Nawalny will nach Russland zurück
Russland. Der vergiftete Oppositionelle soll am Sonntagabend nach Moskau zurückkehren. Anhänger wollen ihm einen feierlichen Empfang bereiten.
Berlin. Nach seiner Vergiftung will Kreml-Kritiker Alexej Nawalny am Sonntag nach Moskau zurückkehren. Er lande am 17. Jänner mit einer Maschine der russischen Fluggesellschaft Pobeda, teilte er via Twitter mit. Nawalny hält sich nach dem Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok seit August zur Heilung in Deutschland auf.
Die Frage einer Rückkehr habe sich für ihn nie gestellt, da er Russland nicht selbst verlassen habe, schrieb der 44-Jährige. In seiner Heimat drohen ihm Strafverfahren und Gefängnis. „Ich bin in einer Wiederbelebungskiste in Deutschland angekommen“, meinte Nawalny mit Blick auf sein mehrwöchiges Koma. Nawalny war nach dem Anschlag bewusstlos in einem Privatflugzeug von Sibirien nach Berlin geflogen worden. In einem Video lobte er Deutschland. Aber er sei nicht aus eigenem Willen dort.
Moskau. Der Name der Fluglinie, mit der Alexej Nawalny am Wochenende nach Russland zurückkehren will, ist vielsagend: „Pobeda“heißt sie, „Sieg“. Das Flugzeug aus Berlin soll am Sonntag um 19.20 Uhr Ortszeit auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo landen. „Holt mich ab“, rief der Oppositionspolitiker seine Anhänger per Video am Mittwoch auf. Er selbst habe nie an seiner Heimkehr gezweifelt, sagt der 44-Jährige in dem kurzen Clip. Nawalny stand im Freien, wirkte ausgeruht und angriffslustig. „Nach Deutschland zu reisen war nicht meine Wahl. Ich bin hier, weil man mich umbringen wollte“, erklärte er.
Zweifelsohne wird Alexej Nawalnys Rückkehr von seinen Anhängern als Triumph gefeiert werden, nachdem es unmittelbar nach seiner Nowitschok-Vergiftung und dem Krankentransport nach Deutschland kaum zu Solidaritätskundgebungen gekommen ist. Nawalnys Mitstreiter haben zu einem Willkommenstreffen auf dem Flughafen gerufen; auch Dutzende Journalisten werden erwartet.
Für den Kreml ist Nawalnys Ankündigung eine Kriegserklärung. Moskaus Taktik der Abschreckung ist gescheitert. Russische Behörden hatten zuletzt in verstärktem Maß versucht, die Heimkehr des Oppositionspolitikers durch Androhung von Zwangsmaßnahmen zu verhindern. Nawalny war im August Opfer eines Giftattentats geworden, in das journalistischen Recherchen zufolge mehrere Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB verwickelt sind.
Moskau streitet den Angriff trotz erdrückender Indizien ab und spricht stattdessen von einer geheimdienstlichen Verschwörung der USA. Für das Ausland mag diese Version unglaubwürdig klingen, jedoch hat man mit Desinformation einen Teil des russischen Publikums überzeugen können.
Insbesondere seit dem Telefongespräch Nawalnys mit einem mutmaßlichen Mitorganisator des Anschlags kurz vor Weihnachten erhöhten die Behörden den Druck gegen den Aktivisten. Die Strafvollzugsbehörde will ihn nun wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen eines Urteils von 2014 ins Gefängnis bringen. Nawalny habe sich nicht wie vorgeschrieben bei den Behörden gemeldet, hieß es; deshalb drohe ihm nun eine Gefängnisstrafe. Dass Nawalny den Termin wegen seiner Genesung nicht einhalten konnte, ignoriert man geflissentlich. Außerdem ist ein weiteres Strafverfahren wegen mutmaßlichen Betrugs in Vorbereitung.
Russische Beobachter warten nun gespannt auf die Reaktion des Kreml, der am Mittwoch zu den neuen Entwicklungen zunächst schwieg. Präsident Wladimir Putin hat mit einem Dilemma zu kämpfen. Eine sofortige Festnahme Nawalnys bei der Einreise dürfte angesichts des zu erwartenden Menschengetümmels schwierig werden. Zögert Putin aber länger, würde man ihm das als Schwäche auslegen.
Furchtloser Herausforderer
Wie der Kreml indes die Heimkehr interpretiert, ist eindeutig. Der Kreml-nahe Experte Sergej Markow sprach von einer „Provokation“Nawalnys, die entweder die Beziehungen zu Europa oder innerhalb der russischen Gesellschaft verschlechtern werde. Der Oppositionspolitiker wolle Chaos bei der Duma-Wahl im Herbst säen, kommentierte Markow weiter.
Wie auch immer die Konfrontation enden wird: Mit seiner Rückkehr positioniert sich Nawalny eindrücklich als furchtloser Herausforderer Putins, der zu einer Reaktion gezwungen ist.