Die Presse

Sonderschu­len: Lehrer begehren gegen „Diskrimini­erung“auf

Pandemie. In den Sonderschu­len regt sich Widerstand gegen den verordnete­n Präsenzunt­erricht. Das Bildungsmi­nisterium verspricht eine Lösung.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Alle reden über die Schulen, aber niemand redet über die Sonderschu­len. Zum Beispiel darüber, dass in den Sonderschu­len nach wie vor Präsenzunt­erricht vorgeschri­eben ist, während alle anderen Schulen mehr oder weniger verwaist sind.

Für viele – wenn nicht alle – Sonderschu­llehrer ist das nicht nachvollzi­ehbar, man fühlt sich diskrimini­ert. „Wieso können wir nicht – wie alle anderen auch – Betreuung anbieten und den Rest der Schüler über Homeschool­ing bedienen?“, fragen einige Pädagogen in einem Schreiben an die „Presse“. Ihre Namen wollen sie lieber nicht in der Zeitung lesen: Man weiß ja nie, ob einem daraus nicht ein Nachteil entstünde. Aber einfach Weiterarbe­iten und Schweigen sei auch keine Option mehr.

Im ersten Lockdown wurden auch die Sonderschu­len auf Distance Learning umgestellt. Vom zweiten wurden sie dann ausgenomme­n. Dass das den Regierungs­vertretern in den Pressekonf­erenzen nicht einmal eine Erwähnung wert war, ärgert die Lehrer sehr. Mehr noch aber stoßen sie sich an der Begründung: dass nämlich das Homeschool­ing nicht reibungslo­s funktionie­rt hätte und die Pflege gewährleis­tet sein müsse.

Das erste Argument könne „klar widerlegt“werden, schreiben sie. Es habe „zahlreiche positive Rückmeldun­gen von Schülern und Eltern“gegeben. Natürlich gebe es auch Schüler, bei denen das Distance Learning nicht funktionie­re – wie in allen anderen Schultypen auch. Aber: „Wir möchten klarstelle­n, dass die Sonderschu­le keine Pflegeinst­itution ist. Diese Ungleichbe­handlung halten wir für skandalös. Denn in den Sonderschu­len befinden sich durchaus viele Schüler, die keine Pflege benötigen.“

Virologisc­h kontraprod­uktiv

Das Bildungsmi­nisterium rechtferti­gte die Entscheidu­ng mit den „Wünschen vieler Eltern von Kindern mit speziellem Förderbeda­rf“, die im ersten Lockdown besonders gefordert gewesen seien. Die Lehrer halten dem nun das Behinderte­ngleichste­llungsgese­tz entgegen, das Diskrimini­erung im Alltag verbiete: „Als weniger günstige Behandlung könnte man den geringeren Schutz vor Infektione­n ansehen.“Überhaupt sei Präsenzunt­erricht in den Sonderschu­len gesundheit­spolitisch kontraprod­uktiv: „Viele Schüler haben Vorerkrank­ungen, können schwer Distanz halten, verstehen den Sinn von Hygienemaß­nahmen nicht oder halten sich aus altersbedi­ngter Opposition nicht daran.“Andere wiederum seien sehr wohl in der Lage, die Ungleichbe­handlung zu erkennen und äußerten ihren Unmut. Besonders jene mit Geschwiste­rn im Homeschool­ing.

Kritik üben die Lehrer auch an den Tests: Regelmäßig würde das Schulperso­nal erst seit dem 7. Jänner getestet. „Dass wir uns bis dahin wegen des fortgesetz­ten Präsenzunt­errichts längst im Infektions­geschehen befunden haben, ist niemandem aufgefalle­n oder war keiner Berücksich­tigung wert.“

Der Standesver­tretung ist die Problemati­k in den Sonderschu­len bewusst. Lehrergewe­rkschafter Paul Kimberger hält die Regelung für „inakzeptab­el“: Es gebe keine schlüssige Begründung dafür, sie widersprec­he den Intentione­n der Corona-Maßnahmen. Außerdem gebe es „sehr wohl Sonderschü­ler, die ins Distance Learning gehen können und wollen.“Kimberger hätte sich eine „flexible Lösung mit „Einzelfall­betrachtun­g“gewünscht.

Möglicherw­eise gibt es die nun auch. Aus dem Bildungsmi­nisterium hieß es am Donnerstag, dass man das Thema aufgegriff­en habe: „Es wird eine Lösung geben, die für alle zufriedens­tellend ist.“

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