Drei Weltmächte für das Klima
Umwelt. Joe Biden verordnet den USA eine Kehrtwende in der Klimapolitik. Amerikas Rückkehr auf die Weltbühne kann hier viel bewegen. Das Klima retten wird Biden aber nur gemeinsam mit China und der EU.
Wien. Viel Zeit hat Joe Biden nicht verloren. In den ersten Stunden nach der Amtsübernahme hat der neue US-Präsident die Weichen für Amerikas Rückkehr in die globale Klimapolitik gestellt. Der Demokrat macht nicht nur den umstrittenen Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig, er legt auch ehrgeizige Pläne für den Umbau der eigenen Wirtschaft vor. Das Comeback des zweitgrößten CO2-Emittenten der Welt im Klub der Klimaschützer ist von den meisten Staaten euphorisch aufgenommen worden. Sie wissen, dass der historische Rückgang der Treibhausgas-Emissionen im Vorjahr (siehe Grafik) nur der Pandemie geschuldet war. Sobald Menschen wieder wie gewohnt arbeiten, reisen und konsumieren, wird davon nichts übrig bleiben. Aber was kann Joe Biden wirklich daran ändern? Und wo muss er es tun?
Die Vereinigten Staaten selbst sind mit einem jährlichen Ausstoß von 5,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid immer noch einer der größten Klimasünder der Welt. Zwar emittiert China in Summe fast doppelt so viel, aber bei den Pro-Kopf-Emissionen ist Amerika weiterhin das Schwergewicht unter den Industrienationen. Hier will Joe Biden ansetzen. Bis 2030 soll der Stromsektor klimaneutral werden, bis 2050 der Rest der Wirtschaft. Zwei Billionen US-Dollar sollen in ein grünes Post-Covid-Konjunkturprogramm fließen. Ob er mit der „hauchdünnen Mehrheit im Senat“ambitionierte Klimagesetze umsetzen wird, sei jedoch fraglich, meint der Umweltökonom Sebastian Rausch vom ZEW Mannheim. Aber auch mit Verordnungen könnte der Demokrat etwa den CleanPower-Plan wiederbeleben oder schärfere Emissionsvorschriften für Fahrzeuge umsetzen. „Zentral ist die Frage, ob es Joe Biden gelingt, eine nationale Bepreisung von CO2 einzuführen“, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom und Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
„G3“für den Klimaschutz
Noch wichtiger sei aber die Symbolkraft, die von der Rückkehr der USA in die Riege der Klimaschützer ausgehe, ist der Ökonom überzeugt. Aufgrund der Pandemie konnte im Vorjahr nicht einmal die UN-Klimakonferenz in Glasgow abgehalten werden. Stattdessen preschte die EU vor, setzte sich ehrgeizige CO2-Reduktionsziele, schnürte den Green Deal und erklärte den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050. Noch überraschender kam die Ankündigung von Chinas Staatspräsident, Xi Jinping, dieses Ziel nur zehn Jahre später erreichen zu wollen. Die Rede vor den Vereinten Nationen war damals freilich auch als Kontrapunkt zu seinem Vorredner Donald Trump gedacht – aber immerhin. Schwenkt Amerika nun auf Bidens Kurs um, sind immerhin zwei Drittel der Weltwirtschaft und mehr als die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen mit dem Ziel der Klimaneutralität verbunden. Diese Kraft gilt es zu nützen, drängt Ottmar Edenhofer: „Es könnte eine Art G3 für den Klimaschutz zwischen der EU, China und den USA entstehen.“Sie alle müssten rasch nationale CO2-Preise umsetzen, um den Bürgern und Unternehmen in ihren Ländern eine klare Perspektive zu geben. Um wirklich Erfolg zu haben, müssen die G3 ihren Einfluss aber auch über die eigenen Grenzen hinaus geltend machen.
So ist die Volksrepublik heute zwar die größte Quelle für CO2-Emissionen. Aber selbst wenn man die Emissionen der EU und der USA dazurechnet, stoßen die drei Weltmächte zusammen nur etwas mehr als die Hälfte des globalen Kohlendioxids aus. Der Rest entfällt auf stark wachsende Volkswirtschaften wie Indien, wo sich die Emissionen in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht haben, Brasilien und Indonesien und die Öl-, Gas- und Kohleproduzenten Australien, Kanada, Russland und die Golfstaaten.
Die Frage ist: Wie schaffen es die großen Drei, diese Länder zu überzeugen? Die Europäische Union setzt auf ihre Kraft als größter Konsummarkt, um ihre Standards und Regulierungen auch außerhalb des Binnenmarkts zu verbreiten. China wiederum ist der entscheidende Financier für – bisher vor allem fossile – Investitionen in vielen Ländern auch außerhalb Südostasiens. Kann sich Peking dazu durchringen, sein Geld nicht nur im eigenen Land, sondern auch entlang der multimilliarden
schweren Neuen Seidenstraße klimaschonend einzusetzen, wäre das ein gewaltiger Schritt nach vorn.
Die USA wiederum könnten ihren geo
politischen Einfluss in anderen Weltregionen in die Waagschale werfen. Vergünstigte Kredite im Gegenzug für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern wären ein möglicher Weg, ein Umdenken zu bewirken. Aber schon allein Joe Bidens Vorbild könnte Länder wie Kanada, Japan, Indien oder Südamerika dazu animieren, den Klimaschutz ernster zu nehmen.
Sein republikanischer Vorgänger Donald Trump hatte den gegenteiligen Effekt. Dessen offenkundiges Desinteresse befeuerte die zerstörerische Umweltpolitik von Staatslenkern wie dem brasilianischen Präsidenten, Jair Bolsonaro, zusätzlich. Doch genau auf diese Staaten wird es ankommen, wenn die Welt zumindest das Minimalziel erreichen will, den Temperaturanstieg auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu stabilisieren.
Die Versprechen reichen nicht aus
Der Weg dahin ist noch weit. 2015 haben sich in Paris zwar fast alle Länder der Erde auf dieses Ziel geeinigt. Doch der Vertrag ist löchrig. Jeder Staat kann nach eigenem Gutdünken entscheiden, wie viel er beitragen kann und will. Die Folge: Die globalen Emissionen stiegen seit 2015 weiter und auch der Energiemix änderte sich kaum. Die vorliegenden Selbstverpflichtungen der Staaten reichen bei Weitem nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. 2021 wird die verschobene Klimakonferenz in Glasgow planmäßig nachgeholt. Dort sollen die Regierungschefs neue, ambitioniertere Fahrpläne auf den Tisch legen. Die EU und China haben den ersten Schritt dahin bereits hinter sich. Nun müssen die USA mit einem starken, aber glaubwürdigen Versprechen nachziehen, auch um ein klares Signal an den Rest der Welt zu senden.