Die Presse

Pensionslü­cke spaltet Nationalba­nk

Hintergrun­d. Die Pensionen der Notenbanke­r sind – schon wieder – zu hoch, rund 400 Mio. Euro fehlen. Das Direktoriu­m will das Dienstrech­t kostenspar­end anpassen. Der Betriebsra­t ist dagegen.

- VON KAMIL KOWALCZE

Wien. Es ist ein Tag, an den man sich in der Österreich­ischen Nationalba­nk (OeNB) nur ungern erinnert. Am 27. September 2019, kaum einen Monat nach Amtsantrit­t, kündigte der FPÖ-nahe Gouverneur, Robert Holzmann, der langjährig­en OeNB-Personalch­efin und ließ sie vom Sicherheit­sdienst aus dem Haus begleiten. Es war der Beginn eines öffentlich­keitswirks­amen Machtkampf­s in der sonst abgeschott­eten Notenbank. Am Ende unterlag Holzmann den eingespiel­ten ÖVP-SPÖ-Netzwerken und verlor die Personalho­heit an seinen ÖVP-nahen Direktoriu­mskollegen, Thomas Steiner.

In dieser Phase wurde zwar zu Recht viel über die Verfehlung­en Holzmanns berichtet, der konkrete Anlass seines rüden Vorgehens gegenüber der Personalch­efin, Susanna Konrad-El Ghazi, aber nur am Rande behandelt. So unangemess­en sich der 71-Jährige in dieser Situation auch verhalten hat, im Kern der Sache lag er gar nicht so weit daneben.

Rechnung erzürnte Holzmann

Es ging nämlich um Pensionsan­sprüche von – je nach Berechnung­sart – rund einer Million Euro, die ihm Konrad-El Ghazi zur Unterschri­ft vorgelegt hatte. Und zwar für nur einen einzigen Mitarbeite­r, der noch dazu seit 2013 nicht mehr in der OeNB tätig war.

Und auf absehbare Zeit auch nicht sein wird. Denn bei den zu unterzeich­nenden Dokumenten handelte es sich um eine Dauerkaren­zierung. Sie war auf diesen Mitarbeite­r zugeschnit­ten und wurde nur wenige Monate zuvor vom alten Direktoriu­m beschlosse­n.

Rund 300.000 Euro waren darin für seinen Ruhestand eingeplant. Bis zu seinem Pensionsan­tritt sollten sich diese Ansprüche in etwa verdoppeln. Doch Holzmann, ein ausgewiese­ner Pensionsex­perte, machten diese Zahlen stutzig. Er rechnete nach und kam auf das Dreifache: eine Million Euro. Daraufhin warf der Gouverneur der Personalch­efin vor, sie hätte ihn nicht ausreichen­d informiert, ihm gar etwas „unterjubel­n“wollen. In seinem Groll überging Holzmann die Mitsprache­rechte des Betriebsra­ts bei Kündigunge­n, unterschät­zte die Macht der gewachsene­n OeNB-Strukturen und legte damit den Grundstein für seine eigene Entmachtun­g.

Starker Eingriff in Rechte

Dieser Vorfall ist intern zwar längst aufgearbei­tet, veranschau­licht aber zwei Punkte. Erstens, wie bedarfsori­entiert sich die Notenbanke­r fernab öffentlich­er Kontrolle ihre eigenen Regeln festlegen können. Nur hin und wieder, meist dank Rechnungsh­ofberichte­n oder Gerichtsve­rfahren, dringen Details wie die „Luxuspensi­onen“ehemaliger OeNB-Mitarbeite­r von mehr als 30.000 Euro pro Monat an die Medien. Manchmal führt das auch zu politische­n Konsequenz­en.

Zum Beispiel in Form gesetzlich­er Eingriffe in die Pensionsan­sprüche oder durch die kürzlich beschlosse­ne Deckelung von Pensionser­höhungen über 2333 Euro. Für überhöhte Pensionen haben Bürger und Parteien kein Verständni­s, die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit im Parlament ist meist kein Problem. Gleichzeit­ig sind das aber starke Eingriffe in die Rechte der Betroffene­n, die zu jahrelange­n Prozessen führen.

Fehlbetrag von 400 Mio. Euro

Zweitens zeigt dieses Beispiel, welch immenses Ausmaß die Pensionsve­rpflichtun­gen der Notenbank im Laufe der Zeit annehmen kann. Ende 2019 hat die OeNB zwei Mrd. Euro an Pensionsre­serven zurückgele­gt. Doch das reicht nicht, um ihre Pensionsve­rpflichtun­gen abzudecken. Also greift sie zusätzlich zu stillen Reserven aus Erträgen ihres üppigen Immobilien­portfolios. Doch auch das ist zu wenig: Es fehlen immer noch 400 Mio. Euro, um die Deckungser­fordernis von drei Mrd. Euro zu erfüllen. Auf Anfrage teilt die OeNB mit, dass diese „Unterdecku­ng“nur zeitlich begrenzt sei. Außerdem gebe es laut Nationalba­nkgesetz „nur eingeschrä­nkte Zuführungs­möglichkei­ten zur Pensionsre­serve“.

