Die Presse

Die Sehnsucht nach Natur wie im Bilderbuch

Der Maulwurf hat den leeren Fußballpla­tz erobert.

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Beim

Spaziergan­g in der Früh quer durch die Weinberge sind die Spuren der Nacht eine Erinnerung, wie viel um einen herum passiert, auch wenn alles gleich bleibt. Der Föhn hat viele Äste geknickt. Danach wurde es wieder kalt. Die Lacken von gestern tragen heute dünne Eisspuren. Ein Zuckerguss im Gatsch.

Die Sentimenta­lität der Städter und ihre Sehnsucht nach unberührte­r Natur führen zu Diskussion­en. Was am Land als Plage gilt, können Besucher schwer nachvollzi­ehen. Angesichts imposanter Maulwurfsh­ügel quer über einen Fußballpla­tz, auf dem schon lang nicht mehr gespielt werden konnte, gerate ich ins Schwärmen über ein Lieblingsb­uch, „Der Maulwurf Grabowski“von Luis Murschetz (der übrigens gerade 85 Jahre alt geworden ist). Der Maulwurf ist böse, lautet die kühle Antwort, gehört beseitigt (oder zumindest verscheuch­t auf Nachbars Wiese) und von süß könne wirklich keine Rede sein.

Der nächste Konflikt lauert schon einen Baum weiter – der ist eindrucksv­oll abgenagt. Der Biber war da, und was für einer das sein muss, ein „Woscha“, wie lang hat man das nicht mehr gehört (ebenso wie „a Bröckerl“, „a so a Apparat“, „a trum Vieh“). Man verkneift sich gerade noch bewundernd­e Worte über den Baumeister der Tierwelt. Der Biber ist ähnlich beliebt wie der Maulwurf. Gut, dass die Ziesel im Winterschl­af sind, sonst wäre man auf die nächste Mine getreten.

Aber dort hinten, da huscht ein Reh vorbei. Wie anmutig! Nein, man will nicht über Wildverbis­s diskutiere­n und das freche Verhalten von Rehen, sondern die Idylle genießen und weiter von der eigenen Wiese träumen. Da darf dann auch der Maulwurf hin. So sind sie, die Städter, weltfremd mit ihrer Bilderbuch­natur.

Gut, den Marder braucht man auch nicht unter der Motorhaube, aber dann kann man wenigstens länger hier bleiben, weil das Auto nicht mehr startet.

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