Ski-Renaissance unter dem Sternenbanner
Nicht nur Mikaela Shiffrin gewinnt wieder, in ihrem Schatten mischt ein aufstrebendes „Team USA“den Weltcup auf.
Flachau/Wien. Irgendwo zwischen dem Schneetreiben auf der Hermann-Maier-Piste und den grellen Lichtblitzen des Flutlichts habe es „Klick“gemacht, erzählte Mikaela Shiffrin. Nach ihrer nächtlichen Siegesfahrt im Slalom von Flachau und dem insgesamt 68. Weltcupsieg (womit sie Marcel Hirscher endgültig übertrumpft hat) meinte die US-Amerikanerin: „Es war irgendwie ein Neubeginn, ein großer Schritt.“Die alte Mikaela Shiffrin, die vor dem Unfalltod des Vaters und dem Einsetzen der Coronapandemie mit ihrer Mixtur aus Talent, Technik und Arbeitseifer die Skiwelt beherrscht hat, scheint zurück zu sein.
Doch nicht nur Shiffrin gewinnt wieder in bewährter Manier Skirennen. Just als die 25-Jährige noch mit ihren Schwüngen haderte, als sie die Freude am Skifahren und am Wettkampf erst wieder finden musste, sprangen ihre Teamkollegen in die Bresche. „Es passieren so viele Dinge in unserem Team, die mich begeistern und auf die ich stolz bin“, sagt Shiffrin.
Zeichnete die Ausnahmekönnerin in den vergangenen beiden Saisonen für alle 34 Podestplätze der US-Damen verantwortlich, hat Team USA in diesem Winter von Beginn an vorn mitgemischt. Paula Moltzan, 26, die einst auf demselben Hügel in Minnesota zur Rennfahrerin wurde wie Lindsey Vonn, fuhr gleich beim Parallel-Event in Lech/Zürs auf Platz zwei, es war zugleich ihre Podestpremiere im Weltcup.
Dann kam Breezy Johnson, 24. Zuvor nie auf dem Stockerl, hält die Dame aus Jackson Hole nach drei Abfahrten bei drei dritten Plätzen. Nina O’Brien, 23, schaffte ebenso den Sprung in die Top Ten wie Keely Chashman, 21. Und die 20-jährige AJ Hurt aus Kalifornien, die längst als größtes US-Talent gilt, fährt heuer erstmals regelmäßig in die Punkte. Auch Alice McKennis Duran, 31, und Jacqueline Wiles, 28, waren nach Verletzungen wieder auf dem Weg zurück, ehe sie in Val-d’Is`ere stürzten.
Bei den Männern ist Ryan Cochran-Siegle der Aufsteiger der Saison, mit seinem Bormio-Sieg und Platz zwei in Gröden erinnert der 28-Jährige an die großen USAbfahrer Bode Miller und Daron Rahlves. River Radamus, 22, entwickelt sich nach und nach zu einem Weltklasse-Riesentorläufer.
Shiffrin mag Sonderstatus genießen im US-Skiteam. Sie hat ihre eigene Crew und alle Freiheiten, auch ihre Mutter ist weiter mit an Bord. Aber gerade im Winter, den die US-Athleten fern der Heimat verbringen, rückt die amerikanische Mannschaft zusammen. Nicht zuletzt hat Shiffrin zur Unterstützung anderer US-Wintersportler im Namen ihres Vaters eine Stiftung gegründet.
„Endlich!“
„Es ist schon eine Weile her, seit wir so viel Erfolg, viel Dichte im ganzen US-Ski-Team hatten. Die Dinge entwickeln sich“, sagt Shiffrin und gibt die Teamplayerin. „Du bist ein Individuum, aber da ist auch die Gruppe. Es ist toll, diese beiden Dinge zu vereinen.“
Die Freude ist ihr anzusehen, wenn sie über ihre Mannschaftskollegen spricht. „Ryan, Nina und Breezy sind gute Freunde. Sie sind Athleten, mit denen ich beim Skifahren aufgewachsen bin, mit denen ich seit 15 Jahren Rennen fahre. Ich wusste, dass sie im Weltcup Erfolg haben können. Da sind all diese verschiedenen Geschichten, die sie am Ende zum Erfolg geführt haben. Ich sehe sie und freue mich so verdammt für sie. Endlich! Ich weiß, wie hart alle arbeiten, ich kenne die Momente des Zweifelns. Du denkst, es wird irgendwann passieren, und plötzlich passiert es für uns alle.“
Ob Shiffrin dank der Kollegen selbst nun weniger Druck verspüre? „Vielleicht bedeutet es weniger Druck für mich. Aber was gerade passiert, dreht sich nicht um mich, sondern viel mehr um sie.“
Ich wusste, dass sie im Weltcup Erfolg haben können. Ich weiß, wie hart alle arbeiten, ich kenne die Momente des Zweifelns.
Mikaela Shiffrin