teur als KlimaschutzMusterland
Norwegen. Der Reichtum der Skandinavier beruht auf schmutzigem Öl. Genutzt wird er jedoch für die weitreichendste Klimaschutzpolitik der Welt.
Oslo. Wenn der neue US-Klimabeauftragte, John Kerry, die Weltmacht Richtung CO2Reduzierung steuert, dürfte er seinen Blick auch auf Norwegen richten. Schließlich hat Kerry sogar dort gewohnt und spricht Norwegisch. „US-Demokraten haben traditionell einen sehr engen Draht zu Norwegens Umweltpolitikern“, sagt Ba˚rd Lahn vom Zentrum für internationale Klimaforschung (Cicero) in Oslo zur „Presse“. Schon beim Kyotoprotokoll 1997 hätten beide Länder gegen die meisten europäischen für härtere Maßnahmen zusammengearbeitet, sagt er.
Derzeit hat Norwegen noch einen CO2Ausstoß von etwas über 50 Millionen Tonnen im Jahr. Dieser soll jedoch bis 2030 um 55 und bis 2050 um 95 Prozent reduziert werden. Dafür wurde und wird viel getan.
Die Produktion von Strom basiert in Norwegen fast ausschließlich auf erneuerbaren Energiequellen, vor allem Wasserkraft. Auch die Wärmeversorgung läuft zu über 90 Prozent über den klimaneutralen Strom und dezentrale erneuerbare Quellen.
Zudem gibt es schon seit 1991 eine CO2Abgabe. Diese soll, laut bürgerlicher Regierung, bis 2030 von 57 Euro auf 194 Euro pro Tonne verdreifacht werden. Das ist weltweit einzigartig. Ab 2030 sollen in Norwegen möglichst keine Benzin- und Dieselautos mehr zugelassen werden. Schon 2020 wurden mehr Elektroautos (54,3 Prozent) als konventionelle und Hybridautos zusammen verkauft. Und das nicht zur EU gehörende Land will scharfe Ausstoßbudgets für Landwirtschaft, Bau, Abfallwirtschaft, Teile der Industrie, Transport und Öl- und Gasbranche einführen.
Norwegen hat außerdem bereits viel Geld in die Entwicklung von Umwelttechnologie wie CO2-Speicher investiert. In Letzteren soll ganz Europa einen Teil seiner Emissionen lagern können. Das CO2 soll mit Schiffen ins Land transportiert werden und wird dann per Pipeline in den 2500 Meter tiefen Meeresboden gepresst und so gespeichert. Ein Teil des CO2 löst sich dabei im
Meerwasser auf. Die Technik ist weitgehend ausgereift. Die kommerzielle Nutzung für europäische Länder steht in den Startlöchern.
Wiedergutmachung für Ölförderung
Aber warum tut Norwegen so viel für Umwelt- und Klimaschutz? „Die meisten Norweger stehen hinter einer starken Umweltund Klimapolitik“, sagt Lahn. Diese wurde auch schon früh von den das Land lang dominierenden Sozialdemokraten aufgenommen. „Umweltschutz ist Teil der norwegischen Identität.“
Es gibt aber auch einen zweiten – nicht ganz so schönen – Grund. „Vielleicht ist es auch eine Wiedergutmachung für das viele Erdöl, das wir exportieren“, sagt Lahn. Denn viele der Investitionen kann sich Norwegen nur dank seiner enormen Förderung von Erdöl und Erdgas leisten, die es seit der Entdeckung der Vorkommen in der Nordsee im Jahr 1969 zum reichsten Land Europas gemacht hat. Rund 630 Millionen Fass werden pro Jahr aus dem Boden geholt und zumeist im europäischen Ausland klimaschädlich verbrannt. Zudem hat die Regierung weitere Offshore-Gebiete zur Förderung freigegeben. Allerdings ist die Hälfte der genutzten Quellen bereits versiegt. Die grünen Technologien und CO2-Speicherung könnten daher ein neuer großer Wirtschaftszweig werden, erhofft man sich.
Allerdings gibt es auch Kritik, vor allem an der scharfen Verteuerung für CO2-Emissionen. Norwegische Fluggesellschaften klagen bereits, dass sie dann nicht überleben werden. Und die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FRP) sieht gar den gesamten Arbeitsmarkt in Gefahr. „Das wird norwegische Arbeitsplätze ins Ausland abwandern lassen“, warnte Jon Dale von der FRP. Die wenigen Wirtschaftszweige,g die neben der alles überschattenden Ölund Gaswirtschaft, teilweise dank großzügiger Subventionen entstanden sind, würden wieder verschwinden. Norwegen war bis zur Entdeckung des Erdöls ein wirtschaftlich relativ schwaches Land. Schiffbau und Fischerei waren wichtige Bereiche.
Viel schiefgehen kann für Norwegens Wohlstand trotzdem nicht. Auch wenn die letzte Ölquelle versiegt ist, verfügt das Land noch über den weltweit größten Staatsfonds, in den jährlich über 90 Prozent aller Öleinnahmen für die Zukunft gewinnbringend investiert werden. Der derzeitige Wert: knapp eine Billion Euro – für nur 5,38 Millionen Einwohner.