Corona-Chaos und Spuren von Wettbewerbsverzerrung
Handball-WM. Österreich trifft heute nicht auf die von Corona gebeutelten USA, sondern bekommt es mit der weitaus stärkeren Schweiz zu tun.
Gizeh/Wien. Seit Mittwoch fliegt der Handball durch Ägyptens Hallen, die 27. Weltmeisterschaft der Männer wurde mit dem Spiel zwischen dem Gastgeber und Chile offiziell eröffnet. Für Österreichs Mannschaft wird es heute (18 Uhr, live, ORF1) erstmals ernst, doch schon kurz nach der Ankunft in Gizeh am Dienstag wurde es skurril: Keine 48 Stunden vor dem ersten Auftritt änderte sich kurzerhand der Gegner. Der Auftakt erfolgt nun nicht gegen die USA, sondern die nachnominierte Schweiz.
Um 23.30 Uhr erfuhr die österreichische Delegation vom Rückzug der USA. Die Amerikaner hatten sich auf Trainingslager in Dänemark befunden, als eine Infektionswelle das Team erfasste. Insgesamt 18 Spieler und Betreuer waren vor dem geplanten Abflug nach Ägypten positiv getestet worden, die USA mussten ihre WMTeilnahme damit ebenso kurzfristig absagen wie Tschechien.
Das ÖHB-Team hatte seinen Fokus in der WM-Vorbereitung speziell auf das erste Spiel gegen die US-Amerikaner gerichtet. Es hätte im Kampf um den angepeilten Aufstieg in die Hauptrunde entscheidenden Charakter gehabt, weil die weiteren Gruppengegner Norwegen und Frankreich wohl außer Reichweite sind. Dass der Gegner nun aber nicht USA, sondern Schweiz heißt, macht die Aufgabe bedeutend schwerer. „Wir können es nicht wegdiskutieren, die Schweiz ist ein ganz anderes Kaliber“, sagt Patrick Fölser, Sportdirektor des ÖHB. Tatsächlich sind die Eidgenossen weit über das USTeam zu stellen, verfügen mit Andy Schmid auch über einen Weltklassespieler im Rückraum, der Spiele im Alleingang entscheiden kann. Fölser: „Es ist schon etwas verrückt. Du bereitest dich lang und intensiv auf die USA vor, und dann kriegst du auf einmal die Schweiz vor die Brust. Aber wir wollen nicht im Vorfeld nach einer Ausrede suchen, müssen die Schweiz einfach schlagen.“
Dass Österreich in der Gruppe nun auf gleich drei europäische Kontrahenten trifft, lässt nicht nur das Flair einer Weltmeisterschaft verschwinden, sondern ist in gewisser Art und Weise auch eine Form der Wettbewerbsverzerrung. Denn Europa stellt weltweit die mit Abstand stärksten Nationalteams. Bei der jüngsten WM 2019 war das beste nicht europäische Team Ägypten auf Platz acht zu finden. Beim diesjährigen Turnier wurden coronabedingt von der Internationalen Handballföderation (IHF) gleich sechs Ersatzteams nominiert, die im Fall von Absagen kurzfristig einspringen. Mit Nordmazedonien, der Schweiz, Niederlande, Montenegro, Ukraine und Serbien kommen alle sechs potenziellen Nachrücker aus Europa, gereiht nach den Platzierungen bei der EM 2020.
Einer WM entsprechend und auch im Sinne der Fairness wären gewiss Nachrücker aus den jeweiligen Kontinentalzonen gewesen, die IHF aber bevorzugt den einfachen Weg, steht Europa näher. Die Schweizer Mannschaft hatte Anfang des Jahres einen achttägigen Lehrgang absolviert, dabei keine Testspiele bestritten und wird erst am heutigen Spieltag in Ägypten eintreffen.