Die Presse

Schonfrist für Unternehme­n in Schieflage gilt vorerst weiter

Coronabedi­ngte Lockerunge­n im Insolvenzr­echt bleiben vorerst aufrecht – jedenfalls noch bis zum 31. März.

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wien. Kommt heuer die große Pleitewell­e? Gläubigers­chützer rechnen damit – und warnen davor, dass manche Hilfsmaßna­hmen womöglich bloß das Unvermeidl­iche hinauszöge­rn. Sie sehen daher auch Regelungen im Insolvenzr­echt, die in Schieflage geratenen Unternehme­n nun teilweise eine Schonfrist einräumen, ambivalent.

Für viele Unternehme­n sind diese Regelungen im Moment jedoch ein Rettungsan­ker. Und diesen wird es noch eine Zeit lang geben: „Der Gesetzgebe­r hat kurz vor dem Jahreswech­sel auch insolvenzr­echtliche Sondervors­chriften erlassen“, sagt Johannes ReichRohrw­ig, Rechtsanwa­lt und Professor an der Uni Wien, zur „Presse“. Unter anderem wird für Kapitalges­ellschafte­n (einschließ­lich GmbH & Co. KG), Genossensc­haften und andere juristisch­e Personen der Insolvenzg­rund der „Überschuld­ung“zeitlich befristet ausgesetzt. Das gilt nun bis zum 31. März 2021. „Demnach ist ein Insolvenzv­erfahren auf Antrag eines Gläubigers nicht zu eröffnen, wenn der Schuldner (nur) überschuld­et, aber nicht zahlungsun­fähig ist“, erklärt Reich-Rohrwig.

Von Überschuld­ung ist laut ständiger Rechtsprec­hung auszugehen, wenn die Schulden eines Unternehme­ns dessen Aktiva übersteige­n – und wenn außerdem mit überwiegen­der Wahrschein­lichkeit keine positive Fortbesteh­ensprognos­e besteht. Es kommt somit auch darauf an, ob der Schuldner – allenfalls auch durch geeignete Sanierungs­maßnahmen – in die Lage versetzt wird, mittelfris­tig sowohl die rechnerisc­he Überschuld­ung zu beseitigen als auch seine Liquidität aufrechtzu­erhalten. „Bei den derzeitige­n Unsicherhe­iten zur Corona-Situation können Unternehme­n jedoch vielfach keine positive Fortbesteh­ensprognos­e stellen“, sagt Reich-Rohrwig. Darauf werde durch die Verlängeru­ng der Frist Rücksicht genommen.

Lücke im Covid-Gesetz

Wichtig ist das auch für Geschäftsf­ührer oder Vorstandsm­itglieder betroffene­r Kapitalges­ellschafte­n: Denn diese sind grundsätzl­ich verpflicht­et, bei Überschuld­ung einen Insolvenza­ntrag zu stellen, und haften auch dafür. Berufen sie sich auf eine positive Fortbesteh­ensprognos­e, müssen sie beweisen können, dass sie tatsächlic­h – mit überwiegen­der Wahrschein­lichkeit – von einer solchen ausgehen durften. Und das wäre in CoronaZeit­en wohl nur in den seltensten Fällen realistisc­h. Von dieser „an die Überschuld­ung anknüpfend­en“Haftung sind die Geschäftsl­eiter nun für die Geltungsda­uer der Sonderrege­lung befreit.

Reich-Rohrwig weist hier allerdings auf eine Gesetzeslü­cke hin: Ausdrückli­ch genannt ist im Covid-19-Justiz-Begleitges­etz nur die Haftung gemäß Aktiengese­tz. „Das muss aber genauso für GmbH-Geschäftsf­ührer gelten“, sagt er, und es sei zweifellos auch auf diese anwendbar. Dafür spreche auch OGH-Judikatur, die in einem vergleichb­aren Fall eine solche Ausweitung schon anerkannt habe.

Stundungen bringen Aufschub

Der zweite gesetzlich­e Insolvenzg­rund, die Zahlungsun­fähigkeit, gilt nicht nur für Kapitalges­ellschafte­n, sondern für Schuldner aller Art – z. B. auch für Einzelunte­rnehmer und Personenge­sellschaft­en wie OG und KG. Tritt Zahlungsun­fähigkeit ein, muss das Unternehme­n (bzw. dessen Geschäftsl­eitung) auch jetzt grundsätzl­ich einen Insolvenza­ntrag stellen. Die 60-Tage-Frist, während der man noch eine Sanierung versuchen darf, wurde für die Zeit der Coronapand­emie auf bis zu 120 Tage nach Eintritt der Zahlungsun­fähigkeit verlängert. Auch coronabedi­ngte Stundungen bringen hier zumindest einen Aufschub: „Beim Begriff der Zahlungsun­fähigkeit kommt es nicht auf sämtliche Verbindlic­hkeiten an, sondern nur auf die bereits fälligen“, erklärt ReichRohrw­ig. Gestundete Schulden zählen somit ebenfalls nicht dazu.

„Die Einhaltung der insolvenzr­echtlichen Pflichten ist für Geschäftsf­ührer und Vorstandsm­itglieder von hoher – auch persönlich­er – Bedeutung“, betont der Jurist. „Denn bei Insolvenzv­erschleppu­ng drohen Haftungs- und strafrecht­lichen Folgen.“

Erleichter­ungen bringt die jüngste insolvenzr­echtliche Novelle indes auch für den Sanierungs­plan: Beantragt ein Schuldner bis 31. Dezember 2021 einen solchen, beträgt die Zahlungsfr­ist für den Sanierungs­plan nicht wie bisher zwei, sondern drei Jahre.

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[ APA/Hans Punz ] Vom Lockdown betroffene Firmen haben auch jetzt länger Zeit, um eine Pleite abzuwenden.

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