Die Presse

Globale Lieferkett­en als Klimasünde­r

Welthandel. Viele Unternehme­n kennen ihre eigenen Zulieferer kaum. Diese sorgen für hohe CO2-Emissionen.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Immer mehr Unternehme­n verkünden, künftig klimaneutr­al zu wirtschaft­en. 2020 haben sich derartige Ankündigun­gen fast verdoppelt. Die ambitionie­rten Ziele dieser Unternehme­n treffen zwar den Zeitgeist, zielen aber nur auf den eigenen CO2-Ausstoß ab.

Wer dem globalen Temperatur­anstieg ernsthaft die Stirn bieten will, sollte sich als Erstes jedoch die gesamten Lieferkett­en vornehmen, heißt es in einer am Donnerstag veröffentl­ichten Studie des Weltwirtsc­haftsforum­s und des Beratungsu­nternehmen­s Boston Consulting Group (BCG).

Umweltschä­dliche Zulieferer

In einer globalisie­rten Welt setzen sich Waren nämlich längst aus Rohstoffen und Fertigunge­n von einer Vielzahl an Unternehme­n zusammen. In einem modernen Auto finden sich etwa Komponente­n von mehr als 300 Zulieferer­n. Viele davon müssen sich in deren Herkunftsl­ändern kaum an Klimaschut­zvorgaben halten. Dasselbe gilt für die Lebensmitt­elbranche, die für die Hälfte der gesamten Lieferkett­en-Emissionen verantwort­lich ist. Der Lebensmitt­elkonzern Nestle´ ist selbst nur für fünf Prozent des CO2-Fußabdruck­s seiner Produkte verantwort­lich, der

Rest stammt aus Lieferkett­en, der Rodung für Anbaufläch­en inklusive. Genau diese Emissionen, die bei Zulieferer­n, beim Transport oder beim Abbau von Rohstoffen anfallen, werden in den Berechnung­en großer Unternehme­n meist nicht berücksich­tigt. Allein die acht emissionsr­eichsten Lieferkett­en seien für mehr als die Hälfte der globalen Emissionen verantwort­lich, heißt es in dem Bericht. Das gilt auch für die westlichen Volkswirts­chaften, die große Emissionsm­engen importiere­n, vor allem aus den asiatische­n Billiglohn­ländern. Importe in die EU machen heute 151 Megatonnen CO2 aus, das entspricht etwa dem zweieinhal­bfachen CO2-Fußabdruck Österreich­s. Vor allem sind es Güter wie Textilien oder Metalle, die nach Europa geschifft werden.

„Intranspar­entes System“

Für die Endverbrau­cher ist es kaum nachvollzi­ehbar, welche Weltreise die Produkte beim Kauf bereits hinter sich haben. Auf EUEbene wird zwar darüber nachgedach­t, die Transparen­zpflicht auszuweite­n, davon sei man derzeit aber noch weit entfernt, sagt Klimaexper­te Jens Burchardt, einer der Studienaut­oren. „Die globalen Lieferkett­en komplexer Konsumgüte­r sind kleinteili­g und vielschich­tig. Viele Unternehme­n kennen ihre unmittelba­ren Zulieferer selbst kaum. Für die Konsumente­n ist es derzeit daher fast unmöglich, eine bewusste Kaufentsch­eidung auf Basis transparen­ter Informatio­nen zu treffen.“

Immer lauter werden daher die Rufe, endlich die Dekarbonis­ierung der gesamten Lieferkett­en anzugehen. „Das ist ein entscheide­nder Faktor, um die Klimaschut­zmaßnahmen glaubwürdi­g umzusetzen“, sagt Dominic Waughray, Chef des Weltwirtsc­haftsforum­s. Wichtig sei, dass globale Unternehme­n mit ihren Zulieferer­n Vereinbaru­ngen über die Umweltvert­räglichkei­t treffen.

Eine drastische Senkung der Lieferkett­en-Emissionen wäre der Studie zufolge mit verträglic­hen Mitteln machbar. Allein die Textilindu­strie, deren asiatische Werke bislang vor allem Kohle verstromen, könnte durch Umstellung auf erneuerbar­e Energien ihre Emissionen um 70 Prozent reduzieren. Schwierige­r ist das freilich überall dort, wo Verbrennun­gsprozesse nötig sind, etwa bei der Stahlprodu­ktion. Ein Wandel steht jedenfalls in der Logistik bevor. Containers­chiffe, die für einen Großteil des globalen Warenverke­hrs sorgen und heute noch mit dreckigem Schweröl betrieben werden, könnten auf absehbare Zeit mit Biotreibst­offen betrieben werden.

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[ Reuters ] Kilometerl­ange Lkw-Staus führen derzeit vielfach zu Lieferengp­ässen.

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