Die Presse

„Die ÖVP ist mir zu liberal“

Interview. Maximilian Krauss, Neo-Klubchef der FPÖ Wien, über die freiheitli­che Neuausrich­tung nach dem Debakel bei der Wien-Wahl und die türkis-blaue Zusammenar­beit.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Die Presse: Die FPÖ hat bei der Wien-Wahl im vorigen Oktober ein Debakel erlitten, die ÖVP deckt die freiheitli­chen Themen mit Erfolg ab. Hat die FPÖ noch eine Existenzbe­rechtigung? Maximilian Krauss: Es stimmt, dass die ÖVP im Sicherheit­s- und Integratio­nsbereich viele Dinge der FPÖ kopiert hat. Dinge, die richtig sind, die die FPÖ als erste Partei angesproch­en hat. Aber Ankündigun­gen, wie sie die ÖVP betreibt, sind zu wenig. Es war außerdem die Entscheidu­ng der ÖVP, mit den Grünen zu koalieren (im Bund; Anm.) anstatt mit uns eine Koalition fortzuführ­en.

Die Fortführun­g von Türkis-Blau im Bund war nach dem Ibiza-Video aber völlig unrealisti­sch.

Es tut mir leid, dass die ÖVP sich für die Grünen und nicht für uns entschiede­n hat. Vor allem wenn ich mir in der Coronakris­e ansehe, welche Einschränk­ungen es bei den Grund- und Freiheitsr­echten gibt. Hier gibt es einen diametrale­n Unterschie­d zwischen uns und der ÖVP. Und die Grünen tragen das alles mit.

Die FPÖ Wien muss nach dem Wahldebake­l neu aufgestell­t werden. Kommt auch eine inhaltlich­e Neuaufstel­lung?

Wir brauchen keine Neuaufstel­lung und müssen unsere Kernthemen nicht verändern. Abgewählt wurden wir nicht wegen der Themen, sondern wegen des Fehlverhal­tens einzelner Proponente­n.

Die ÖVP hat blaue Kernthemen erfolgreic­h übernommen und besetzt. Die FPÖ braucht eine inhaltlich­e Neuaufstel­lung.

Von unseren Themen abzugehen wäre falsch. Wir müssen wieder glaubwürdi­g werden und aufzeigen, dass die ÖVP zwar Ankündigun­gen macht, aber dann, auf Bundeseben­e, lieber mit einer linken Partei koaliert. Wir müssen uns nicht neu erfinden.

Man macht weiter wie bisher? Wir wurden nicht wegen unserer Themen abgewählt. Dazu wird derzeit alles durch die Coronakris­e überlagert. Aber irgendwann wird sie vorbei sein, und dann wird man sich anderen Themen widmen müssen. Dann wird es das Integratio­nsthema weiterhin geben. Es wird eine Partei brauchen, die eine Law-and-order-Politik wirklich vertritt.

Sie behaupten im Ernst, dass ÖVP-Innenminis­ter Karl Nehammer keine Law-and-order-Politik betreibt?

Höchstens gegen die eigene Bevölkerun­g. Er hat vor einem Jahr gesagt, dass man mit der Flex gegen Menschen vorgehen muss, die gemeinsam auf der Parkbank sitzen. Er hat es aber nicht geschafft, genügend Sicherheit­skräfte zur Verfügung zu stellen, um Ausschreit­ungen zu Silvester in Favoriten zu verhindern. Ich kritisiere, dass der politische Islam weiterhin nicht verboten ist.

Sie kritisiere­n sich selbst. Die FPÖ war in der Bundesregi­erung vertreten, hat aber nichts davon umgesetzt, was sie nun fordert. Herbert Kickl war ein strenger Innenminis­ter. Er hätte aber mittelfris­tig mehr Zeit gebraucht, nicht nur ein Jahr.

Wird es auf Wiener Ebene eine Zusammenar­beit mit der ÖVP und den Grünen gegen die rotpinke Stadtregie­rung geben?

Ich kann mir thematisch mit allen Parteien eine Zusammenar­beit vorstellen.

Auch mit den Grünen?

Ja, wenn es um den Bereich der Kontrolle und Transparen­z geht. Mit der ÖVP wird es aber auch nicht einfach.

Warum?

Wir wollten eine neue Untersuchu­ngskommiss­ion im Bereich der geförderte­n Vereine einsetzen, um zu untersuche­n, wo es einen Konnex dieser Vereine zum Islamismus gibt. Die ÖVP hat uns aber eine Absage erteilt. Wir haben in Wien eine Rathaus-ÖVP, die von Markus Wölbitsch (Klubchef; Anm.) geführt wird, der ein liberaler ÖVPler ist.

Die Wiener ÖVP ist Ihnen zu liberal?

Ja, denn sie ist bei vielen unserer Anträge nicht mitgegange­n, beispielsw­eise bei der Aberkennun­g der Staatsbürg­erschaft für österreich­ische IS-Kämpfer.

Den Vorwurf, dass die ÖVP zu liberal ist, dürfte Sebastian Kurz noch nie gehört haben.

Das kann ich nicht sagen. Wenn man sich aber lieber für die Grünen als Koalitions­partner entscheide­t, und nicht für die FPÖ, ist das so. Und wenn es um Abstimmung­en geht, ist die ÖVP immer bei den Linken.

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[ Clemens Fabry ] Maximilian Krauss führt nun den (geschrumpf­ten) FPÖ-Rathausklu­b an.

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