Spiritueller Influencer
Porträt. Der Franziskanerpater Sandesh Manuel kommuniziert den Glauben mit Freude und böllernden Beats – über YouTube- und TikTok-Videos.
Franziskanerpater Sandesh Manuel kommuniziert Glauben im Netz.
Er versteht es zu gestikulieren wie ein Rapper. Zur Kutte des Franziskaners trägt er ein Baseballkäppchen mit Pokemonemblem. Nein, der herkömmlichen Vorstellung eines Mönchs entspricht Bruder Sandesh Manuel nicht.
Weltabgeschiedenheit ist seine Sache nicht. Er agiert als Sänger, Rapper, Maler und YouTuber. „Mönche haben keine Flügel. Wir sind Menschen mit Gefühlen. Ich trenne Menschsein nicht vom Mönchsein. Ich lebe und vertiefe meinen Glauben durch meine Musik. Die Musik, meine zweite Berufung, verstärkt die erste. Durch sie will ich mit Menschen in Kontakt kommen. YouTube ist da eine sehr gute Bühne.“
Der vierzigjährige, recht jugendlich wirkende Mönch stammt aus Indien. Exakt gesagt aus Bangalore, einer 13-Millionenstadt im Süden, die als Silicon Valley des Subkontinents gilt. Doch Technik interessierte Manuel nicht. „Ich hatte viele philosophische Fragen. Warum sind so viele Menschen arm? Warum sind einige Leute behindert? Gibt es Gott? Warum bin ich in Indien geboren?“Und so studierte der in eine traditionell christliche Familie Hineingeborene Philosophie und Theologie. Dann trat er für ein Probejahr in den Orden ein.
Das Leben dort fiel ihm zunächst nicht leicht. „Meine Gitarre hat mich dabei unterstützt, Priester zu werden.“Der österreichische Provinzial Oliver Ruggenthaler hat ihn schließlich nach Österreich eingeladen. Um als Franziskanermönch zu wirken, aber auch, um ein Musikstudium zu absolvieren. Dass er neben seinen Verpflichtungen im Orden Musikvideos macht, das war auch für seine Mitbrüder zunächst gewöhnungsbedürftig. „Zu Beginn waren sie skeptisch. Etwa, deshalb, weil ich Gitarre und nicht die traditionelle Orgel studiere. ,Das ist nicht unser Instrument,’ sagten sie. Ich habe Zugang zur Gitarre gefunden. In Indien gibt es eigentlich gar keine Orgeln.“
Vorbilder sind ihm der katholische Gitarrist John Michael Talbot und Eric Clapton, dessen „Unplugged“-Album er als All-Time-Favorite nennt. Noch ungewöhnlicher ist das Rappen. „Ein älterer Bruder, er ist 85 Jahre, fragte mich mal, was ist dieses R.A.P.? Ich habe es ihm erklärt. Nicht schlecht, meinte er. Viele Mitbrüder unterstützen mich mittlerweile.“
Manuels Lieder und Videos sind getragen von unbeirrbarem Frohsinn, einer Gemütshaltung, die in Österreich nicht gerade die vorherrschende ist. Grant gilt hierzulande als Menschenrecht. War das nicht eine Art Kulturschock, als er 2013 ins Land kam? „Die Menschen hier tragen oft ein langes Gesicht, reden nicht viel, sind mürrisch. Das war neu für mich. Ich bete, und ich lache. Für mich ist ganz wichtig, dass der Glaube Freude schenkt.“
Vor Alltagsrassismus ist er auch in der Mönchskutte nicht gefeit. „Wegen euch Schwarzen haben wir Corona bekommen,“schrie ihm einmal eine Frau zu. Manuel begegnete der Situation mit Humor. „Ironie ist wichtig. Ganz allgemein bin ich ein Typ, der sich leicht adaptiert. Was eine gute Voraussetzung ist, überhaupt Franziskaner zu sein. Die ganze Welt ist unser Kloster, die gesamte Menschheit unsere Familie.“An seinen drei Gelübden, Gehorsam, Zölibat und Armut hält er fest. Aber er besitzt auch Handy und Computer. Für ihn sind das keine Luxusgegenstände, vielmehr Werkzeuge, um den Glauben in die Welt zu tragen.
Wie sein Alltag aussieht? „Wir stehen um ca. 6.30 Uhr auf. Dann haben wir unser gemeinsames Gebet und Gottesdienst. Danach folgt das Frühstück, und jeder geht seiner Aufgabe nach. Manche von uns sind Professoren, andere arbeiten in unserem Heilige-Land-Reisebüro, wieder andere sind Fundraiser. Zudem machen wir eine Suppenküche für die Armen. Abends ist wieder Gottesdienst. Ich helfe in verschiedenen Kirchen aus.“
Ein Lied für jedes Bundesland
Seine YouTube-Videos bereitet er nachmittags vor. Sein Plan ist, jedem Bundesland eines zu widmen. Möglichst im lokalen Dialekt. Sandesh spricht hervorragend Deutsch, aber die Mundarten sind für ihn Akrobatik pur. Etwa wenn er Georg Kreislers zungenbrecherische „Telefonbuchpolka“singt. Vergangenes Jahr lancierte er erfolgreich „Der Herrgott hot glocht“, seine Hymne an Kärnten. Derzeit bereitet er den „Burgenland-Rap“vor. „Das Kärnten-Lied ist mir ganz gut gelungen. Es ist sogar ein wenig viral gegangen. Jetzt dachte ich mir, weil 100 Jahre Burgenland bei Österreich gefeiert wird, dass es dafür auch einen Rap braucht.“
Apropos. Auch wenn der burgenländische Bohnenstrudel pikant ist, die indische Küche ist schärfer. Kann die Klostersuppe hier mithalten? „Ein bisschen Schärfe fehlt mir schon in den meisten Speisen. Im Kloster haben wir Chili am Tisch. Und es gibt österreichische Mitbrüder, die essen schärfer als ich.“