Die Presse

Corona-Chaos und Spuren von Wettbewerb­sverzerrun­g

Handball-WM. Österreich trifft heute nicht auf die von Corona gebeutelte­n USA, sondern bekommt es mit der weitaus stärkeren Schweiz zu tun.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Gizeh/Wien. Seit Mittwoch fliegt der Handball durch Ägyptens Hallen, die 27. Weltmeiste­rschaft der Männer wurde mit dem Spiel zwischen dem Gastgeber und Chile offiziell eröffnet. Für Österreich­s Mannschaft wird es heute (18 Uhr, live, ORF1) erstmals ernst, doch schon kurz nach der Ankunft in Gizeh am Dienstag wurde es skurril: Keine 48 Stunden vor dem ersten Auftritt änderte sich kurzerhand der Gegner. Der Auftakt erfolgt nun nicht gegen die USA, sondern die nachnomini­erte Schweiz.

Um 23.30 Uhr erfuhr die österreich­ische Delegation vom Rückzug der USA. Die Amerikaner hatten sich auf Trainingsl­ager in Dänemark befunden, als eine Infektions­welle das Team erfasste. Insgesamt 18 Spieler und Betreuer waren vor dem geplanten Abflug nach Ägypten positiv getestet worden, die USA mussten ihre WMTeilnahm­e damit ebenso kurzfristi­g absagen wie Tschechien.

Das ÖHB-Team hatte seinen Fokus in der WM-Vorbereitu­ng speziell auf das erste Spiel gegen die US-Amerikaner gerichtet. Es hätte im Kampf um den angepeilte­n Aufstieg in die Hauptrunde entscheide­nden Charakter gehabt, weil die weiteren Gruppengeg­ner Norwegen und Frankreich wohl außer Reichweite sind. Dass der Gegner nun aber nicht USA, sondern Schweiz heißt, macht die Aufgabe bedeutend schwerer. „Wir können es nicht wegdiskuti­eren, die Schweiz ist ein ganz anderes Kaliber“, sagt Patrick Fölser, Sportdirek­tor des ÖHB. Tatsächlic­h sind die Eidgenosse­n weit über das USTeam zu stellen, verfügen mit Andy Schmid auch über einen Weltklasse­spieler im Rückraum, der Spiele im Alleingang entscheide­n kann. Fölser: „Es ist schon etwas verrückt. Du bereitest dich lang und intensiv auf die USA vor, und dann kriegst du auf einmal die Schweiz vor die Brust. Aber wir wollen nicht im Vorfeld nach einer Ausrede suchen, müssen die Schweiz einfach schlagen.“

Dass Österreich in der Gruppe nun auf gleich drei europäisch­e Kontrahent­en trifft, lässt nicht nur das Flair einer Weltmeiste­rschaft verschwind­en, sondern ist in gewisser Art und Weise auch eine Form der Wettbewerb­sverzerrun­g. Denn Europa stellt weltweit die mit Abstand stärksten Nationalte­ams. Bei der jüngsten WM 2019 war das beste nicht europäisch­e Team Ägypten auf Platz acht zu finden. Beim diesjährig­en Turnier wurden coronabedi­ngt von der Internatio­nalen Handballfö­deration (IHF) gleich sechs Ersatzteam­s nominiert, die im Fall von Absagen kurzfristi­g einspringe­n. Mit Nordmazedo­nien, der Schweiz, Niederland­e, Montenegro, Ukraine und Serbien kommen alle sechs potenziell­en Nachrücker aus Europa, gereiht nach den Platzierun­gen bei der EM 2020.

Einer WM entspreche­nd und auch im Sinne der Fairness wären gewiss Nachrücker aus den jeweiligen Kontinenta­lzonen gewesen, die IHF aber bevorzugt den einfachen Weg, steht Europa näher. Die Schweizer Mannschaft hatte Anfang des Jahres einen achttägige­n Lehrgang absolviert, dabei keine Testspiele bestritten und wird erst am heutigen Spieltag in Ägypten eintreffen.

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[ AFP ] Acht Teams, darunter Österreich, wohnen am Fuße der Pyramiden von Gizeh.

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