Wenn Schulden Erträge bringen
Österreich. Negativzinsen spülen dem Staat seit dem Jahr 2019 Geld in die Kasse. Um welche Summen es geht.
Wien. Österreichs Schuldenstand wird sich heuer auf etwa 88 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen, das Defizit gar ein Ausmaß von rund sieben Prozent erreichen. Das ist alles andere als erfreulich, aufgrund der Coronakrise aber wahrscheinlich auch gar nicht anders möglich. Einen kleinen Trost, eigentlich zwei, gibt es allerdings. Der erste: Anderen Staaten ergeht es ähnlich. Der zweite nennt sich Europäische Zentralbank.
Sie hat seit dem Ausbruch der Pandemie (und auch schon davor) Billionen in die Hand genommen, um die Kosten der Staatsverschuldung innerhalb der Eurozone so gering wie möglich zu halten. Das geschieht, indem sie die Anleihen der Eurostaaten in Bausch und Bogen kauft und mit ihrer Nachfrage deren Kurse nach oben drückt, während die Renditen der Papiere immer weiter sinken.
Nicht nur hoch verschuldete Länder wie Spanien, Griechenland oder Italien profitieren davon. Ihre Anleihenrenditen befinden sich, obwohl nicht auf Tiefstständen, auf ziemlich niedrigem Niveau. Und auch Österreich hat gut lachen. Das Standing der Republik als Schuldner in der Eurozone ist derart gut, dass das Land in den vergangenen beiden Jahren mit der Aufnahme von Staatsschulden Geld verdienen konnte. Denn die Durchschnittsrendite der seit 2019 vom Staat begebenen Anleihen war negativ.
2019 beliefen sich die Erträge für den Bund auf in Summe knapp 240 Mio. Euro bei einer durchschnittlichen Laufzeit der in diesem Jahr begebenen Finanzierungen von 7,7 Jahren. Das ist deshalb ausschlaggebend, weil die Erträge dem Bund nicht allein 2019, sondern in dem gesamten fast achtjährigen Zeitraum zufließen werden. Pro Jahr sind es dann rund 30 Mio. Euro. 2020 stellte all das freilich in den Schatten – die Erträge für den Staat kletterten auf 1,8 Mrd. Euro. Diesmal für die kommenden zehn Jahre, macht also einen Gewinn von rund 180 Mio. Euro pro Jahr.
Der Grund für diesen großen Unterschied: Der Bund hatte im vergangenen Jahr coronabedingt deutlich mehr zu refinanzieren. 2020 waren es rund 57 Mrd. Euro, ein Jahr davor nur 26 Mrd. Euro. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Rendite, die Investoren im Vorjahr in Kauf nahmen, bei minus 0,32 Prozent lag und damit noch geringer war als 2019 (minus 0,12 Prozent).
Zinsaufwand sinkt laufend
Das Zinsniveau des gesamten Anleihenbestandes der Republik ist freilich höher. Denn ältere Anleihen befinden sich nach wie vor im Portfolio der Republik. Die Konditionen für Schuldner waren früher aber deutlich schlechter.
Das derzeitige Niedrigzinsumfeld hilft dem Staat allerdings, seinen Schuldenstand leichter abzutragen und die Zinskosten im Zaum zu halten. Eine Entwicklung, die sich bereits seit Längerem bemerkbar macht. Betrug der Zinsaufwand des Bundes im Jahr 2010 noch rund sieben Mrd. Euro, waren es im Vorjahr nur noch knapp vier Mrd. Euro. Im selben Zeitraum stieg die Finanzschuld des Bundes jedoch von 177 auf 238 Mrd. Euro.
Heuer wird Österreich auf dem Finanzmarkt erneut rund 65 Mrd. Euro an Schulden aufnehmen müssen und damit etwas mehr als im abgelaufenen Jahr. Dass das in den kommenden zwölf Monaten zu relativ guten Konditionen durchführbar ist, gilt als wahrscheinlich. Die Republik hat den Kapitalmarkt bereits im Jänner angezapft, um sich Geld zu leihen. Die Nachfrage nach den Papieren war erfreulich hoch, die Renditen wiederum erfreulich gering.
Den institutionellen Investoren bleibt oft nichts anderes übrig, als Papiere zu kaufen, für die kein Gewinn mehr abfällt. Denn sie müssen das Geld ihrer Kunden sicher verwalten. Zugleich sind Investitionen in Staatsanleihen praktisch risikolos – solange ein Land nicht pleitegeht. Zwar gab es im Zuge der Euroschuldenkrise die Überlegung, dass Investoren Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen, um für etwaige Ausfälle gerüstet zu sein. Es blieb allerdings bei europäischen Gedankenspielen, Konkretes kam dabei nie heraus.
Österreichs Anleihen werden zum überwiegenden Teil von Investoren aus Europa und da vor allem von jenen aus der Eurozone (auch aus Österreich) gekauft. USAnleger, asiatische und solche aus dem Mittleren Osten gehören aber ebenso zu den Abnehmern. Banken und Vermögensverwalter stellen mit je rund einem Drittel die größte Käufergruppe dar, gefolgt von Zentralbanken und internationalen Organisationen.