Kämpfen um jede Topfengolatsche
Porträt. Mit höchstpersönlichem Einsatz will Doris Felber, Chefin der gleichnamigen Bäckereikette, das Unternehmen ihres Mannes retten. Bis über die Schmerzgrenze hinaus.
Will man denn sein Brot, sein Weckerl nicht auch im Lockdown knusprig? Was Lockdown bedeutet, konnte sich Doris Felber (58), Chefin der gleichnamigen Bäckereikette, im März noch gar nicht vorstellen. „Sperren wir halt zu“, dachte sie. Am Abend sah sie, wie viel Ware liegen geblieben war. „Mir ist schlecht geworden. Wir mussten so viel wegschmeißen.“
Davor produzierte sie 150.000 Stück Gebäck pro Tag. Nun brach der Umsatz der damals 50 Filialen um 80 Prozent ein, bei den Wiederverkäufern – Hotels, Gastronomie, Caterern – um 100 Prozent. „Die reinste Katastrophe.“
Denn es ist eben nicht so, dass man sich sein Brot, sein Weckerl auch im Lockdown vom Bäcker holt. Davor, da kaufte man es auf dem Weg in die Arbeit, in der U-Bahn-Station, im Baumarkt, in der Kantine. Im Lockdown kauft man alles im Supermarkt. „Da haben wir erst gesehen, wie viel uns die Supermärkte wegnehmen.“
„Rotz und Wasser“habe sie geheult. Und nicht verstanden, „warum die Firma an die Wand fährt“.
| fraufelber | felbergate
Felber begann zu kämpfen. Social Media kosten wenig, also drehte sie ein Video, amateurhaft, doch voller Leidenschaft. „Hexeln Sie ein Weckerl nach dem anderen in sich hinein! Nageln Sie sich in der Pause eine Topfengolatsche! Schrauben Sie sich einen Kürbiskernspitz hinein!“Naiv-zweideutig, mit Inbrust vorgetragen, unterstrichen von teilweise arglos-eindeutigen Posen. Sie habe sich nichts dabei gedacht, sagt sie.
Das Video wurde ein viraler Hit. Es polarisierte. Die einen liebten sie für ihren Kampfgeist, für ihre Entschlossenheit und sichfür-nichts-zu-schade-sein. Die anderen fanden es zum Fremdschämen. Ihr war das egal. Die Leute kauften mehr, ein wenig zumindest. Wie viel genau? Nur mehr 70 Prozent Umsatzeinbruch in den Filialen, schätzt sie. Das Minus von 2020 will sie nicht beziffern.
Fast jede Woche dreht sie nun ein Video, inzwischen merklich professioneller, doch stets authentisch. | fraufelber und | felbergate erfreuen eine wachsende Fangemeinde. „Bekanntheit bringt das auf jeden Fall“, sagt sie. Egal, ob positiv oder negativ.
Doch das Internet ist nicht immer ein Freund. Im Dezember schrieb sie eine Verkaufsmitteilung, wonach Mitarbeiter zur Wiedereröffnung nach dem aktuellen Lockdown einen negativen Coronatest mitbringen müssen. Das interne Memo wurde geleakt und „die Impfgegner sind auf mich losgesprungen“. Ein Shitstorm brach aus, „Tausende Reaktionen, auch mit Gewaltandrohungen und sexuellen Fantasien“. Sie verstehe das nicht. Sie denke doch nur, „dass die Kunden ihre Topfengolatschen lieber von getesteten Mitarbeitern bekommen wollen“.
Auch das wird sie durchstehen. So wie die notwendige Schließung so mancher Filiale. 43 sind es nur mehr, ein paar wird es noch erwischen. Die Mitarbeiter will sie nach der Krise wieder einstellen, schon deshalb, weil es im Markt keine gelernten Kräfte mehr gibt.
Aufstehen, weitermachen
In der Zwischenzeit ärgert sie sich über Vermieter, die genau jetzt die Mieten hochschrauben wollen, restauriert die verbleibenden Filialen und rüstet sie zum Backshop auf. Qualität und regionale Rohstoffe sind die Zutaten, mit denen sie der „labbrigen Supermarktware“den Kampf ansagt. Die Filiale in der Wiener Währinger Straße ist ihr Flagshipstore. Dort bäckt ihr Mann, trotz seiner 70 Jahre steht er täglich in der Backstube. „Ich habe den besten Bäcker von Wien geheiratet.“
Vor 30 Jahren traf sie ihn, obwohl damals selbst verheiratet und zweifache Mutter. Die Familie nahm ihr das sehr, sehr übel. Ihre Mutter hatte vom Großvater die Landwirtschaft in Großenzersdorf geerbt, die Tante dessen Bäckerei. Nach der Handelsschule jobbte sie bei der Tante und „blieb picken“.
Später baute sie Resch & Frisch mit auf, dann traf sie Franz Felber. „Die Leute sagten damals, der Felber ist der beste Bäcker, aber der Mann (Bäckerei Mann, Anm.) ist der reichste.“Jetzt in der Krise rücken die ganze Familie und die nunmehr vier Kinder eng zusammen. „Wir müssen alle sparen.“Selbst die Tante ist „wieder gut. Das andere ist längst verjährt“.
Für 2021 hat sie einen Wunsch: „Dass die Leute wieder auf den Brotgeschmack kommen und in der Bäckerei kaufen. Nicht das waache Toast- und Bagel-Glumpert aus dem Supermarkt.“