„Uns trifft es heuer noch schlimmer“
Matura. Bereits fixierte Erleichterungen gehen den Schülern nicht weit genug. Sie wollen dieselben Regeln wie im Vorjahr.
Wien. Seit März 2020 waren die Oberstufen-Schüler weniger als die Hälfte (rund 47 Prozent) der Schultage planmäßig in ihren Schulklassen. Viele der rund 43.000 Maturanten des zweiten „Corona-Maturajahrgangs“fühlen sich nun noch stärker von der Pandemie betroffen als ihre Vorgänger. Die im November präsentierten Erleichterungen reichen vielen von ihnen nun nicht mehr aus.
Erleichterungen fixiert
Während in Deutschland derzeit debattiert wird, das Abitur gänzlich abzusagen, will das Bildungsministerium die Matura mit Adaptierungen, ähnlich dem Vorjahr, im Mai und Juni durchziehen. Angesichts langer Distance-LearningPhasen hat Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die Matura zwar schon auf 20. Mai um zweieinhalb Wochen verschoben. Eine Absage steht vorerst aber nicht im Raum.
Um der Lage zusätzlich Rechnung zu tragen, wurden an den AHS die Stoffgebiete für die mündliche Matura reduziert. Die Jahresnote wird wie im Vorjahr zur Maturanote hinzugezählt, die Benotung der AHS-Mathematik-Matura wurde ebenfalls reformiert. Für die schriftliche Matura wird es zusätzlichen Förderunterricht (zwei Stunden pro Woche und Klasse) sowie freiwilligen Ergänzungsunterricht geben. Die Präsentation der Vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) wurde als freiwillig definiert.
Schüler wollen mehr
Die zahlreichen Adaptierungen reichen den Schülervertretungen angesichts der Lockdown-Verlängerung nun aber nicht mehr. Bundesschulsprecherin Alexandra Bosek von der ÖVP-nahen Schülerunion fordert nun, die schriftlichen Klausuren nur in drei Fächern zu absolvieren und die mündliche Matura gänzlich freiwillig durchzuführen. Damit sollen exakt dieselben Bestimmungen gelten wie im Vorjahr. „Wir sind der Jahrgang, den es noch schlimmer getroffen hat“, erklärt sie ihr Vorgehen im Gespräch mit der „Presse“.
Lehrer lehnen ab
Das stößt auf Widerstand bei den Lehrervertretern. „Voriges Jahr kann man nicht vergleichen mit heuer“, sagt Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktoren. Im Frühjahr 2020 habe man nicht gewusst, was auf einen zukomme. Mittlerweile aber dominiere der Eindruck, dass das Distance Learning „mehrheitlich gut funktioniert“. Die größte Angst der Schüler beziehe sich, wenn überhaupt, auf die schriftliche Matura (in Mathematik). Dem widerspricht Bosek: „Es wird die ganze Zeit auch über die mündliche Matura gesprochen. Es gibt genügend Petitionen („Fairtura“unterzeichneten bisher 20.000, Anm.).“
Die Zugeständnisse, die man dem Jahrgang zuvor einräumte, sehen viele Pädagogen jedoch inzwischen kritisch. Von einer „geschenkten Matura“ist die Rede. Der bereits vor der Matura in Aussicht gestellte Förder- sowie Ergänzungsunterricht zeige Zins zufolge, dass ohnedies „bereits an den Schrauben gedreht“werde. Die mündlichen Prüfungen seien nur das „Sahnehäubchen“, das man in jenen Gegenständen absolviere, „die man gern hat“. Dort werde
„nichts geprüft, was nicht gemacht wurde“. Die nun wieder aufflammende Diskussion empfindet die Schulleiterin deshalb als „unnötige Verunsicherung. Ich bin dafür, dass man keine Unruhe hineinbringt“, sagt Zins.
Politik wartet ab
„Wir lassen die Maturierenden nicht allein“, sagt Faßmann zur „Presse“, der das Förderprogramm und die Adaptierungen ausreichend empfindet. „Ob wir noch weitere Maßnahmen setzen, hängt vom Verlauf der Pandemie ab.“Abwarten will vorerst auch die Opposition: „Es ist noch zu früh“, weitere Erleichterungen zu fixieren, sagt Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid. Allerdings: „Distance Learning wird so unregelmäßig gelebt. Man darf nicht glauben, dass das überall gleich gut funktioniert hat.“Anstatt auf die Debatte über Erleichterungen solle man den Fokus auf den Förderunterricht legen, sagt Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Das bisher vom Minister präsentierte Angebot „reicht sicher nicht aus“.
Die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Klassen überwiegt einstweilen: „Die Maturanten gehören zurück in die Schulen“, sagt Hammerschmid. „Und zwar so schnell wie möglich.“