Die Presse

Drei Weltmächte für das Klima

Umwelt. Joe Biden verordnet den USA eine Kehrtwende in der Klimapolit­ik. Amerikas Rückkehr auf die Weltbühne kann hier viel bewegen. Das Klima retten wird Biden aber nur gemeinsam mit China und der EU.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Viel Zeit hat Joe Biden nicht verloren. In den ersten Stunden nach der Amtsüberna­hme hat der neue US-Präsident die Weichen für Amerikas Rückkehr in die globale Klimapolit­ik gestellt. Der Demokrat macht nicht nur den umstritten­en Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkom­men rückgängig, er legt auch ehrgeizige Pläne für den Umbau der eigenen Wirtschaft vor. Das Comeback des zweitgrößt­en CO2-Emittenten der Welt im Klub der Klimaschüt­zer ist von den meisten Staaten euphorisch aufgenomme­n worden. Sie wissen, dass der historisch­e Rückgang der Treibhausg­as-Emissionen im Vorjahr (siehe Grafik) nur der Pandemie geschuldet war. Sobald Menschen wieder wie gewohnt arbeiten, reisen und konsumiere­n, wird davon nichts übrig bleiben. Aber was kann Joe Biden wirklich daran ändern? Und wo muss er es tun?

Die Vereinigte­n Staaten selbst sind mit einem jährlichen Ausstoß von 5,2 Milliarden Tonnen Kohlendiox­id immer noch einer der größten Klimasünde­r der Welt. Zwar emittiert China in Summe fast doppelt so viel, aber bei den Pro-Kopf-Emissionen ist Amerika weiterhin das Schwergewi­cht unter den Industrien­ationen. Hier will Joe Biden ansetzen. Bis 2030 soll der Stromsekto­r klimaneutr­al werden, bis 2050 der Rest der Wirtschaft. Zwei Billionen US-Dollar sollen in ein grünes Post-Covid-Konjunktur­programm fließen. Ob er mit der „hauchdünne­n Mehrheit im Senat“ambitionie­rte Klimageset­ze umsetzen wird, sei jedoch fraglich, meint der Umweltökon­om Sebastian Rausch vom ZEW Mannheim. Aber auch mit Verordnung­en könnte der Demokrat etwa den CleanPower-Plan wiederbele­ben oder schärfere Emissionsv­orschrifte­n für Fahrzeuge umsetzen. „Zentral ist die Frage, ob es Joe Biden gelingt, eine nationale Bepreisung von CO2 einzuführe­n“, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom und Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung.

„G3“für den Klimaschut­z

Noch wichtiger sei aber die Symbolkraf­t, die von der Rückkehr der USA in die Riege der Klimaschüt­zer ausgehe, ist der Ökonom überzeugt. Aufgrund der Pandemie konnte im Vorjahr nicht einmal die UN-Klimakonfe­renz in Glasgow abgehalten werden. Stattdesse­n preschte die EU vor, setzte sich ehrgeizige CO2-Reduktions­ziele, schnürte den Green Deal und erklärte den Ausstieg aus den fossilen Brennstoff­en bis 2050. Noch überrasche­nder kam die Ankündigun­g von Chinas Staatspräs­ident, Xi Jinping, dieses Ziel nur zehn Jahre später erreichen zu wollen. Die Rede vor den Vereinten Nationen war damals freilich auch als Kontrapunk­t zu seinem Vorredner Donald Trump gedacht – aber immerhin. Schwenkt Amerika nun auf Bidens Kurs um, sind immerhin zwei Drittel der Weltwirtsc­haft und mehr als die Hälfte der globalen Treibhausg­asemission­en mit dem Ziel der Klimaneutr­alität verbunden. Diese Kraft gilt es zu nützen, drängt Ottmar Edenhofer: „Es könnte eine Art G3 für den Klimaschut­z zwischen der EU, China und den USA entstehen.“Sie alle müssten rasch nationale CO2-Preise umsetzen, um den Bürgern und Unternehme­n in ihren Ländern eine klare Perspektiv­e zu geben. Um wirklich Erfolg zu haben, müssen die G3 ihren Einfluss aber auch über die eigenen Grenzen hinaus geltend machen.

So ist die Volksrepub­lik heute zwar die größte Quelle für CO2-Emissionen. Aber selbst wenn man die Emissionen der EU und der USA dazurechne­t, stoßen die drei Weltmächte zusammen nur etwas mehr als die Hälfte des globalen Kohlendiox­ids aus. Der Rest entfällt auf stark wachsende Volkswirts­chaften wie Indien, wo sich die Emissionen in den vergangene­n 20 Jahren verdreifac­ht haben, Brasilien und Indonesien und die Öl-, Gas- und Kohleprodu­zenten Australien, Kanada, Russland und die Golfstaate­n.

Die Frage ist: Wie schaffen es die großen Drei, diese Länder zu überzeugen? Die Europäisch­e Union setzt auf ihre Kraft als größter Konsummark­t, um ihre Standards und Regulierun­gen auch außerhalb des Binnenmark­ts zu verbreiten. China wiederum ist der entscheide­nde Financier für – bisher vor allem fossile – Investitio­nen in vielen Ländern auch außerhalb Südostasie­ns. Kann sich Peking dazu durchringe­n, sein Geld nicht nur im eigenen Land, sondern auch entlang der multimilli­arden

schweren Neuen Seidenstra­ße klimaschon­end einzusetze­n, wäre das ein gewaltiger Schritt nach vorn.

Die USA wiederum könnten ihren geo

politische­n Einfluss in anderen Weltregion­en in die Waagschale werfen. Vergünstig­te Kredite im Gegenzug für den Ausstieg aus fossilen Energieträ­gern wären ein möglicher Weg, ein Umdenken zu bewirken. Aber schon allein Joe Bidens Vorbild könnte Länder wie Kanada, Japan, Indien oder Südamerika dazu animieren, den Klimaschut­z ernster zu nehmen.

Sein republikan­ischer Vorgänger Donald Trump hatte den gegenteili­gen Effekt. Dessen offenkundi­ges Desinteres­se befeuerte die zerstöreri­sche Umweltpoli­tik von Staatslenk­ern wie dem brasiliani­schen Präsidente­n, Jair Bolsonaro, zusätzlich. Doch genau auf diese Staaten wird es ankommen, wenn die Welt zumindest das Minimalzie­l erreichen will, den Temperatur­anstieg auf zwei Grad gegenüber dem vorindustr­iellen Niveau zu stabilisie­ren.

Die Verspreche­n reichen nicht aus

Der Weg dahin ist noch weit. 2015 haben sich in Paris zwar fast alle Länder der Erde auf dieses Ziel geeinigt. Doch der Vertrag ist löchrig. Jeder Staat kann nach eigenem Gutdünken entscheide­n, wie viel er beitragen kann und will. Die Folge: Die globalen Emissionen stiegen seit 2015 weiter und auch der Energiemix änderte sich kaum. Die vorliegend­en Selbstverp­flichtunge­n der Staaten reichen bei Weitem nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. 2021 wird die verschoben­e Klimakonfe­renz in Glasgow planmäßig nachgeholt. Dort sollen die Regierungs­chefs neue, ambitionie­rtere Fahrpläne auf den Tisch legen. Die EU und China haben den ersten Schritt dahin bereits hinter sich. Nun müssen die USA mit einem starken, aber glaubwürdi­gen Verspreche­n nachziehen, auch um ein klares Signal an den Rest der Welt zu senden.

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