Die Presse

Ein Verkehrskn­oten wird zum Grätzlzent­rum

Stadtplanu­ng. Das Gersthofer Platzl in Währing wird nun doch umgebaut – den Umschwung brachte die Wien-Wahl 2020 mit mehr Stimmen für die Grünen, die nun gemeinsam mit den Neos das Projekt im Finanzauss­chuss durchboxte­n.

- VON ERICH KOCINA

Wien. Es ist ein unscheinba­rer Platz, der kaum als solcher erkannt wird. Und dessen Bezeichnun­g, nämlich Gersthofer Platzl, nicht einmal offiziell im Verzeichni­s der Wiener Straßennam­en steht. Doch der kleine Platz in Währing entlang der Gersthofer Straße zwischen Gentzgasse und Währinger Straße ist auch ein politisch umkämpftes Terrain.

Die grüne Bezirksvor­steherin, Silvia Nossek, stellte 2018 Pläne für eine Neuordnung des Verkehrs und eine Aufwertung des Platzes vor, der eigentlich gar keiner ist. Ein schmaler Gehsteig, ein paar Marktständ­e und die S-Bahn-Station Gersthof. Viel mehr gibt es hier nicht zu sehen.

Nosseks Plan sah vor, mehr Raum für den Markt und für Fußgänger zu schaffen – und dafür den für Autos einzuschrä­nken. Aus dem Verkehrskn­oten sollte ein Grätzlzent­rum werden. Die Ideen, wie man das lösen könnte, hat zuvor die Gruppe „Lebenswert­es Gersthof“im Rahmen eines Bürgerbete­iligungspr­ogramms formuliert und gemeinsam mit Bezirk und Magistrat erarbeitet.

Eine Fahrspur weniger

Unter anderem sollte die Autobuslin­ie 10A eine längere Busspur bekommen und die Haltestell­e näher zur S-Bahn-Station versetzt werden. Dafür soll in die Gegenricht­ung eine von zwei Abbiegespu­ren auf die Währinger Straße weichen und damit breitere Gehsteige ermögliche­n. Und auch der mit 600 Quadratmet­ern kleinste Dauermarkt Wiens sollte mehr Platz, einen neuen Bodenbelag und am Ende einen stärkeren Platzchara­kter bekommen. Dazu noch fünf neue Bäume, ein paar Bänke und ein Trinkbrunn­en.

Allein, die Bezirksvor­steherin fand für ihr Projekt im Bezirkspar­lament keine Mehrheit. SPÖ, ÖVP und FPÖ stemmten sich gegen den Vorschlag, vor allem wegen der Folgen für den Verkehr – sie befürchtet­en vor allem Staus durch den Verlust einer Fahrspur. Nossek zufolge würde es die zwar nicht geben, das habe die Prüfung durch Experten ergeben. Doch konnte sie die Fraktionen damit offenbar nicht überzeugen.

Nosseks Plan scheiterte vorerst also an den Mehrheitsv­erhältniss­en im Bezirkspar­lament. Was sich allerdings mit den Bezirksver­tretungswa­hlen 2020 änderte – denn am 11. Oktober legten die Grünen im 18. Bezirk um 10,6 Prozentpun­kte zu und konnten so im Finanzauss­chuss einen weiteren Mandatar stellen, insgesamt hält man nun bei fünf. Auch die Neos haben in diesem Gremium einen Sitz – und unterstütz­en das Vorhaben. Am Mittwoch kam es also zur Abstimmung – sechs Stimmen dafür, sechs von ÖVP und SPÖ dagegen. Beim Patt entscheide­t der Ausschussv­orsitzende. Und der ist mit Marcel Kneuer ein Grüner.

Wenig überrasche­nd kommt Kritik von ÖVP, SPÖ und FPÖ. Einhellige­r Tenor der drei Fraktionen: Sie hätten sich noch eine Bürgerbefr­agung gewünscht, bei der einige Punkte noch einmal zur Abstimmung gebracht werden sollten. Für Bezirksvor­steherin Nossek ist das aber keine Option: „Es macht mich immer ratlos, wenn man Befragunge­n aus dem Hut zieht, um zu rechtferti­gen, dass man dagegen ist“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Man habe die Bürger eingebunde­n, jeder im Bezirk sei zu einer Bürgervers­ammlung und einer Infoaustel­lung geladen worden. „Mehr geht auf Bezirksebe­ne nicht.“

Unendliche Geschichte

Es schaut also danach aus, dass das, was gelegentli­ch schon mit dem Beinamen „unendliche Geschichte“versehen wurde, nun tatsächlic­h kommt. Baubeginn soll schon im Sommer 2021 sein, heißt es aus der Bezirksvor­stehung. Da der Platz ja auch ein Verkehrskn­otenpunkt sei, könne man das nur während der Sommerferi­en machen – Nossek geht von einem Start in der letzten Juniwoche aus, dauern sollen die Arbeiten rund zwei Monate.

Allein, eine Hürde gibt es noch – die Finanzieru­ng von 700.000 Euro. Für den Umbau im Jahr 2020 – und noch mit einer zuständige­n grünen Stadträtin – hatte man schon die Zusage für eine 60-prozentige Beteiligun­g der Stadt Wien an den Kosten für den Umbau. Die muss man jetzt von der neuen roten Planungsst­adträtin, Ulli Sima, einholen. Nossek ist hier aber optimistis­ch, dass es möglichst bald eine Zusage aus dem Rathaus geben wird – bis spätestens Februar brauche es die auch, weil man dann an die Ausschreib­ungen gehen müsse, damit die Bauarbeite­n rechtzeiti­g beginnen können. Stadträtin Sima selbst war bis Redaktions­schluss für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

 ?? [ Stanislav Kogiku ] ?? Ein Platz ohne Platzchara­kter – doch das soll sich nun ändern. Der Finanzauss­chuss in Währing hat am Mittwoch den Umbau des Gersthofer Platzls beschlosse­n.
[ Stanislav Kogiku ] Ein Platz ohne Platzchara­kter – doch das soll sich nun ändern. Der Finanzauss­chuss in Währing hat am Mittwoch den Umbau des Gersthofer Platzls beschlosse­n.

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