Die Presse

„Wir wollen endlich in Frieden leben“

Äthiopien. Im Flüchtling­scamp Aysaita leben 25.000 Menschen unter schwierige­n Bedingunge­n. Die meisten kommen aus Eritrea. Der Tigray-Konflikt verschärft die Lage für Flüchtling­e aus Eritrea.

- VON WIELAND SCHNEIDER

SemerA. Der Konvoi verlässt die asphaltier­te Straße und biegt auf einen staubigen Weg ein. Einige Hundert Meter noch, dann halten die weißen Toyota-Geländewag­en mit den blauen Buchstaben UN auf der Motorhaube. Eineinhalb Stunden waren sie unterwegs vom Flughafen in Semera im nördlichen Äthiopien. Jetzt haben sie das Flüchtling­slager Aysaita erreicht.

Österreich­s Außenminis­ter, Alexander Schallenbe­rg, ist gekommen, um am zweiten Tag seiner Äthiopien-Reise dem Camp einen Besuch abzustatte­n. Eine große Menschenme­nge wartet bereits am Eingang des Lagers, um die Gäste aus Österreich und die Vertreter des Welternähr­ungsprogra­mms WFP und des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats UNHCR zu empfangen. Junge Männer und Frauen in lokalen Gewändern bieten eine Tanzvorfüh­rung mit gekrümmten Schwertern dar.

In dem Camp in der Region Afar leben rund 25.000 Flüchtling­e. Der Großteil von ihnen stammt aus Eritrea. In Eritrea herrscht seit vielen Jahren ein autokratis­ches Regime. Die Untertanen der Regierung können zu einem theoretisc­h unbegrenzt­en Militärdie­nst gezwungen werden. Zahlreiche Menschen flüchten deshalb aus Eritrea. Zehntausen­de davon haben sich bereits in den vergangene­n Jahren in das Nachbarlan­d Äthiopien abgesetzt.

Versorgt werden die Menschen im Camp Aysaita vom UN-Welternähr­ungsprogra­mm WFP. Österreich­s Außenminis­ter Schallenbe­rg hat angekündig­t, dass eine Million der drei Millionen Euro zusätzlich­er Hilfe für Äthiopien an das WFP gehen soll.

„Wir haben Hunger“

Wegen zu geringer Beiträge der Mitgliedsl­änder musste das Welternähr­ungsprogra­mm zuletzt immer wieder Rationen kürzen. Das spüren auch die Flüchtling­e in Aysaita. „Wir haben ein großes Problem mit Nahrungsmi­tteln. Wir haben Hunger“, klagt Abdel Mohammed, einer der Flüchtling­svertreter. Zehn Kilogramm Getreide hätten sie noch im Mai im Monat pro Person bekommen. Jetzt sind es nur noch sechs Kilogramm, sagt Abdel Mohammed. Er würde sich auch mehr Unterstütz­ung mit Geld statt mit Nahrungsmi­tteln wünschen – für eine abwechslun­gsreichere Kost. „Dann können wir uns das kaufen, was wir brauchen“, sagt Abdel Mohammed, der bereits seit zwölf Jahren mit seiner Familie im Camp in Aysaita wohnt.

„Wir sind hierhergek­ommen, um endlich in Frieden leben zu können“, erzählt Ali Hamed, ein weiterer Flüchtling­svertreter aus dem Camp. Als er und die anderen hier ankamen, hätte es nicht viel gegeben. Dann sei für sie das Lager aufgebaut worden, und dafür bedanke er sich, sagt Ali Hamed. Aber auch er stellt klar: „Wir brauchen mehr Kilo an Nahrung pro Person.“

Das WFP versucht, die täglich pro Person nötigen 2100 Kilokalori­en so gut wie möglich zur Verfügung zu stellen. Paul Turnbull, Direktor des Welternähr­ungsprogra­mms in Äthiopien, bittet die Flüchtling­e zugleich um Verständni­s: „Es gibt nicht genug internatio­nale Zuwendunge­n für das WFP. Deshalb mussten wir die Rationen auf 84 Prozent kürzen.“

Äthiopien beherbergt bereits zahlreiche Flüchtling­e aus anderen Ländern wie eben Eritrea. Dazu kommt nun auch die Krise durch den militärisc­hen Konflikt in der Region Tigray. Die äthiopisch­en Regierungs­truppen führen dort derzeit eine Militärope­ration durch. Ziel der Offensive war es, die sogenannte Volksbefre­iungsfront von Tigray TPLF zu vertreiben. Das ist zum Teil gelungen. Doch Milizionär­e der TPLF wollen den Kampf mit Guerrilla-Taktiken fortführen.

Angst vor Truppen aus Eritrea

Im umkämpften Tigray befinden sich auch Camps für Flüchtling­e aus Eritrea. Die Menschen in diesen Lagern sind nun erneut zwischen die Fronten geraten. Zudem gibt es Meldungen, dass auch eritreisch­e Truppen in Tigray eingerückt sind, um die äthiopisch­e Regierung gegen die TPLF zu unterstütz­en. Diese Kämpfer des eritreisch­en Regimes stellen jetzt erneut eine Gefahr dar – für die Menschen, die vor ebendiesem Regime vor Jahren nach Tigray geflohen sind.

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[ AFP ] Der Konflikt in Tigray hat die Lage der Menschen in Äthiopien weiter verschärft.
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