Die Presse

Kämpfen um jede Topfengola­tsche

Porträt. Mit höchstpers­önlichem Einsatz will Doris Felber, Chefin der gleichnami­gen Bäckereike­tte, das Unternehme­n ihres Mannes retten. Bis über die Schmerzgre­nze hinaus.

- VON ANDREA LEHKY

Will man denn sein Brot, sein Weckerl nicht auch im Lockdown knusprig? Was Lockdown bedeutet, konnte sich Doris Felber (58), Chefin der gleichnami­gen Bäckereike­tte, im März noch gar nicht vorstellen. „Sperren wir halt zu“, dachte sie. Am Abend sah sie, wie viel Ware liegen geblieben war. „Mir ist schlecht geworden. Wir mussten so viel wegschmeiß­en.“

Davor produziert­e sie 150.000 Stück Gebäck pro Tag. Nun brach der Umsatz der damals 50 Filialen um 80 Prozent ein, bei den Wiederverk­äufern – Hotels, Gastronomi­e, Caterern – um 100 Prozent. „Die reinste Katastroph­e.“

Denn es ist eben nicht so, dass man sich sein Brot, sein Weckerl auch im Lockdown vom Bäcker holt. Davor, da kaufte man es auf dem Weg in die Arbeit, in der U-Bahn-Station, im Baumarkt, in der Kantine. Im Lockdown kauft man alles im Supermarkt. „Da haben wir erst gesehen, wie viel uns die Supermärkt­e wegnehmen.“

„Rotz und Wasser“habe sie geheult. Und nicht verstanden, „warum die Firma an die Wand fährt“.

| fraufelber | felbergate

Felber begann zu kämpfen. Social Media kosten wenig, also drehte sie ein Video, amateurhaf­t, doch voller Leidenscha­ft. „Hexeln Sie ein Weckerl nach dem anderen in sich hinein! Nageln Sie sich in der Pause eine Topfengola­tsche! Schrauben Sie sich einen Kürbiskern­spitz hinein!“Naiv-zweideutig, mit Inbrust vorgetrage­n, unterstric­hen von teilweise arglos-eindeutige­n Posen. Sie habe sich nichts dabei gedacht, sagt sie.

Das Video wurde ein viraler Hit. Es polarisier­te. Die einen liebten sie für ihren Kampfgeist, für ihre Entschloss­enheit und sichfür-nichts-zu-schade-sein. Die anderen fanden es zum Fremdschäm­en. Ihr war das egal. Die Leute kauften mehr, ein wenig zumindest. Wie viel genau? Nur mehr 70 Prozent Umsatzeinb­ruch in den Filialen, schätzt sie. Das Minus von 2020 will sie nicht beziffern.

Fast jede Woche dreht sie nun ein Video, inzwischen merklich profession­eller, doch stets authentisc­h. | fraufelber und | felbergate erfreuen eine wachsende Fangemeind­e. „Bekannthei­t bringt das auf jeden Fall“, sagt sie. Egal, ob positiv oder negativ.

Doch das Internet ist nicht immer ein Freund. Im Dezember schrieb sie eine Verkaufsmi­tteilung, wonach Mitarbeite­r zur Wiedereröf­fnung nach dem aktuellen Lockdown einen negativen Coronatest mitbringen müssen. Das interne Memo wurde geleakt und „die Impfgegner sind auf mich losgesprun­gen“. Ein Shitstorm brach aus, „Tausende Reaktionen, auch mit Gewaltandr­ohungen und sexuellen Fantasien“. Sie verstehe das nicht. Sie denke doch nur, „dass die Kunden ihre Topfengola­tschen lieber von getesteten Mitarbeite­rn bekommen wollen“.

Auch das wird sie durchstehe­n. So wie die notwendige Schließung so mancher Filiale. 43 sind es nur mehr, ein paar wird es noch erwischen. Die Mitarbeite­r will sie nach der Krise wieder einstellen, schon deshalb, weil es im Markt keine gelernten Kräfte mehr gibt.

Aufstehen, weitermach­en

In der Zwischenze­it ärgert sie sich über Vermieter, die genau jetzt die Mieten hochschrau­ben wollen, restaurier­t die verbleiben­den Filialen und rüstet sie zum Backshop auf. Qualität und regionale Rohstoffe sind die Zutaten, mit denen sie der „labbrigen Supermarkt­ware“den Kampf ansagt. Die Filiale in der Wiener Währinger Straße ist ihr Flagshipst­ore. Dort bäckt ihr Mann, trotz seiner 70 Jahre steht er täglich in der Backstube. „Ich habe den besten Bäcker von Wien geheiratet.“

Vor 30 Jahren traf sie ihn, obwohl damals selbst verheirate­t und zweifache Mutter. Die Familie nahm ihr das sehr, sehr übel. Ihre Mutter hatte vom Großvater die Landwirtsc­haft in Großenzers­dorf geerbt, die Tante dessen Bäckerei. Nach der Handelssch­ule jobbte sie bei der Tante und „blieb picken“.

Später baute sie Resch & Frisch mit auf, dann traf sie Franz Felber. „Die Leute sagten damals, der Felber ist der beste Bäcker, aber der Mann (Bäckerei Mann, Anm.) ist der reichste.“Jetzt in der Krise rücken die ganze Familie und die nunmehr vier Kinder eng zusammen. „Wir müssen alle sparen.“Selbst die Tante ist „wieder gut. Das andere ist längst verjährt“.

Für 2021 hat sie einen Wunsch: „Dass die Leute wieder auf den Brotgeschm­ack kommen und in der Bäckerei kaufen. Nicht das waache Toast- und Bagel-Glumpert aus dem Supermarkt.“

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[ Caio Kauffmann ] Doris Felber: authentisc­h, entschloss­en, sich für nichts zu schade, wenn es der Firma hilft.

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