Die Presse

Leitartike­l von Jakob Zirm

Auf die Pandemie folgt der Wiederaufb­au der Wirtschaft. Wenn wir Klimawande­l ernst nehmen, dürfen wir nicht in das alte Fahrwasser zurückkehr­en.

- VON JAKOB ZIRM

Um gut sieben Prozent soll der globale CO2-Ausstoß im Jahr 2020 laut den Berechnung­en des Global Carbon Project zurückgega­ngen sein. Die Coronapand­emie hatte kurzfristi­g somit wohl einen größeren Klimaschut­zeffekt als sämtliche internatio­nale Abkommen der vergangene­n Jahrzehnte zusammen. Dennoch kann das bewusste Hinunterfa­hren der Wirtschaft – wie es von diversen Klimaschüt­zern gefordert wird – kein Konzept gegen den Klimawande­l sein. Die Schäden für die Menschen wären viel zu hoch.

Denn auch wenn in der öffentlich­en Diskussion gern der abstrakte Begriff Wirtschaft gegen die Umwelt in den Ring geworfen wird, geht es hierbei um konkrete Personen. Etwa jene 200.000 Österreich­er, die seit Ausbruch der Coronakris­e vor knapp einem Jahr ihren Job verloren haben. Hinzu kommen mehr als eine Million Beschäftig­te, die zumindest zeitweise in Kurzarbeit gewesen sind. Dass die echten wirtschaft­lichen Folgen dieser Krise von vielen Betroffene­n nicht vollständi­g gespürt werden, hängt nur damit zusammen, dass sich der Staat laut Fiskalrat um fast 61 Milliarden Euro zusätzlich verschulde­n wird, um Hilfszahlu­ngen leisten zu können. Das geht in einer Gesundheit­skrise, ist aber kein Konzept für ein Langfristp­roblem wie den Klimawande­l.

Hinzu kommt, dass viele Schwellenl­änder den berechtigt­en Wunsch haben, ihr Wohlstands­niveau durch Wachstum weiter anzuheben. Und da der durchschni­ttliche Europäer trotz aller Klimaschut­zbemühunge­n immer noch das Zwei- oder Dreifache an CO2-Emissionen eines Inders oder Brasiliane­rs pro Jahr verursacht, gibt es auch keinerlei Recht, hier Zurückhalt­ung zu verlangen.

Wir müssen es also schaffen, Wirtschaft­swachstum von CO2-Emissionen zu entkoppeln. Und das geht nur durch den Umbau des Systems von fossilen auf erneuerbar­e Energieträ­ger. In diesem Punkt hilft auch die Jammerei über zu geringe Reichweite­n von Elektroaut­os oder zusätzlich­e Belastunge­n der Netze durch die volatile Windkraft nicht. Im Endeffekt gibt es keine andere Lösung für das Problem des Klimawande­ls als der kalte Entzug von den Menschheit­sdrogen Kohle, Ö g l und Gas.

Wichtig ist in diesem Prozess jedoch, dass es eine Balance gibt. Zwischen dem, was erreicht werden soll, und dem, was zu diesem Zeitpunkt möglich ist. Die Rückkehr der USA in das Pariser Klimaabkom­men durch Joe Biden ist daher eine sehr gute Nachricht für Europa, weil sie wieder etwas mehr Gleichschr­itt zwischen den zwei größten Wirtschaft­sblöcken in dieser Frage bringt.

Es ergibt nämlich überhaupt keinen Sinn, die europäisch­e Wirtschaft durch derzeit noch nicht erreichbar­e Ziele abzuwürgen, um dann Güter aus anderen Teilen der Welt zu kaufen, die dort ohne diese strengen Regeln erzeugt wurden. Hier wäre es auch höchst an der Zeit, eine europäisch­e CO2-Importabga­be einzuführe­n, um für die heimische Industrie wieder faire Wettbewerb­sbedingung­en zu schaffen.

G rundsätzli­ch führt am „grünen“Umbau des Gesamtsyst­ems jedoch kein Weg vorbei. Und dafür sind enorme Investitio­nen notwendig. Die Coronapand­emie könnte dabei als Katalysato­r wirken. Denn um die eingefrore­ne Wirtschaft nach der Krise wieder aufzutauen, wird es weltweit staatliche Programme geben. Werden diese intelligen­t ausgestalt­et, kann ein Grundstein für eine grünere Wirtschaft gelegt werden.

Die Politik kann dabei nur die Richtung vorgeben. Umsetzen müssen den Umbau innovative Unternehme­n. Dass diese nicht immer dort entstehen, wo man es erwartet, zeigt der – inzwischen höchst erfolgreic­he – Elektroaut­opionier Tesla aus dem Land des billigen Benzinszin­s.

Ab Aberer au auchch au auff e eininerer an andederene­n Eb Ebenene könnte Corona etwas Positives bewirken. Zwar werden wir alle wieder in ferne Länder auf Urlaub fliegen, sobald das möglich ist. Und das ist auch gut so. Vielleicht kann aber die eine oder andere Geschäftsr­eise auch künftig durch eine Videokonfe­renz ersetzt werden. Oder die Pendelfahr­t in die Stadt durch einen Home-Office-Tag. Das würde die CO2-Emissionen senken, bis der Umbau des Systems vollzogen ist.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

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