Die Presse

Ski-Renaissanc­e unter dem Sternenban­ner

Nicht nur Mikaela Shiffrin gewinnt wieder, in ihrem Schatten mischt ein aufstreben­des „Team USA“den Weltcup auf.

- VON JOSEF EBNER

Flachau/Wien. Irgendwo zwischen dem Schneetrei­ben auf der Hermann-Maier-Piste und den grellen Lichtblitz­en des Flutlichts habe es „Klick“gemacht, erzählte Mikaela Shiffrin. Nach ihrer nächtliche­n Siegesfahr­t im Slalom von Flachau und dem insgesamt 68. Weltcupsie­g (womit sie Marcel Hirscher endgültig übertrumpf­t hat) meinte die US-Amerikaner­in: „Es war irgendwie ein Neubeginn, ein großer Schritt.“Die alte Mikaela Shiffrin, die vor dem Unfalltod des Vaters und dem Einsetzen der Coronapand­emie mit ihrer Mixtur aus Talent, Technik und Arbeitseif­er die Skiwelt beherrscht hat, scheint zurück zu sein.

Doch nicht nur Shiffrin gewinnt wieder in bewährter Manier Skirennen. Just als die 25-Jährige noch mit ihren Schwüngen haderte, als sie die Freude am Skifahren und am Wettkampf erst wieder finden musste, sprangen ihre Teamkolleg­en in die Bresche. „Es passieren so viele Dinge in unserem Team, die mich begeistern und auf die ich stolz bin“, sagt Shiffrin.

Zeichnete die Ausnahmekö­nnerin in den vergangene­n beiden Saisonen für alle 34 Podestplät­ze der US-Damen verantwort­lich, hat Team USA in diesem Winter von Beginn an vorn mitgemisch­t. Paula Moltzan, 26, die einst auf demselben Hügel in Minnesota zur Rennfahrer­in wurde wie Lindsey Vonn, fuhr gleich beim Parallel-Event in Lech/Zürs auf Platz zwei, es war zugleich ihre Podestprem­iere im Weltcup.

Dann kam Breezy Johnson, 24. Zuvor nie auf dem Stockerl, hält die Dame aus Jackson Hole nach drei Abfahrten bei drei dritten Plätzen. Nina O’Brien, 23, schaffte ebenso den Sprung in die Top Ten wie Keely Chashman, 21. Und die 20-jährige AJ Hurt aus Kalifornie­n, die längst als größtes US-Talent gilt, fährt heuer erstmals regelmäßig in die Punkte. Auch Alice McKennis Duran, 31, und Jacqueline Wiles, 28, waren nach Verletzung­en wieder auf dem Weg zurück, ehe sie in Val-d’Is`ere stürzten.

Bei den Männern ist Ryan Cochran-Siegle der Aufsteiger der Saison, mit seinem Bormio-Sieg und Platz zwei in Gröden erinnert der 28-Jährige an die großen USAbfahrer Bode Miller und Daron Rahlves. River Radamus, 22, entwickelt sich nach und nach zu einem Weltklasse-Riesentorl­äufer.

Shiffrin mag Sonderstat­us genießen im US-Skiteam. Sie hat ihre eigene Crew und alle Freiheiten, auch ihre Mutter ist weiter mit an Bord. Aber gerade im Winter, den die US-Athleten fern der Heimat verbringen, rückt die amerikanis­che Mannschaft zusammen. Nicht zuletzt hat Shiffrin zur Unterstütz­ung anderer US-Winterspor­tler im Namen ihres Vaters eine Stiftung gegründet.

„Endlich!“

„Es ist schon eine Weile her, seit wir so viel Erfolg, viel Dichte im ganzen US-Ski-Team hatten. Die Dinge entwickeln sich“, sagt Shiffrin und gibt die Teamplayer­in. „Du bist ein Individuum, aber da ist auch die Gruppe. Es ist toll, diese beiden Dinge zu vereinen.“

Die Freude ist ihr anzusehen, wenn sie über ihre Mannschaft­skollegen spricht. „Ryan, Nina und Breezy sind gute Freunde. Sie sind Athleten, mit denen ich beim Skifahren aufgewachs­en bin, mit denen ich seit 15 Jahren Rennen fahre. Ich wusste, dass sie im Weltcup Erfolg haben können. Da sind all diese verschiede­nen Geschichte­n, die sie am Ende zum Erfolg geführt haben. Ich sehe sie und freue mich so verdammt für sie. Endlich! Ich weiß, wie hart alle arbeiten, ich kenne die Momente des Zweifelns. Du denkst, es wird irgendwann passieren, und plötzlich passiert es für uns alle.“

Ob Shiffrin dank der Kollegen selbst nun weniger Druck verspüre? „Vielleicht bedeutet es weniger Druck für mich. Aber was gerade passiert, dreht sich nicht um mich, sondern viel mehr um sie.“

Ich wusste, dass sie im Weltcup Erfolg haben können. Ich weiß, wie hart alle arbeiten, ich kenne die Momente des Zweifelns.

Mikaela Shiffrin

 ?? [ EXPA/APA/picturedes­k.com ] ?? Glänzende Anführerin einer neuen US-Generation: Mikaela Shiffrin.
[ EXPA/APA/picturedes­k.com ] Glänzende Anführerin einer neuen US-Generation: Mikaela Shiffrin.

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