Globale Lieferketten als Klimasünder
Welthandel. Viele Unternehmen kennen ihre eigenen Zulieferer kaum. Diese sorgen für hohe CO2-Emissionen.
Wien. Immer mehr Unternehmen verkünden, künftig klimaneutral zu wirtschaften. 2020 haben sich derartige Ankündigungen fast verdoppelt. Die ambitionierten Ziele dieser Unternehmen treffen zwar den Zeitgeist, zielen aber nur auf den eigenen CO2-Ausstoß ab.
Wer dem globalen Temperaturanstieg ernsthaft die Stirn bieten will, sollte sich als Erstes jedoch die gesamten Lieferketten vornehmen, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Weltwirtschaftsforums und des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG).
Umweltschädliche Zulieferer
In einer globalisierten Welt setzen sich Waren nämlich längst aus Rohstoffen und Fertigungen von einer Vielzahl an Unternehmen zusammen. In einem modernen Auto finden sich etwa Komponenten von mehr als 300 Zulieferern. Viele davon müssen sich in deren Herkunftsländern kaum an Klimaschutzvorgaben halten. Dasselbe gilt für die Lebensmittelbranche, die für die Hälfte der gesamten Lieferketten-Emissionen verantwortlich ist. Der Lebensmittelkonzern Nestle´ ist selbst nur für fünf Prozent des CO2-Fußabdrucks seiner Produkte verantwortlich, der
Rest stammt aus Lieferketten, der Rodung für Anbauflächen inklusive. Genau diese Emissionen, die bei Zulieferern, beim Transport oder beim Abbau von Rohstoffen anfallen, werden in den Berechnungen großer Unternehmen meist nicht berücksichtigt. Allein die acht emissionsreichsten Lieferketten seien für mehr als die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich, heißt es in dem Bericht. Das gilt auch für die westlichen Volkswirtschaften, die große Emissionsmengen importieren, vor allem aus den asiatischen Billiglohnländern. Importe in die EU machen heute 151 Megatonnen CO2 aus, das entspricht etwa dem zweieinhalbfachen CO2-Fußabdruck Österreichs. Vor allem sind es Güter wie Textilien oder Metalle, die nach Europa geschifft werden.
„Intransparentes System“
Für die Endverbraucher ist es kaum nachvollziehbar, welche Weltreise die Produkte beim Kauf bereits hinter sich haben. Auf EUEbene wird zwar darüber nachgedacht, die Transparenzpflicht auszuweiten, davon sei man derzeit aber noch weit entfernt, sagt Klimaexperte Jens Burchardt, einer der Studienautoren. „Die globalen Lieferketten komplexer Konsumgüter sind kleinteilig und vielschichtig. Viele Unternehmen kennen ihre unmittelbaren Zulieferer selbst kaum. Für die Konsumenten ist es derzeit daher fast unmöglich, eine bewusste Kaufentscheidung auf Basis transparenter Informationen zu treffen.“
Immer lauter werden daher die Rufe, endlich die Dekarbonisierung der gesamten Lieferketten anzugehen. „Das ist ein entscheidender Faktor, um die Klimaschutzmaßnahmen glaubwürdig umzusetzen“, sagt Dominic Waughray, Chef des Weltwirtschaftsforums. Wichtig sei, dass globale Unternehmen mit ihren Zulieferern Vereinbarungen über die Umweltverträglichkeit treffen.
Eine drastische Senkung der Lieferketten-Emissionen wäre der Studie zufolge mit verträglichen Mitteln machbar. Allein die Textilindustrie, deren asiatische Werke bislang vor allem Kohle verstromen, könnte durch Umstellung auf erneuerbare Energien ihre Emissionen um 70 Prozent reduzieren. Schwieriger ist das freilich überall dort, wo Verbrennungsprozesse nötig sind, etwa bei der Stahlproduktion. Ein Wandel steht jedenfalls in der Logistik bevor. Containerschiffe, die für einen Großteil des globalen Warenverkehrs sorgen und heute noch mit dreckigem Schweröl betrieben werden, könnten auf absehbare Zeit mit Biotreibstoffen betrieben werden.