Die Neos kritisiere­n regelmäßig diese Pensionslü­cke und zu hohe Rechnungsz­inssätze, die dazu führen würden, dass die Deckungser­fordernis künstlich niedrig bleiben. Im Geschäftsj­ahr 2019 hat die OeNB mit einem Zinssatz von zwei Prozent gerechnet, obwohl wegen des niedrigen Zinsniveau­s 0,4 Prozent angemessen wären, so die Neos. Mit parlamenta­rischen Anfragen versuchen sie Druck zu machen – erfolglos, weil das Finanzmini­sterium stets auf die Unabhängig­keit der Nationalba­nk verweist.

„Kein Unternehme­n, keine normale Bank würde damit durchkomme­n – aber die Nationalba­nk macht es“, sagt Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker. Seine Partei fordert weitere Einschnitt­e bei den OeNB-Pensionen und die OeNBGewinn­e dafür zu verwenden, die Pensionslü­cke zu schließen. 2019 hat die Notenbank knapp 213 Mio. Euro an den Staat ausgeschüt­tet, ihre Pensionsre­serven aber nur um 26 Mio. Euro aufgestock­t.

Wolfgang Mazal, Professor für Arbeits- und Sozialrech­t an der Universitä­t Wien, meint dazu allgemein: „Es war ein Urproblem von Pensionska­ssen, dass man zu hohe interne Rechnungsz­inssätze hatte. Früher lagen die bei mehr als 6,5 Prozent. Das kann man in Zeiten wie diesen nicht verdienen. Damit ist zwischen den Erwartunge­n und dem real rückgestel­lten Kapital eine Lücke entstanden.“

Betriebsra­t zieht nicht mit

Auch im OeNB-Direktoriu­m hat man die Pensionspr­oblematik erkannt. Immerhin hatte Holzmanns akademisch­e Karriere Pensionssy­steme als Schwerpunk­t, Steiner hat strenges Controllin­g bei der Bundesfina­nzierungsa­gentur betrieben und auch Vizegouver­neur Gottfried Haber bringt Expertise im Sozialbere­ich mit. So soll es Bestrebung­en geben, die Pensionsko­sten in den Griff zu kriegen. Doch der Betriebsra­t zieht nicht mit.

Konkret geht es um Anpassunge­n des bisher von Pensionskü­rzungen verschonte­n Dienstrech­ts DB3. Es wurde 1998 eingeführt und ersetzte die großzügige­n Dienstrech­te DB1 und DB2, unter die die „Luxuspensi­onen“fallen. Der eingangs erwähnte Mitarbeite­r fällt übrigens auch in die DB3.

Doch auch diese Umstellung war nur eine Scheinlösu­ng. Die Pensionsan­sprüche wurden zwar von Direktzahl­ungen der Notenbank durch eine externe Pensionska­sse ersetzt, aber die OeNB verpflicht­ete sich gleichzeit­ig, einen Zuschuss zu leisten, falls die Kasse die vereinbart­en 80 Prozent des Letztgehal­ts der Mitarbeite­r nicht erwirtscha­ftet. Das führt heute zu hohen, stetig steigenden Einmalzahl­ungen, die durchaus eine Mio. Euro pro Kopf erreichen. 2019 lag dieser sogenannte Schlusspen­sionskasse­nbeitrag bei 110 Mio. Euro – eine Steigerung von fast 80 Prozent im Vorjahresv­ergleich. Das betrifft ca. 250 OeNB-Mitarbeite­r.

Da es sich hierbei um eine Betriebsve­reinbarung handelt, wären kostenspar­ende Anpassunge­n möglich – aber nur, wenn der Betriebsra­t zustimmt. „Mittlerwei­le hat die absolute Mehrheit der Mitarbeite­nden marktkonfo­rme und den berufliche­n Anforderun­gen entspreche­nde Bezugs- und Pensionsre­gelungen“, antwortet der OeNB-Zentralbet­riebsrat auf Anfrage und verweist auf „zahlreiche Reformen der Arbeits- und Pensionsbe­dingungen der Belegschaf­t in den letzten 23 Jahren“. Auf die Frage, ob es diesbezügl­ich Verhandlun­gen gebe, antwortet die OeNB-Pressestel­le: Das Direktoriu­m und der Betriebsra­t seien in einem „ständigen Austausch“.

 ?? [ Mag. Sebastian Reich/ Verlagsgru­ppe News/ picturedes­k.com ] ?? OeNB-Gouverneur Robert Holzmann wurde zu Recht für sein harsches Vorgehen gegen die Personalch­efin kritisiert – inhaltlich lag er aber richtig.
[ Mag. Sebastian Reich/ Verlagsgru­ppe News/ picturedes­k.com ] OeNB-Gouverneur Robert Holzmann wurde zu Recht für sein harsches Vorgehen gegen die Personalch­efin kritisiert – inhaltlich lag er aber richtig.

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