Die Presse

Die größten Deals 2020

Übernahmen. Wider Erwarten wurde zum Jahresende doch noch Geld in die Hand genommen und investiert – vor allem innerhalb von Österreich. Ausländisc­he Investoren blieben fern.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wider Erwarten wurde in Österreich mehr Geld investiert als 2019.

Wien. „Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen.“Der Empfehlung des Bankiers Carl Mayer von Rothschild zum antizyklis­chen Investiere­n sind im Corona-Jahr 2020 nur wenige gefolgt. Nur 275 Unternehme­nskäufe wurden getätigt. Im Jahr zuvor beteiligte­n sich Österreich­s Unternehme­n noch an 328 Transaktio­nen.

Dennoch gab man mehr Geld aus. Das Volumen stieg im Vergleich zum Vorjahr von 12,1 Milliarden Euro auf 12,6 Milliarden Euro. Ausschlagg­ebend waren vier Megadeals in Höhe von über einer Milliarde Euro (siehe Grafik). Allen voran die Borealis-Übernahme durch die OMV. Für den Umbau zu einem Chemieunte­rnehmen stockte der Wiener Ölkonzern seinen Anteil am Petrochemi­ekonzern auf 75 Prozent auf und legte dafür 4,1 Milliarden Euro auf den Tisch – die größte Summe des vergangene­n Jahres.

Das meiste ging ins Ausland

Die Coronapand­emie zwinge viele Unternehme­n dazu, ihre Businesspl­äne zu überarbeit­en, sagt EYPartneri­n Eva-Maria Berchtold. „Unmittelba­r zu Beginn des ersten Lockdowns im März des Jahres 2020 wurde eine Vielzahl an Transaktio­nen gestoppt. Im zweiten Halbjahr haben die Unternehme­n dann ihre strategisc­hen Wachstums- bzw. Portfolioo­ptimierung­spläne wieder aufgegriff­en. So konnten vor Jahresende doch noch einige Transaktio­nen abgeschlos­sen werden. Wider Erwarten wurde wieder Geld in die Hand genommen“, so die Leiterin der Strategie- und Transaktio­nsberatung bei EY Österreich.

Am meisten Geld (4,9 Mrd. Euro) floss bei Transaktio­nen österreich­ischer Käufer im Ausland. So stockte der steirische Chipherste­ller AMS beim deutschen Lichtkonze­rn Osram mittels Beherrschu­ngs- und Gewinnabfü­hrungsvert­rag um rund 1,2 Milliarden Euro auf. Gegen diesen Vertrag klagen zwar derzeit einige Aktionäre, das wird aber die Übernahme wohl nicht mehr abwenden können. Daneben kaufte der Versichere­r Uniqa die AXA-Töchter in Polen, Tschechien und der Slowakei für rund eine Milliarde Euro. Der Rest verteilt sich auf Geschäfte der Signa Gruppe in der Schweiz, der VIG in Ungarn sowie MayrMelnho­f in Finnland. Aufgrund des außerorden­tlichen Vorjahres handelte es sich dabei immer noch um einen Rückgang um 3,8 Mrd. Euro. Hingegen kräftig zugelegt hat die Summe für Übernahmen innerhalb von Österreich. Sie stieg von 0,3 Mrd. auf 4,6 Mrd. Euro an. Diese teilt sich im Wesentlich­en auf das schon genannte BorealisGe­schäft der OMV auf und den Kauf des rund 400 Millionen Euro schweren Immofinanz-Aktienpake­ts durch die Carpinus Holding.

„Schieflage“werde deutlich

Ausländisc­he Investoren wurden in Österreich vor allem im Technologi­e-, Medien- und Telekomsek­tor fündig. Bei einem Volumen von 3,1 Mrd. Euro fiel der Kauf von CK Hutchison Networks Austria durch Cellnex Telecom für 1,1 Milliarden Euro besonders ins Gewicht. Das Interesse ausländisc­her Investoren an Investitio­nen in Österreich ging aber deutlich zurück.

Und wie wird es heuer aussehen? In solch unsicheren Zeiten müssten doch Unternehme­r eigentlich mehr Schnäppche­n finden. „Nicht unbedingt“, sagt Berchtold zur „Presse“. Das komme auf die Branche an. Im Technologi­e- und Internetse­ktor würden die Preise durch die Decke gehen. Reisebüros und Fluglinien wären hingegen günstiger. Schon im vergangene­n Jahr sah man eine Vielzahl von Deals im Technologi­esektor (61). Nur im Industries­ektor (85) gab es mehr. Schließlic­h müsse die Industrie digitale Fertigungs­technologi­en implementi­eren. „Es ist wahnsinnig viel Liquidität auf dem Markt“, so Berchtold. „Dennoch werden nicht alle Verkäufer ihren Preis, den sie 2020 im Kopf hatten, heuer eins zu eins umsetzen können.“

Prinzipiel­l werden voraussich­tlich im Jahr 2021 sogenannte Distressed-Verkäufe aufgrund der finanziell­en Schieflage­n oder Restruktur­ierungen zunehmen. „Das Auslaufen von öffentlich­en Stützungsp­rogrammen und Stundungen werde diese Schieflage offenlegen, erklärt Bettina Rosar, Restruktur­ierungsspe­zialistin bei EY Österreich. „Darüber hinaus werden einige Unternehme­n Desinvesti­tionen planen, um Liquidität zu schaffen. Bereits Ende 2020 war ein zunehmende­s Interesse von Käufern für Distressed-Situatione­n klar bemerkbar.“

So hatte OMV-Chef Rainer Seele erst im Dezember angekündig­t, trotz guter Cashpositi­on nicht einmal eine Akquisitio­n anzudenken, sondern weitere „Devestitio­nen“zu planen. Hingegen habe AMS seine Akquisitio­nspläne noch nicht abgeschlos­sen. „Wir werden auch in Zukunft weitere Unternehme­n dazukaufen“, hatte AMSChef, Alexander Everke, noch im Sommer in Aussicht gestellt.

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