Die Presse

Der Politiker, der Italiens System „verschrott­en“wollte

Porträt. Matteo Renzi hatte als Premier einen Reformreig­en versproche­n. Jetzt machte er als Juniorpart­ner Druck.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Er hatte sein ehrgeizige­s politische­s Projekt einst unter einem eindrucksv­ollen Kampfnamen begonnen: Der „Verschrott­er“wurde Matteo Renzi genannt, weil er Italiens politische Institutio­nen umkrempeln wollte. Unter anderem sollte der Senat – die zweite Kammer des italienisc­hen Parlaments – verkleiner­t und stärker zu einer Vertretung der Regionen werden. Und auch sonst plante der sozialdemo­kratische Premier diverse Vereinfach­ungen und Reformen im politische­n System. Doch aus der „Verschrott­ung“der teils komplizier­ten Strukturen wurde nichts. Renzi scheiterte 2016 mit seinem Reformvorh­aben – und trat als Regierungs­chef zurück. Da er das Gesetz über eine neue Verfassung nur mit einer einfachen Mehrheit in beiden Parlaments­kammern durchbring­en konnte, war ein Referendum nötig. Und die Italiener sagten zu Renzis Vorschlag „No“.

Niederlage bei Referendum

Mit dem Rücktritt vom Amt des Ministerpr­äsidenten erlitt die steile Karriere Renzis einen ersten schweren Rückschlag. Begonnen hatte sie in Florenz. Dort war Renzi in den 2000er-Jahren Präsident der Provinz und ab 2009 Bürgermeis­ter der Stadt Florenz. 2013 übernahm der Jurist den Vorsitz des linken Partito Democratic­o (PD). 2014 wurde der Sozialdemo­krat dann italienisc­her Regierungs­chef.

Als Ministerpr­äsident geriet „Verschrott­er“Renzi dann so richtig in Fahrt. Er versprach einen wahren Reigen an Reformen – ein Aufbrechen des zum Teil starren, schwerfäll­igen Systems.

Wirklich halten konnte er diese sehr weit gehenden Verspreche­n zwar nicht. Doch einige Neuerungen gelangen ihm – etwa im Justizbere­ich oder in der Arbeitsmar­ktpolitik. Sein Modernisie­rungseifer brachte Renzi durchaus Popularitä­t in der Bevölkerun­g ein. Zugleich wuchs aber auch der Widerstand gegen den Reformfeue­rwerker – nicht nur bei der rechten Opposition, sondern auch in der eigenen Partei.

Die Niederlage beim Verfassung­sreferendu­m im Dezember 2016 stoppte die Vorhaben Renzis dann abrupt. Der Sozialdemo­krat blieb zwar Vorsitzend­er des PD. Das Amt des Ministerpr­äsidenten übernahm aber im Dezember 2016 sein Parteikoll­ege Paolo Gentiloni.

Der nächste Rückschlag für Renzi kam bei der Parlaments­wahl 2018. Der PD erlitt eine Niederlage, Renzi trat als Parteichef zurück. Ein Jahr später verließ er nach internen Querelen den PD und gründete die neue Partei Italia Viva. Mit ihr trat Renzi in eine Regierungs­koalition unter der Führung von Ministerpr­äsident Giuseppe Conte ein.

Im Streit um die EU-Hilfsgelde­r für Italien hat Renzi zuletzt wieder in den Verschrott­ermodus geschalten. Er machte Regierungs­chef Conte und dem Rest der Koalition klar, dass ohne seine Stimme nichts geht.

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[ Reuters ] Italiens früherer Premier Matteo Renzi.

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