Wie in Österreich Tennis-Know-how weitergegeben wird
Hintergrund. Jürgen Melzer und Stefan Koubek, viele Jahre Österreichs Speerspitze auf der Tour, geben ihre Erfahrung nun als Coaches weiter.
Wien. Angesichts der Tatsache, dass Österreich global betrachtet zu den kleineren Ländern zählt, hat es speziell in der Weltsportart Tennis schon verhältnismäßig viele Größen hervorgebracht. Historisch betrachtet überstrahlt Thomas Muster immer noch alles, der Linkshänder aus Leibnitz konnte 1995 in Paris als erster Österreicher ein Grand-Slam-Turnier gewinnen, holte 44 Titel und stieg im Februar 1996 sogar zur Nummer eins der Weltrangliste auf.
Seit vier Monaten stellt RotWeiß-Rot mit Dominic Thiem (US Open) einen zweiten MajorChampion im Einzel, bereits zuvor durften im Doppel Julian Knowle (US Open 2007), Jürgen Melzer (Wimbledon 2010, US Open 2011) und Oliver Marach (Australian Open 2018) jubeln. Melzer gelang sogar das Kunststück, 2011 zeitgleich im Einzel und Doppel den Top Ten anzugehören.
Vor wenigen Wochen hat der Niederösterreicher seine Karriere beendet, Tennis aber bleibt auch in seinem neuen Lebensabschnitt das zentrale Thema des 39-Jährigen. Zu Jahresbeginn trat Melzer sein Amt als Sportdirektor des Österreichischen Tennisverbands (ÖTV) an, übt dieses aber nicht primär am Schreibtisch aus. „Das Verhältnis ist eher 70:30, die meiste Zeit verbringe ich auf den Plätzen in der Südstadt“, sagt Melzer, der sein Know-how aus zwei Jahrzehnten Profitennis einbringt.
Gebündelte Kräfte
Noch vor Jahresende gab Melzer die Zusammenarbeit mit Barbara Haas, Österreichs bester Dame, bekannt. Die Oberösterreicherin hat dafür ihren Trainingsstützpunkt von Linz nach Maria Enzersdorf verlegt. Melzer steht täglich mit einer Vierergruppe Burschen (Jahrgang 2005) sowie Haas und der 18-jährigen Irina Dshandshgava am Court. Zudem wird der Familienvater Haas bei fünf internationalen Turnieren 2020 persönlich begleiten. Bei welchen Turnieren konkret steht noch nicht fest, „weil es noch nicht einmal einen Turnierkalender gibt“.
Neben Sportdirektor Melzer ist mit Daviscup-Kapitän Stefan Koubek kürzlich eine zweite führende ÖTV-Persönlichkeit ins CoachingGeschäft eingestiegen. Der Kärntner einigte sich mit Jurij Rodionov auf eine Zusammenarbeit von zehn Wochen im laufenden Jahr, der Weltranglisten-144. erhofft sich mit Ex-Top-20-Profi Koubek als Touringgcoach entscheidende Fortschritte auf dem Weg Richtung Top 100. Die Trainer-Debüts waren nicht von Erfolg gekrönt, nachdem Haas und Rodionov in der ersten Runde der AustralianOpen-Qualifikation gescheitert waren, messbar wird ihre Arbeit aber frühestens ohnehin erst in einigen Wochen sein.
Sein tägliches Training absolviert Rodionov weiterhin in Traiskirchen in der Better Tennis Academy von Wolfgang Thiem. Der Vater von Dominic Thiem hat sein Handwerk einst bei Günter Bresnik gelernt und betreut vor Ort neben seinem Sohn und Rodionov unter anderen auch Dennis Novak, Sebastian Ofner und Lucas Miedler. Damit sind die fünf besten Herren allesamt an einem Standort untergebracht. Zudem trainiert mit Marko Andrejic (17) einer der zwei aussichtsreichsten Jugendlichen des Landes in Traiskirchen. Der andere, der 18-jährige Lukas Neumayer aus Salzburg, hat sich im vergangenen Jahr Thiem-Macher Bresnik angeschlossen.
Gritsch: Novak statt Djokovi´c
Ein prominenter Österreicher im Welttennis ist auch Gebhard Gritsch. Der Tiroler war viele Jahre für die Fitness von Superstar Novak Djokovic´ mitverantwortlich, mit ihm an seiner Seite gewann der Serbe etliche Grand Slams und wurde zur Nummer eins der Welt. Gegenwärtig profitiert Dennis Novak von Gritschs Expertise. „Wir haben viel an meiner Beweglichkeit und der Stabilität bei den Schlägen gearbeitet. Und er hat mir sehr viel über richtige Ernährung erzählt“, sagt Novak.