Steuerflucht kostet Deutschland 5,7 Mrd. im Jahr
Studie. Seit 2016 müssen große Konzerne in allen EU-Staaten der Finanz berichten, wo sie wie viel Steuern bezahlt haben. Das deutsche Ifo-Institut hat anhand dieser Berichte ausgerechnet, wie viel Steuern vermieden werden.
Wien. Dass legale Steuervermeidung ein wichtiges Thema für die Fiskalpolitik der meisten Industrieländer ist, beweisen seit einigen Jahren verschiedene Leaks aus Anwaltskanzleien oder Beratungsunternehmen, mit denen diese oft hoch komplexen Konstruktionen publik werden. In der Regel werden von großen Unternehmen oder reichen Privatpersonen dabei Diskrepanzen und Schlupflöcher zwischen den verschiedenen Steuergesetzgebungen ausgenutzt, um die eigene Steuerlast legal zu verringern.
Diese Schlupflöcher zu schließen steht schon seit Jahren auf der Agenda der Politik – etwa im Rahmen der OECD. Die Umsetzung erweist sich dabei jedoch als schwieriger als erhofft. Daher wurden in den vergangenen Jahren zumindest Maßnahmen getroffen, damit das Ausmaß des Problems klarer ersichtlich wird. So müssen seit 2016 multinationale Konzerne mit einem Umsatz von 750 Mio. Euro in der EU den jeweiligen nationalen Finanzbehörden sogenannte länderbezogene Berichte vorlegen. Dabei müssen sie offenlegen, in welchen Staaten wie viel Steuer abgeführt wird.
Geld bleibt in Europa
Das Münchner Ifo-Institut hat sich diese Berichte von insgesamt 333 deutschen Unternehmen nun genau angesehen, um dabei herauszurechnen, wie viel Steuer vermieden wird. Demnach entfallen neun Prozent der globalen Gewinne auf Länder, die als Niedrigsteuerländer gelten. Der Großteil davon liegt jedoch in Europa – es handelt sich etwa um Irland oder die Schweiz. Außereuropäische Steueroasen spielen laut Ifo hierbei nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Zudem bedeute es nicht, dass sämtliche Gewinne, die von den Unternehmen in diesen Ländern erzielt werden, das Ergebnis einer Gewinnverschiebung sind. In 62 Prozent der Fälle sind den Gewinnen auch realwirtschaftliche Aktivitäten in diesen Ländern zuzuordnen, heißt es. Im Umkehrschluss seien aber 38 Prozent der Gewinne sehr wohl aus rein steuerlichen Gründen verschoben worden. „Dem deutschen Fiskus entgehen dadurch jährlich Steuereinnahmen in Höhe von etwa 1,6 Mrd. Euro“, so Ifo-Chef Clemens Fuest.
Da diese länderbezogenen Berichte nur von großen Unternehmen mit mehr als 750 Mio. Euro Umsatz gelegt werden müssen, haben die Ökonomen berechnet, wie hoch der Schaden für den Staat ist, wenn man auch kleinere deutsche Konzerne und deutsche Töchter internationaler Multis einberechnet. Das Ifo kommt dabei auf eine Summe von 5,7 Mrd. Euro im Jahr. Zum Vergleich: Im Vor-Krisen-Jahr 2019 erzielte Deutschland Körperschaftsteuereinnahmen von rund 32 Mrd. Euro.
Mehr Gewinn pro Mitarbeiter
Dass es hier anscheinend Steuervermeidung gibt, zeigt laut Ifo bereits der gemeldete Gewinn je Mitarbeiter. Während in Hochsteuerländern im Schnitt 41.000 Euro je Beschäftigtem gemeldet werden, sind es in Niedrigsteuerländern rund 130.000 Euro.
Auf Österreich lassen sich die deutschen Ergebnisse aufgrund der anderen Wirtschaftsstruktur und Steuergesetzgebung jedoch nicht umlegen, heißt es auf Anfrage der „Presse“beim Ifo.