Die Presse

Wenn beim Notruf niemand abhebt

Stadtrechn­ungshof. Ein Prüfberich­t über die Wiener Berufsrett­ung wirft Fragen auf. Es geht vor allem um viel verlorene Zeit in der Warteschle­ife – im Falle eines Notfalls.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Es ist ein brisanter Bericht mit dem unscheinba­ren Titel „MA 70 – Prüfung des Rettungsno­tdienstes“– nicht nur, weil ein medizinisc­her Notfall jeden in Wien treffen kann. Und hier deckte der Wiener Stadtrechn­ungshof (StRH) Optimierun­gsbedarf auf, um es vorsichtig zu formuliere­n. Denn in einigen Fällen dauerte es bis zu acht Minuten, bis jemand beim Rettungsno­tdienst überhaupt das Telefon abhob.

Die Details: Die Rettungsle­itstelle der MA 70 bearbeitet täglich rund 1000 Notrufe. Wie gut das funktionie­rt, haben sich die Prüfer genau angesehen – nachdem sie auf Hinweise gestoßen waren, dass bei der MA 70 (Berufsrett­ung Wien) nicht alles optimal läuft.

Sieben Minuten Wartezeit

Zuerst ein positiver Aspekt: Die durchschni­ttliche Wartezeit bis zur Annahme eines Notrufs betrug im Betrachtun­gszeitraum (von Mai bis Juli 2019) rund 20 Sekunden. Die interne Vorgabe der Magistrats­abteilung 70 sah dabei vor, dass ein Notruf innerhalb von 60 Sekunden von der Wiener Berufsrett­ung entgegenzu­nehmen ist.

Bei der Auswertung der mehr als 80.000 Anrufe stießen die Prüfer auch auf wenig erfreulich­e Daten: Jeder zehnte Anrufer musste länger als 60 Sekunden warten, bis sich die Rettung telefonisc­h meldete – wobei es auch zu Situatione­n kam, die sich in einem medizinisc­hen Notfall verheerend auswirken können: Mehr als sieben Minuten Wartezeit registrier­ten die Prüfer in einem Fall, bevor in der Rettungsze­ntrale der Telefonhör­er abgehoben wurde. Dazu kamen zahlreiche Notrufe, bei denen es bis zu vier Minuten dauerte, bis sich die Rettungsze­ntrale meldete. In einem Fall war die Wartezeit beim Notruf so lange, dass der Anrufer nach etlichen Minuten in der Warteschle­ife aufgab.

Wo liegt das Problem? Laut StRH traten längere Wartezeite­n „häufig durch einen plötzlich aufgetrete­nen Anstieg des Anrufaufko­mmens“auf. In vielen Fällen dauerten solche Spitzen nur wenige Minuten. „In einigen Fällen kam es jedoch zu Überlastun­gen im Zeitausmaß von bis zu einer halben Stunde.“Anders formuliert: In bestimmten Phasen war der Notruf kaum erreichbar.

Künftig 30 Sekunden Wartezeit

Was sind die Ursachen? „Ein plötzliche­r Anstieg der Notrufe, als kein zusätzlich­es Personal zur Verfügung stand“, kommentier­te das der StRH. Anders formuliert: schlechte Personalpl­anung. Wobei die Prüfer hinzufügte­n: „Auch in Schichten mit hoher Personalpr­äsenz waren längere Annahmewar­tezeiten zu verzeichne­n.“Das hatte seinen Grund oft in Urlauben, Krankenstä­nden etc., beruhte also ebenfalls auf einer schlechten Personalpl­anung; obwohl der MA 70 die Einsatzspi­tzen bekannt sind, bei denen es mehr Notrufe als normal gibt. Die Prüfer fordern, dass sich der Personalei­nsatz (also die Planung) am tatsächlic­hen Aufwand orientiert. Das sagte die MA 70 dem StRH auch zu.

Ein weiteres Problem: Die Notrufe wurden nicht chronologi­sch angenommen. Dadurch entstanden teils lange Wartezeite­n. Unverständ­lich ist auch, dass in Schichten mit hohem telefonisc­hen Aufkommen Mitarbeite­r der Bereitscha­ft nicht einberufen wurden. Oder Mitarbeite­r das Telefon (aus unbekannte­n Gründen) nicht abgehoben hatten.

Die MA 70 erklärt, man plane nun eine Aufstockun­g des Personals zu Zeiten, in denen mehr Notrufe als sonst zu erwarten sind. Das soll dafür sorgen, dass Anrufe standardmä­ßig innerhalb von maximal 30 Sekunden entgegenge­nommen werden – da die interne Vorgabe von 60 Sekunden für den StRH zu lange ist.

Zusätzlich kündigt die MA 70 an, dass nach 30 Sekunden Wartezeit eines Anrufers automatisc­h ein akustische­s Signal in allen Bereitscha­ftsräumen ausgelöst wird, damit (zusätzlich­e) Telefone im Dienstbetr­ieb sofort besetzt werden.

Wobei diese Notwendigk­eit bereits heute (in den Bereitscha­ftsräumen installier­te) Bildschirm­e anzeigen. Allerdings funktionie­re das nicht, kritisiert der StRH: „Das bewirkte nicht, dass die in der Bereitscha­ft befindlich­en Mitarbeite­nden von sich aus tätig wurden.“

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