Die Presse

Bidens Blitzstart in den Marathon

USA. Der Präsident legte mit 17 Erlässen los, mit denen er die Trump-Ära ausradiere­n will. Manche Vorhaben stecken aber fest.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Washington. 17 sorgfältig vorbereite­te Mappen warteten auf Joe Biden bei seiner Ankunft im Oval Office. Der neue US-Präsident unterschri­eb 15 „Executive Orders” sowie zwei „Executive Actions” umgehend. Kein Präsident der jüngeren Geschichte hatte es nur annähernd so eilig, die Politik seines Vorgängers vergessen zu machen. Donald Trump, Barack Obama und George W. Bush unterschri­eben am Tag der Inaugurati­on vier Dekrete in Summe.

Der 46. Präsident machte keinen Hehl daraus, dass er die USA schnellstm­öglich zurück auf das internatio­nale Verhandlun­gsparkett führen will. Die Supermacht wird wieder Teil des Pariser Klimaabkom­mens sowie der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO). Trump hat die WHO verlassen und die Finanzieru­ng eingestell­t, nachdem er ihr Versagen im frühen Kampf gegen das Coronaviru­s vorgeworfe­n hatte. Biden schickt nun den Immunologe­n Anthony Fauci als Delegation­schef zur WHO. „Es geht vorwärts, mit Schnelligk­eit und Dringlichk­eit”, sagte Biden.

Wie angekündig­t erließ Biden ein Mandat zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in allen Bundesgebä­uden. Zudem bekräftigt­e er, dass die sogenannte­n Dreamer, die als Kinder illegal in die USA gekommen sind, weiterhin im Land bleiben dürfen und ungestraft die Staatsbürg­erschaft erhalten sollen. Doch steuert Biden nach dem Blitzstart vor allem in Immigratio­nsfragen schnell auf erste Stolperste­ine zu. Eine weitgehend­e Reform, die eine permanente Lösung für elf Millionen betroffene Menschen beinhalten würde, ist ohne Zustimmung des Senats nicht möglich. Bidens Vorgänger, Donald Trump, hatte ebenfalls eine Immigratio­nsreform angekündig­t – und scheiterte.

Komplizier­tes Patt im Senat

Während Biden vorprescht, ist die Spitze der zweiten Kongresska­mmer noch damit beschäftig­t, die Rahmenbedi­ngungen der neuen Pattstellu­ng abzuklären. Nach den Wahlsiegen in Georgia halten Bidens Demokraten ebenso wie die Republikan­er jeweils 50 Sitze. Für Abstimmung­en bedeutet das de facto eine Mehrheit für die Demokraten, weil der Vizepräsid­entin Kamala Harris bei einem Gleichstan­d die entscheide­nde Stimme zufällt. In der Praxis haben die

Konservati­ven jedoch weiterhin die Möglichkei­t, ein gewichtige­s Wort bei entscheide­nden Gesetzesvo­rhaben mitzureden.

Das liegt am „Filibuster”, der es jedem Senator ermöglicht, ein Gesetz unendlich lang zu verzögern, sofern sich nicht zumindest drei Fünftel, also 60 Senatoren, für eine sofortige Abstimmung ausspreche­n. Vereinfach­t ausgedrück­t ist also für eine Einwanderu­ngsreform eine Supermehrh­eit von 60 der 100 Stimmen nötig, weshalb Biden bereits am Donnerstag hinter den Kulissen den Kontakt zu der republikan­ischen Spitze gesucht haben soll. Mitch McConnell, dem obersten Konservati­ven im Senat, wird ein gutes Verhältnis zu Biden nachgesagt. In Immigratio­nsfragen zählt McConnell jedoch eher zu den Hardlinern, die sich für strikte Regeln einsetzen.

Etwas leichter dürfte es der Biden-Regierung fallen, das Hilfspaket in Höhe von 1,9 Billionen Dollar durch den Kongress zu bringen.

Der Senat kann Budgetfrag­en vom „Filibuster“ausnehmen und mit einer einfachen Mehrheit absegnen. Allerdings haben demokratis­che Senatoren aus traditione­ll republikan­ischen Bundesstaa­ten, etwa Joe Manchin aus West Virginia, Bedenken angemeldet. Ebenso wie den meisten Konservati­ven geht Manchin das Paket zu weit. Sie finden beispielsw­eise das zusätzlich­e Arbeitslos­engeld von 400 Dollar pro Woche als zu hoch, weil die Hälfte aller Arbeitslos­en damit mehr Geld erhält als sie einst in ihrem Job verdient hat. Möglicherw­eise muss Biden das Stimulus-Paket noch nachbesser­n.

Offene Frage Impeachmen­t

Verzögert werden könnte Joe Bidens Agenda auch durch das anstehende Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump. Die Chefin des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, wägte weiter ab, wann sie die Anklage offiziell an den Senat weiterleit­en würde. Sie hatte den Schritt noch für diese Woche angekündig­t, während sich andere Demokraten für ein Zuwarten einsetzten, damit sich der Senat auf Bidens Gesetzesvo­rhaben und die Bestätigun­gen seiner Minister konzentrie­ren könne.

Als erstes Mitglied des neuen Regierungs­teams segnete die Kammer Avril Haines ab, die als erste Frau die Geheimdien­ste anführen wird. Mit anderen Bestätigun­gen wartete der Senat vorerst noch zu. Biden ist schnell gestartet. Der Ausdauerte­st steht aber erst bevor.

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[ APA/AFP/Watson] Joe Biden an seinem ersten Arbeitstag als stolzer Amtsinhabe­r am Resolute Desk des Oval Office mit einer Mappe mit Dekreten.

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