Bidens Blitzstart in den Marathon
USA. Der Präsident legte mit 17 Erlässen los, mit denen er die Trump-Ära ausradieren will. Manche Vorhaben stecken aber fest.
Washington. 17 sorgfältig vorbereitete Mappen warteten auf Joe Biden bei seiner Ankunft im Oval Office. Der neue US-Präsident unterschrieb 15 „Executive Orders” sowie zwei „Executive Actions” umgehend. Kein Präsident der jüngeren Geschichte hatte es nur annähernd so eilig, die Politik seines Vorgängers vergessen zu machen. Donald Trump, Barack Obama und George W. Bush unterschrieben am Tag der Inauguration vier Dekrete in Summe.
Der 46. Präsident machte keinen Hehl daraus, dass er die USA schnellstmöglich zurück auf das internationale Verhandlungsparkett führen will. Die Supermacht wird wieder Teil des Pariser Klimaabkommens sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Trump hat die WHO verlassen und die Finanzierung eingestellt, nachdem er ihr Versagen im frühen Kampf gegen das Coronavirus vorgeworfen hatte. Biden schickt nun den Immunologen Anthony Fauci als Delegationschef zur WHO. „Es geht vorwärts, mit Schnelligkeit und Dringlichkeit”, sagte Biden.
Wie angekündigt erließ Biden ein Mandat zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in allen Bundesgebäuden. Zudem bekräftigte er, dass die sogenannten Dreamer, die als Kinder illegal in die USA gekommen sind, weiterhin im Land bleiben dürfen und ungestraft die Staatsbürgerschaft erhalten sollen. Doch steuert Biden nach dem Blitzstart vor allem in Immigrationsfragen schnell auf erste Stolpersteine zu. Eine weitgehende Reform, die eine permanente Lösung für elf Millionen betroffene Menschen beinhalten würde, ist ohne Zustimmung des Senats nicht möglich. Bidens Vorgänger, Donald Trump, hatte ebenfalls eine Immigrationsreform angekündigt – und scheiterte.
Kompliziertes Patt im Senat
Während Biden vorprescht, ist die Spitze der zweiten Kongresskammer noch damit beschäftigt, die Rahmenbedingungen der neuen Pattstellung abzuklären. Nach den Wahlsiegen in Georgia halten Bidens Demokraten ebenso wie die Republikaner jeweils 50 Sitze. Für Abstimmungen bedeutet das de facto eine Mehrheit für die Demokraten, weil der Vizepräsidentin Kamala Harris bei einem Gleichstand die entscheidende Stimme zufällt. In der Praxis haben die
Konservativen jedoch weiterhin die Möglichkeit, ein gewichtiges Wort bei entscheidenden Gesetzesvorhaben mitzureden.
Das liegt am „Filibuster”, der es jedem Senator ermöglicht, ein Gesetz unendlich lang zu verzögern, sofern sich nicht zumindest drei Fünftel, also 60 Senatoren, für eine sofortige Abstimmung aussprechen. Vereinfacht ausgedrückt ist also für eine Einwanderungsreform eine Supermehrheit von 60 der 100 Stimmen nötig, weshalb Biden bereits am Donnerstag hinter den Kulissen den Kontakt zu der republikanischen Spitze gesucht haben soll. Mitch McConnell, dem obersten Konservativen im Senat, wird ein gutes Verhältnis zu Biden nachgesagt. In Immigrationsfragen zählt McConnell jedoch eher zu den Hardlinern, die sich für strikte Regeln einsetzen.
Etwas leichter dürfte es der Biden-Regierung fallen, das Hilfspaket in Höhe von 1,9 Billionen Dollar durch den Kongress zu bringen.
Der Senat kann Budgetfragen vom „Filibuster“ausnehmen und mit einer einfachen Mehrheit absegnen. Allerdings haben demokratische Senatoren aus traditionell republikanischen Bundesstaaten, etwa Joe Manchin aus West Virginia, Bedenken angemeldet. Ebenso wie den meisten Konservativen geht Manchin das Paket zu weit. Sie finden beispielsweise das zusätzliche Arbeitslosengeld von 400 Dollar pro Woche als zu hoch, weil die Hälfte aller Arbeitslosen damit mehr Geld erhält als sie einst in ihrem Job verdient hat. Möglicherweise muss Biden das Stimulus-Paket noch nachbessern.
Offene Frage Impeachment
Verzögert werden könnte Joe Bidens Agenda auch durch das anstehende Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Die Chefin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wägte weiter ab, wann sie die Anklage offiziell an den Senat weiterleiten würde. Sie hatte den Schritt noch für diese Woche angekündigt, während sich andere Demokraten für ein Zuwarten einsetzten, damit sich der Senat auf Bidens Gesetzesvorhaben und die Bestätigungen seiner Minister konzentrieren könne.
Als erstes Mitglied des neuen Regierungsteams segnete die Kammer Avril Haines ab, die als erste Frau die Geheimdienste anführen wird. Mit anderen Bestätigungen wartete der Senat vorerst noch zu. Biden ist schnell gestartet. Der Ausdauertest steht aber erst bevor.