Holen Energieaktien endlich auf?
Während die Aufholjagd längst zahlreiche Branchen an der Börse erfasst hat, hinken Öltitel nach. Das Umfeld ändert sich jedoch allmählich und könnte Kaufchancen bieten.
Seit dem Crash vom vergang genen März hat sich der Ölpreis kräftig erholt. Damals war der Kurs für die Nordseemarke Brent auf rund 18 Dollar je Fass abgesackt. Dann erfolgte eine rasante Kehrtwende: Vergangenen Dezember wurde die Marke von 50 Dollar wieder übersprungen.
Dahinter steckt zum einen die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung im Jahr 2021, sobald die Corona-Impfwelle die Pandemie eindämmt. Zum anderen konnten sich die Mitglieder des Ölkartells Opecp sowie Russland und andere Ölförder länder Anfang Jänner auf einen weiteren Kompromiss einigen. Insgesamt wird die Opec-Produktion in den kommenden zwei Monaten um mindestens 1,425 Millionen Fass sinken, wobei Saudiarabien den Großteil der Kürzung durchführen wird. Zugleich weiten Russland und Kasachstan ihre Produktion um lediglich 75.000 Fass aus. Ursprünglich war eine deutlich höhere Menge geplant.
Die Einigung erwies sich jedenfalls als wichtige Preisstütze. Und der Auftrieb dürfte noch nicht zu Ende sein, ist Damien Courvalin, Analyst bei Goldman Sachs, überzeugt. Bis zum Sommer könnte die Brent-Notierung auf 65 Dollar klettern, prognostiziert Courvalin und sieht in diesem Zusammenhang eine weitere wichtige Entwicklung, nämlich die Abschwächung des Dollar. Weil das Rohöl in der US-Währung gehandelt wird, ist es dann umso leistbarer auf dem internationalen Markt. Und damit dürfte die Nachfrage außerhalb der USA anziehen.
Westliche Ölfirmen profitieren
Doch wie wirkt sich solch ein Umfeld auf Branchenfirmen aus? Hannes Loacker, Fondsmanager des Raiffeisen-Energie-Aktien, meint, der gestiegene Preis komme generell allen Öl- und Gasunternehmen zugute, am stärksten aber jenen, die kaum oder gar nicht von den Produktionskürzungen betroffen seien. Er zählt dazu vor allem westliche Öl- und Gasunternehmen. „Anders verhält es sich mit Saudi Aramco oder einigen russischen Ölkonzernen. Diese profitie
ren aber zumindest vom höheren Ölpreis“, konstatiert Loacker.
Er vertritt im Raiffeisen-Fonds einen klaren Investmentansatz: Knapp mehr als die Hälfte des Fondsvermögensg entfällt auf große europäische Ölmultis wie zum Beispiel Royal Dutch Shell, Total und Repsol. Dabei geht es Loacker längst nicht nur darum, vom steigenden Ölpreis zu profitieren, sondern auch von der Energiewende im Kampf gegen die Klimakrise.
Und daran beteiligten sich vor allem europäische Branchenplayer erfolgreich, betont der Fondsma
nager. Er sieht hier derzeit noch einen großen Unterschied zwischen europäischen Öl- und Gaskonzernen und US-amerikanischen oder asiatischen Pendants.
Fotovoltaik und Windkraft
Loacker setzt aber auch direkt auf Branchenfirmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Dazu zählen beispielsweise First Solar – Anbieter von Fotovoltaik-Systemlösungen aus den USA – sowie der deutsche Windparkausrüster Nordex.
Und wie sieht es bei anderen Branchenfonds aus? Mit rund 26 Prozent nehmen US-Energieaktien etwa mit Conoco Phillips eine weit höhere Gewichtung im Ninety One Global Energy Fund ein. Aber auch die russische Novatek zählt dort derzeit zu den größten Fondspositionen.
Im Blackrock Global Funds World Energy Fund investiert CoFondsmanager Alastair Bishop sogar fast die Hälfte des Fondsver
mögens in US-Ölaktien, zu denen beispielsweise Chevron und Conoco Phillips zählen. Auch Total zählt aber zu den Top-Positionen.
Das Aufholpotenzial ist im Energiesektor im Vergleich zu anderen Branchen jedenfalls noch groß, wie allein der Blick auf die Wertentwicklung in der Tabelle zeigt. Obendrein winken bei vielen dieser Konzerne lukrative Dividendenrenditen. Ungeachtet des Potenzials müssen Anleger bei diesen Sektoraktien jedoch auch größere Schwankungen verkraften können. Der Grundsatz, Veranlagungen breit zu streuen, gilt auch hier.