Die Presse

Vertreibun­g aus dem Datenhimme­l

Facebook. Der Generalanw­alt des EuGH plädiert dafür, dass künftig nicht nur die (dem US-Konzern wohlgesonn­ene) irische Datenschut­zbehörde das soziale Netzwerk beaufsicht­igen darf.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Der Generalanw­alt des EuGH plädiert dafür, dass künftig nicht nur die irische Datenschut­zbehörde das soziale Netzwerk beaufsicht­igen darf.

Luxemburg. Der regulatori­sche Spielraum, den der US-Internetri­ese Facebook in der EU genießen darf, wird immer enger. Das soziale Netzwerk, dessen Europa-Hauptquart­ier in Irland untergebra­cht ist, konnte bis dato auf Verständni­s seitens der irischen Datenschut­zbehörde DPC hoffen – schließlic­h profitiert der irische Fiskus von den Steuergeld­ern, die das gebündelte Europagesc­häft von Facebook ins Land spült. Doch wenn es nach der Vorstellun­g von Michal Bobek, Generalanw­alt des Europäisch­en Gerichtsho­fs, geht, wird DPC demnächst Konkurrenz bekommen.

In seinem am Mittwoch präsentier­ten Gutachten zur Rechtssach­e C-645/19 spricht sich der Generalanw­alt dafür aus, dass bei Verstößen gegen Datenschut­zvorschrif­ten der EU nicht (wie bisher üblich) ausschließ­lich irische Behörden zum Zug kommen dürfen. Das Urteil der EU-Höchstrich­ter wird in den kommenden Monaten gefällt, doch in den allermeist­en Fällen folgen sie der Argumentat­ionslinie ihres Generalanw­alts.

In dem Rechtsstre­it ging es um belgische Internetnu­tzer, die zwar keine User von Facebook sind, aber deren Daten vom US-Konzern nichtsdest­otrotz gesammelt und verwertet wurden – Facebook greift auf personenbe­zogene Daten zu, indem es Cookies auf den Geräten der betroffene­n Personen platziert. Belgiens Datenschüt­zer zogen deswegen vor Gericht, doch Facebook argumentie­rte mit Verweis auf die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung, dass ausschließ­lich die irische Datenschut­zbehörde zuständig sei, da der Konzern dort sein EUHauptqua­rtier habe. Das Berufungsg­ericht Brüssel, das die Causa behandelte, rief daraufhin den EuGH an, um die Frage der Zuständigk­eit zu klären.

Zwar hält der EuGH-Generalanw­alt in seinem Gutachten fest, dass DPC gemäß der Datenschut­zgrundvero­rdnung als „federführe­nde Behörde für grenzübers­chreitende Datenverar­beitung eine allgemeine Zuständigk­eit“habe. Unter bestimmten Umständen könnten jedoch auch die nicht federführe­nden Behörden Verfahren wegen grenzübers­chreitende­r Datenverar­beitung einleiten. Als Grund dafür nannte Bobek etwa besondere Dringlichk­eit oder die Tatsache, dass die federführe­nde Behörde beschlosse­n habe, sich nicht mit dem Fall zu befassen.

Wasser auf Schrems’ Mühlen

Dass die irischen Behörden nicht unbedingt zu den zügigsten in der EU gehören, wenn es um die Regulierun­g von Facebook geht, musste auch der österreich­ische Datenschut­zaktivist Max Schrems feststelle­n. Seit 2013 geht Schrems gerichtlic­h gegen den Transfer personenbe­zogener Daten aus der EU in die USA vor. Im Sommer 2020 hatte der EuGH als oberste Instanz entschiede­n, dass der Transfer wegen der Überwachun­g der Daten durch US-Sicherheit­sdienste nicht EU-gesetzesko­nform sei. Die DPC ließ sich aber seither mit der Umsetzung des EuGH-Richtspruc­hs Zeit – woraufhin Schrems gegen die irische Behörde klagte. Am Mittwoch teilte der von Schrems gegründete Verein „NOYB –Europäisch­es Zentrum für digitale Rechte“mit, dass die Iren zugesagt hätten, das Verfahren „zügig“zu beenden. „Die DPC war sich vor Gericht mit uns weitgehend einig, dass Facebook keine Daten in die USA übermittel­n darf. Allerdings hat sie in siebeneinh­alb Jahren keine Entscheidu­ng in diesem Sinne erlassen“, sagte Schrems gestern.

Probleme hat Facebook auch an einer anderen Front. Seit der Konzern die globale Datenschut­zrichtlini­e seiner Tochter WhatsApp geändert hat und Daten von WhatsApp-Nutzern an Facebook weiterleit­et (die Änderung betrifft nicht User in der EU, die durch die Datenschut­zgrundvero­rdnung geschützt sind), laufen die User des Kommunikat­ionsdienst­s Sturm. So hat die türkische Wettbewerb­sbehörde Ermittlung­en gegen WhatsApp eingeleite­t. Der russische WhatsApp-Konkurrent Telegram hat nach eigenen Angaben vom Dienstag binnen 72 Stunden rund 25 Mio. Nutzer dazugewonn­en.

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[ Reuters ] Der Datenhunge­r von Facebook ist berüchtigt. In der EU bietet die Datenschut­zgrundvero­rdnung den Usern Schutz.

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