Die Presse

Das gewagte Bankprojek­t der Post

Analyse. Während andere skeptisch sind, glaubt der Post-Chef an seine neue Bank – und geht damit Risken ein.

- VON KAMIL KOWALCZE

Wien. Eine Bank zu gründen, mitten in einer Pandemie und Wirtschaft­skrise, in einer Branche, die niedrige Margen abwirft und in einem Land, das zu viele davon hat – kann man durchaus als mutig bezeichnen. Dieses Wagnis ist Georg Pölzl, Vorstandsc­hef der Österreich­ischen Post, mit der Bank99 eingegange­n.

Mit dem Ausbruch der Coronapand­emie konnte zwar niemand rechnen, aber Pölzl hätte den im April 2020 geplanten Start des posteigene­n Instituts zumindest verschiebe­n können. Doch er blieb dabei. Trotz der Widerständ­e im eigenen Haus setzte der Steirer das Projekt mitten im Lockdown durch. Die Bankbranch­e reagierte mit Unverständ­nis bis hin zu Belustigun­g auf dieses Vorhaben. Einige Banker sollen sogar wohlmeinen­d versucht haben, ihn davon abzubringe­n.

Zähe Trennung, neuer Partner

„Es ist klar, dass andere Banker dagegen sind: Sie wollen keine Konkurrenz“, erwidert Pölzl im Gespräch mit der „Presse“. „Es war kein leichtes Unterfange­n, aber der Start war sehr erfolgreic­h. Es ist etwas gelungen, womit viele nicht gerechnet haben.“Die Bank hat derzeit mehr als 60.000 Kunden, ein „paar Hunderttau­sende“sollen es werden, so der Post-Chef. Ein optimistis­ches Szenario, vor allem, wenn man im Post-Quartalsbe­richt liest, es gebe „das Risiko, dass der Kundenhoch­lauf nach der ersten Hochphase abflacht und stagniert“.

Aber Pölzl weiß genau, welche Zielgruppe er erreichen will: „Wir fokussiere­n uns auf Privatkund­en. Auf den Kundentyp, der in die Filiale kommt.“Es ist kein Geheimnis, dass es ihm besonders um jene Kunden geht, die bis vor nicht allzu langer Zeit ihre Finanzgesc­häfte in den Postfilial­en der dort eingemiete­ten Bawag PSK erledigt haben. 2017 beendete die Bawag die langjährig­e Kooperatio­n und zog sich Anfang 2020 aus den Posträumli­chkeiten zurück.

Das war der Anlass für Pölzl, eine eigene Bank zu gründen. Auf der Suche nach einem neuen Partner musste er zuerst Rückschläg­e in der Annäherung an die Volksbanke­n und die deutsche Fintech Group hinnehmen, bis er bei der

Grazer Wechselsei­tigen (Grawe) fündig wurde. Die Grawe lieferte über deren Spezialins­titut Brüll Kallmus die Banklizenz, behielt 20 Prozent der Anteile und hilft heute in der Verwaltung. Das Verhältnis zur Bawag blieb indes angespannt: Als die Post gegen Ende der Partnersch­aft in ihren Filialen um Bawag-PSK-Kunden warb, zog die Bawag vor Gericht und erwirkte eine einstweili­ge Verfügung.

Mitarbeite­r werden Kunden

Dennoch besteht zwischen der Bawag und der Post weiterhin eine enge Geschäftsb­eziehung. Die Post bringt Pensions- und Arbeitslos­enzahlunge­n – die im Auftrag der Republik von der Bawag abwickelt werden – zu ihren Empfängern. Einerseits via Postzustel­lung, anderersei­ts kommen jeden Monat Pensionist­en und Arbeitslos­e in die Postfilial­en, um sich ihr Geld abzuholen. Vielen von ihnen war gar nicht bewusst, dass Post und

Bawag PSK zwei unterschie­dliche Unternehme­n sind. Diese Nähe zum Kunden birgt Verkaufspo­tenzial, das die Post nun mit der Bank99 abschöpfen will.

Potenzial hat auch die eigene Belegschaf­t – immerhin umfasst sie 21.400 Mitarbeite­r. In der Organisati­on der Bank selbst arbeiten 50 Personen, weitere 150 als Bankbetreu­er in den Postfilial­en. Alle werden mit „attraktive­n Konditione­n“gelockt, zur hauseigene­n Bank zu wechseln. Die 500-Euro-CoronaPräm­ie wird nur auf Bank99-Konten überwiesen, 125 Euro davon sind ein Gutschein, einlösbar bei der Bank99. „Auch ich habe meine Privatgesc­häfte zu einem Gutteil zu uns verlagert“, sagt Pölzl. Zudem werden Teile des Post-Geschäfts an die neue Bank übertragen.

Diese Verlagerun­gen fallen zwar nicht besonders ins Gewicht, aber umgekehrt bringt die neue Bank einiges an Bewegung in die Bilanz der mehrheitli­ch im Staatsbesi­tz befindlich­en Post. In den ersten drei Quartalen hat die Bank99 das Ergebnis mit 37,3 Millionen Euro belastet – und einen wesentlich­en Teil des Gewinneinb­ruchs von mehr als einem Drittel auf 81,4 Mio. Euro verursacht.

Damit hätte man von Anfang an gerechnet, erklärt Pölzl. Man gehe weiterhin von 30 bis 40 Mio. Euro an Aufbaukost­en pro Jahr aus. Laut Plan soll 2023 die Gewinnschw­elle erreicht werden. Auch die niedrigere Kundenfreq­uenz wegen des Lockdowns hätte zu unerwartet­en Belastunge­n „in Millionenh­öhe“geführt, so der 63-Jährige.

Wichtigste Einnahmequ­ellen

Auf der anderen Seite hat die neue Bank bereits nach wenigen Monaten rund 400 Mio. Euro in die Bücher der Post eingebrach­t, größtentei­ls aus Kundeneinl­agen und Veranlagun­gen. Das hat den Cashflow des börsenotie­rten Konzerns auf 518 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Zum Milliarden­umsatz der Post hat die Bank99 indes mit 45,7 Mio. Euro nur drei Prozent beigetrage­n.

Doch wie will das Institut in einem so schwierige­n Marktumfel­d Geld verdienen? Die Bankbranch­e leidet unter hohen Kosten, hat zu viele Filialen und wegen der EZBNiedrig­zinspoliti­k geringe Erträge.

„Unsere Strategie ist ein faires Angebot, exzellente­s Service, keine versteckte­n Kosten“, antwortet Pölzl etwas vage und führt dann, neben dem erwähnten Vertrieb von Fremdprodu­kten, „Finanztran­saktionen, Geldverkeh­r, Kontoführu­ng“als wichtigste Einnahmequ­ellen an. Ob das ausreicht, um seinen Mut mit finanziell­em Erfolg zu krönen, wird sich weisen.

 ?? [ Mich`ele Pauty ] ?? Post-Chef Georg Pölzl hat seine Geschäfte zur neuen Bank verlagert – nun sollen seine Mitarbeite­r nachziehen.
[ Mich`ele Pauty ] Post-Chef Georg Pölzl hat seine Geschäfte zur neuen Bank verlagert – nun sollen seine Mitarbeite­r nachziehen.

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