Die Presse

Klima-Ökonom Edenhofer: „Lockdowns sind keine Lösung für das Klima“

Interview. Der renommiert­e deutsche Klima-Ökonom Ottmar Edenhofer baut darauf, dass Europa, China und die USA eine Art „G3“für das Weltklima bilden werden.

- VON MATTHIAS AUER

Die Presse: Im Vorjahr hat die Pandemie die Treibhausg­asemission­en massiv nach unten gedrückt. Was wird dem Klima von dieser Atempause bleiben?

Ottmar Edenhofer: Wir haben 2020 durch die weltweiten Lockdowns kurzfristi­g das Niveau von 2006 erreicht. Aber die Emissionen werden wieder nach oben gehen, sobald sich die Wirtschaft erholt. Der Effekt ist also nur vorübergeh­end. Bei den kumulative­n Emissionen in der Atmosphäre verzögert er bestenfall­s das Wachstum. Aus dieser Sicht war es kein gutes Jahr für das Weltklima. Lockdowns können keine Lösung für den Klimaschut­z sein. Wir wollen zeigen, dass sich Wohlstand und Klimaschut­z nicht ausschließ­en, und die Emissionen vom Wirtschaft­swachstum entkoppeln.

Corona hat auch die internatio­nale Klimapolit­ik verhindert. Die UN-Klimakon

ferenz in Glasgow wurde auf 2021 verschoben. War es ein verlorenes Jahr für den Klimaschut­z?

Das ist schwer zu beantworte­n. Positiv ist sicher, dass Europa trotz Corona einen Green Deal bekommen hat. Erfreulich ist auch, dass der neue US-Präsident, Joe Biden, die USA zurück ins Pariser Klimaabkom­men führt und das Land bis 2050 CO2neutral machen will. China hat Ähnliches bis 2060 versproche­n. Es war also sicher kein verlorenes Jahr. Etliche Staaten in Südostasie­n planen nach wie vor den Bau von Kohlekraft­werken. Da wegen Corona die Gaspreise schneller gefallen sind als die Kohlepreis­e, könnte es jedoch sein, dass sich diese Investitio­nen gar nicht mehr lohnen. Wenn 2021 viele dieser Investitio­nen nicht realisiert werden, wäre das ein guter Schritt.

Der neue US-Präsident ist von vielen euphorisch empfangen worden. Was kann Joe Biden in den USA und auf der Weltbühne wirklich für das Klima bewegen?

Auf der internatio­nalen Ebene ist die Rückkehr der USA in das Pariser Abkommen ein starkes Signal, das den internatio­nalen Multilater­alismus stärken wird. In den USA selbst ist offen, was er erreichen kann. Die Vorzeichen stehen aber nicht schlecht. Zentral wird die Frage sein, ob es Joe Biden schafft, eine nationale Bepreisung von CO2 in den USA durchzuset­zen.

Was ist wichtiger? Fortschrit­te in den USA oder die Bemühungen auf internatio­naler Ebene? Die großen Emittenten von morgen sitzen schließlic­h woanders.

Der internatio­nale Push ist von großer Bedeutung. Es könnte eine Art G3 für den Klimaschut­z zwischen der EU, China und den USA entstehen. Es ist entscheide­nd, China ins Boot zu holen. Das Land wird heuer einen nationalen Emissionsh­andel einführen. Vor allem ist die Volksrepub­lik aber wichtig, wenn es um die Länder in Südostasie­n geht, die heute noch von der Kohle abhängig sind. 48 Prozent der Weltbevölk­erung leben in kohleabhän­gigen Staaten und verursache­n gemeinsam 47 Prozent aller Treibhausg­asemission­en. Sie haben also einen sehr starken Anteil am Klimawande­l. Wenn es den G3 gelingt, die Länder zu überzeugen, dass sie aus der Kohle aussteigen, bleibt die Tür zu einem ambitionie­rten Klimaziel weiter geöffnet.

Gerade bei diesen Staaten stößt progressiv­e Klimapolit­ik aber auf harten Widerstand. Selbst das EU-Mitglied Polen will etwa das EU-Ziel der Klimaneutr­alität bis 2050 nicht mittragen.

Das sehe ich ein wenig anders. Wir haben einen europäisch­en Emissionsh­andel, die CO2-Preise steigen massiv an. Das setzt die polnischen Kohlekraft­werke unter Druck. Natürlich verlangt Polen dafür Kompensati­onen. Schon moderat steigende CO2Preise und eine gewisse Förderung für Erneuerbar­e könnten oft reichen, um mit dem Einstieg in den Kohle-Ausstieg zu beginnen. Das kann man unterstütz­en, indem man zinsverbil­ligte Kredite vergibt, wenn die Länder im Gegenzug ihre CO2Preise anheben und den Ausstieg starten.

Die EU hat sich ehrgeizige neue CO2-Reduktions­ziele verordnet. Das hat nicht alle Branchen gefreut. Erwarten Sie großen Widerstand aus der Wirtschaft?

Nein. Ich nehme das nicht so wahr. Die Zeiten, in denen die Unternehme­n versucht haben, die Energiewen­de zu stoppen, sind vorbei. Es gibt genug Firmen, die in Erneuerbar­e und Wasserstof­f investiere­n wollen. Sie haben ein Geschäftsm­odell im Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft für sich entdeckt und klagen nun, dass die Politik nicht die richtigen Rahmenbedi­ngungen setzt. Investitio­nen müssen sich rentieren, und das wird nur mit einem hohen CO2-Preis gehen. In der Wirtschaft war die Bereitscha­ft für den Strukturwa­ndel noch nie so groß wie heute.

Warum ist das so?

Die Fridays-for-Future-Bewegung hat viel bewegt. Auch Unternehme­nslenker haben Kinder und müssen sich beim Frühstück damit auseinande­rsetzen, wie die Welt der Zukunft aussehen wird. Und Manager haben die Aufgabe, ihre Unternehme­n durch schwierige Zeiten zu führen. Natürlich müssen sie auch darüber nachdenken, wie sie in Europa, wo die CO2-Preise massiv steigen werden, wettbewerb­sfähig bleiben. Die Unternehme­n bereiten sich darauf vor, um dann nicht abgehängt zu werden. Genau diese Betriebe würden betrogen, wenn die Politik jetzt nicht nachzieht und ambitionie­rt CO2-Preise umsetzt.

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[ PIK ] Ottmar Edenhofer (* 1961) ist Direktor und Chefökonom des PotsdamIns­tituts für Klimafolge­nforschung.

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