Sonderschulen: Lehrer begehren gegen „Diskriminierung“auf
Pandemie. In den Sonderschulen regt sich Widerstand gegen den verordneten Präsenzunterricht. Das Bildungsministerium verspricht eine Lösung.
Wien. Alle reden über die Schulen, aber niemand redet über die Sonderschulen. Zum Beispiel darüber, dass in den Sonderschulen nach wie vor Präsenzunterricht vorgeschrieben ist, während alle anderen Schulen mehr oder weniger verwaist sind.
Für viele – wenn nicht alle – Sonderschullehrer ist das nicht nachvollziehbar, man fühlt sich diskriminiert. „Wieso können wir nicht – wie alle anderen auch – Betreuung anbieten und den Rest der Schüler über Homeschooling bedienen?“, fragen einige Pädagogen in einem Schreiben an die „Presse“. Ihre Namen wollen sie lieber nicht in der Zeitung lesen: Man weiß ja nie, ob einem daraus nicht ein Nachteil entstünde. Aber einfach Weiterarbeiten und Schweigen sei auch keine Option mehr.
Im ersten Lockdown wurden auch die Sonderschulen auf Distance Learning umgestellt. Vom zweiten wurden sie dann ausgenommen. Dass das den Regierungsvertretern in den Pressekonferenzen nicht einmal eine Erwähnung wert war, ärgert die Lehrer sehr. Mehr noch aber stoßen sie sich an der Begründung: dass nämlich das Homeschooling nicht reibungslos funktioniert hätte und die Pflege gewährleistet sein müsse.
Das erste Argument könne „klar widerlegt“werden, schreiben sie. Es habe „zahlreiche positive Rückmeldungen von Schülern und Eltern“gegeben. Natürlich gebe es auch Schüler, bei denen das Distance Learning nicht funktioniere – wie in allen anderen Schultypen auch. Aber: „Wir möchten klarstellen, dass die Sonderschule keine Pflegeinstitution ist. Diese Ungleichbehandlung halten wir für skandalös. Denn in den Sonderschulen befinden sich durchaus viele Schüler, die keine Pflege benötigen.“
Virologisch kontraproduktiv
Das Bildungsministerium rechtfertigte die Entscheidung mit den „Wünschen vieler Eltern von Kindern mit speziellem Förderbedarf“, die im ersten Lockdown besonders gefordert gewesen seien. Die Lehrer halten dem nun das Behindertengleichstellungsgesetz entgegen, das Diskriminierung im Alltag verbiete: „Als weniger günstige Behandlung könnte man den geringeren Schutz vor Infektionen ansehen.“Überhaupt sei Präsenzunterricht in den Sonderschulen gesundheitspolitisch kontraproduktiv: „Viele Schüler haben Vorerkrankungen, können schwer Distanz halten, verstehen den Sinn von Hygienemaßnahmen nicht oder halten sich aus altersbedingter Opposition nicht daran.“Andere wiederum seien sehr wohl in der Lage, die Ungleichbehandlung zu erkennen und äußerten ihren Unmut. Besonders jene mit Geschwistern im Homeschooling.
Kritik üben die Lehrer auch an den Tests: Regelmäßig würde das Schulpersonal erst seit dem 7. Jänner getestet. „Dass wir uns bis dahin wegen des fortgesetzten Präsenzunterrichts längst im Infektionsgeschehen befunden haben, ist niemandem aufgefallen oder war keiner Berücksichtigung wert.“
Der Standesvertretung ist die Problematik in den Sonderschulen bewusst. Lehrergewerkschafter Paul Kimberger hält die Regelung für „inakzeptabel“: Es gebe keine schlüssige Begründung dafür, sie widerspreche den Intentionen der Corona-Maßnahmen. Außerdem gebe es „sehr wohl Sonderschüler, die ins Distance Learning gehen können und wollen.“Kimberger hätte sich eine „flexible Lösung mit „Einzelfallbetrachtung“gewünscht.
Möglicherweise gibt es die nun auch. Aus dem Bildungsministerium hieß es am Donnerstag, dass man das Thema aufgegriffen habe: „Es wird eine Lösung geben, die für alle zufriedenstellend ist.“