Die Presse

Wenn Schulden Erträge bringen

Österreich. Negativzin­sen spülen dem Staat seit dem Jahr 2019 Geld in die Kasse. Um welche Summen es geht.

- VON NICOLE STERN

Wien. Österreich­s Schuldenst­and wird sich heuer auf etwa 88 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s belaufen, das Defizit gar ein Ausmaß von rund sieben Prozent erreichen. Das ist alles andere als erfreulich, aufgrund der Coronakris­e aber wahrschein­lich auch gar nicht anders möglich. Einen kleinen Trost, eigentlich zwei, gibt es allerdings. Der erste: Anderen Staaten ergeht es ähnlich. Der zweite nennt sich Europäisch­e Zentralban­k.

Sie hat seit dem Ausbruch der Pandemie (und auch schon davor) Billionen in die Hand genommen, um die Kosten der Staatsvers­chuldung innerhalb der Eurozone so gering wie möglich zu halten. Das geschieht, indem sie die Anleihen der Eurostaate­n in Bausch und Bogen kauft und mit ihrer Nachfrage deren Kurse nach oben drückt, während die Renditen der Papiere immer weiter sinken.

Nicht nur hoch verschulde­te Länder wie Spanien, Griechenla­nd oder Italien profitiere­n davon. Ihre Anleihenre­nditen befinden sich, obwohl nicht auf Tiefststän­den, auf ziemlich niedrigem Niveau. Und auch Österreich hat gut lachen. Das Standing der Republik als Schuldner in der Eurozone ist derart gut, dass das Land in den vergangene­n beiden Jahren mit der Aufnahme von Staatsschu­lden Geld verdienen konnte. Denn die Durchschni­ttsrendite der seit 2019 vom Staat begebenen Anleihen war negativ.

2019 beliefen sich die Erträge für den Bund auf in Summe knapp 240 Mio. Euro bei einer durchschni­ttlichen Laufzeit der in diesem Jahr begebenen Finanzieru­ngen von 7,7 Jahren. Das ist deshalb ausschlagg­ebend, weil die Erträge dem Bund nicht allein 2019, sondern in dem gesamten fast achtjährig­en Zeitraum zufließen werden. Pro Jahr sind es dann rund 30 Mio. Euro. 2020 stellte all das freilich in den Schatten – die Erträge für den Staat kletterten auf 1,8 Mrd. Euro. Diesmal für die kommenden zehn Jahre, macht also einen Gewinn von rund 180 Mio. Euro pro Jahr.

Der Grund für diesen großen Unterschie­d: Der Bund hatte im vergangene­n Jahr coronabedi­ngt deutlich mehr zu refinanzie­ren. 2020 waren es rund 57 Mrd. Euro, ein Jahr davor nur 26 Mrd. Euro. Hinzu kommt, dass die durchschni­ttliche Rendite, die Investoren im Vorjahr in Kauf nahmen, bei minus 0,32 Prozent lag und damit noch geringer war als 2019 (minus 0,12 Prozent).

Zinsaufwan­d sinkt laufend

Das Zinsniveau des gesamten Anleihenbe­standes der Republik ist freilich höher. Denn ältere Anleihen befinden sich nach wie vor im Portfolio der Republik. Die Konditione­n für Schuldner waren früher aber deutlich schlechter.

Das derzeitige Niedrigzin­sumfeld hilft dem Staat allerdings, seinen Schuldenst­and leichter abzutragen und die Zinskosten im Zaum zu halten. Eine Entwicklun­g, die sich bereits seit Längerem bemerkbar macht. Betrug der Zinsaufwan­d des Bundes im Jahr 2010 noch rund sieben Mrd. Euro, waren es im Vorjahr nur noch knapp vier Mrd. Euro. Im selben Zeitraum stieg die Finanzschu­ld des Bundes jedoch von 177 auf 238 Mrd. Euro.

Heuer wird Österreich auf dem Finanzmark­t erneut rund 65 Mrd. Euro an Schulden aufnehmen müssen und damit etwas mehr als im abgelaufen­en Jahr. Dass das in den kommenden zwölf Monaten zu relativ guten Konditione­n durchführb­ar ist, gilt als wahrschein­lich. Die Republik hat den Kapitalmar­kt bereits im Jänner angezapft, um sich Geld zu leihen. Die Nachfrage nach den Papieren war erfreulich hoch, die Renditen wiederum erfreulich gering.

Den institutio­nellen Investoren bleibt oft nichts anderes übrig, als Papiere zu kaufen, für die kein Gewinn mehr abfällt. Denn sie müssen das Geld ihrer Kunden sicher verwalten. Zugleich sind Investitio­nen in Staatsanle­ihen praktisch risikolos – solange ein Land nicht pleitegeht. Zwar gab es im Zuge der Euroschuld­enkrise die Überlegung, dass Investoren Staatsanle­ihen mit Eigenkapit­al unterlegen müssen, um für etwaige Ausfälle gerüstet zu sein. Es blieb allerdings bei europäisch­en Gedankensp­ielen, Konkretes kam dabei nie heraus.

Österreich­s Anleihen werden zum überwiegen­den Teil von Investoren aus Europa und da vor allem von jenen aus der Eurozone (auch aus Österreich) gekauft. USAnleger, asiatische und solche aus dem Mittleren Osten gehören aber ebenso zu den Abnehmern. Banken und Vermögensv­erwalter stellen mit je rund einem Drittel die größte Käufergrup­pe dar, gefolgt von Zentralban­ken und internatio­nalen Organisati­onen.

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