis vieler Fakten entscheiden – und dann erst die Leidenschaften loslassen, ohne die wir weder leben noch politisch handeln können. Auch dazu lieferte uns Amerika das Bild. Ein Disney-Zeichentrickfilm rief dort einst die Bürger zum Kampf gegen Nazi-Deutschland auf: mit der Vernunft am Steuerknüppel eines Jagdbombers und der Emotion als CoPiloten. Das wirkt, auch waffentechnisch, besser als Conans Schwert.