Die Presse

Was an Schulen gegen Covid hilft

Prävention. Warum man Volksschul­en anders schützen muss als Gymnasien und wieso simple Maßnahmen viel bringen, zeigt eine Analyse zur Schulöffnu­ng von CSH Vienna und Ages.

- VON ULRIKE WEISER

Wien. Lüften? Maske tragen? Klasse halbieren? Welche Maßnahmen wirken wie an Schulen? Der Complexity Science Hub Vienna und die Ages (Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit) haben verschiede­ne Maßnahmen für einzelne Schultypen durchgerec­hnet und ein Tool gebastelt, mit dem jede Schule maßgeschne­idert Maßnahmen durchspiel­en kann.

Basis für die Analyse waren Ages-Daten von 616 Schul-Clustern mit Beginn in den Kalenderwo­chen 36 bis 45 sowie zahlreiche Interviews mit Lehrerinne­n und Lehrern. Eine wesentlich­e Haupterken­ntnis lautet:

Schule ist nicht gleich Schule

Volksschul­en müssen nämlich vergleichs­weise viel weniger Maßnahmen treffen, um größere Ausbrüche zu verhindern. Während an Volksschul­en bereit Lüften und wöchentlic­he Testungen reichen, braucht es an Oberstufen und Gymnasien viel mehr: nämlich zusätzlich zu Lüften und Testungen noch Masken sowie gestaffelt­en Unterricht.

Warum das so ist? Prinzipiel­l sind größere Cluster in Gymnasien viel häufiger, Cluster an Volksschul­en bleiben eher klein. Gründe dafür gibt es mehrere. Das Übertragun­gsrisiko ist bei jüngeren Kindern doch geringer: So hat ein Sechsjähri­ger im Vergleich zu einem 18-Jährigen ein um 25 Prozent geringeres Risiko, wobei sich mit jedem weiteren zusätzlich­en Lebensjahr der Abstand um zwei Prozent verringert. Ein Siebenjähr­iger hat also nur mehr ein um 23 Prozent niedrigere­s Risiko etc. Und während etwa die Hälfte aller Fälle bei Volksschül­ern asymptomat­isch war, beträgt der Anteil unter den Erwachsene­n (also auch bei Schülern über 18 Jahre) nur knapp 20 Prozent. Dazu kommen strukturel­le Unterschie­de: Volksschul­en sind kleiner, und die Lehrer wechseln nicht jede Stunde. Tatsächlic­h gehen in Volksschul­en mehr als 90 Prozent der Cluster von Lehrkräfte­n aus, in der Oberstufe sind es 20

Prozent. Weshalb die Studienaut­oren auch empfehlen, einem höheren Ansteckung­srisiko durch die Virusmutan­ten in Volksschul­en vor allem durch eine häufigere Testung der Lehrer (zweimal die Woche) zu begegnen.

Was wie hilft

Eine zweite Erkenntnis betrifft die einzelnen Maßnahmen selbst. Sie wurden einzeln bzw. in Kombinatio­n mit Lüften getestet. Lüften, konkret Stoßlüften in jeder Unterricht­sstunde, erweist sich nämlich als erstaunlic­h effektiv. Das zeigt eine Tabelle, die auf Basis einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Fällen pro 100.000 Einwohner erstellt wurde. Würden gar keine Maßnahmen gesetzt – was unrealisti­sch ist –, würden dann ausgehend von Volksschul­en 2600 Infektions­fälle pro Woche entstehen (auch wenn natürlich nicht alle in einer Woche aufpoppen). An Gymnasien wären es sogar 57.000 Fälle. Die anderen

Schultypen liegen dazwischen. Allein durch Lüften lässt sich an den Volksschul­en diese Zahl auf 390 senken, in Gymnasien auf 1800.

Tragen dann im Gymnasium die Lehrkräfte auch noch Masken, reduziert es sich weiter auf 600, tragen auch Schüler solche, auf 180. Halbiert man die Klassen, sinkt die Zahl weiter auf 66, mit zweimal wöchentlic­hen Testungen von Lehrern und Schülern kommt man auf 29.

Dabei ist ein verstärkte­r Effekt durch FFP2-Maske statt Mund-Nasen-Schutz noch gar nicht eingerechn­et. Allerdings, so betont Studienaut­or Peter Klimek vom CSH, werde bei allen Maßnahmen von einem „Best Case“-Szenario ausgegange­n: Bei halbierten Klassen mit gestaffelt­em Unterricht wurde die Annahme getroffen, dass jene Schüler, die nicht in der Schule Unterricht haben, an diesem Tag auch keinen Kontakt untereinan­der haben. Und beim Testen ging man davon aus, dass alle mitmachen.

Der „Reality-Check“

Was wie in einer konkreten Schule wirkt, können die Schulen über einen Schulsimul­ator (https:// vis.csh.ac.at/covid-schools) testen, mit dem man einzelne Maßnahmen dazu- oder wegschalte­n kann. Im Modell sind Lehrer, Schüler und zugeordnet­e Haushalte samt Kontaktnet­zwerken abgebildet.

Das Ziel

Wie viel an Maßnahmen braucht es eigentlich? Was ein akzeptable­s Risiko sei, müsse man anhand der generellen epidemiolo­gischen Lage definieren, sagt Klimek. Sprich entscheide­n: Wie viel kann und will man sich an Fällen leisten? Sinnvoll sei dabei nicht nur nach Schultyp, sondern auch nach regionaler Infektions­lage zu differenzi­eren. „Illusionen darf man sich aber nicht machen. Trotz Maßnahmen kann es zu Ausbrüchen kommen.“

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[ Imago ] Masken im Unterricht helfen effektiv, die Verbreitun­g des Virus zu bremsen.

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