Die Presse

London verweigert EU diplomatis­che Anerkennun­g

Brexit. Die britische Regierung will Botschafts­angehörige der EU-Vertretung in London nicht als Diplomaten anerkennen und tritt damit in die Fußstapfen von Ex-US-Präsident Donald Trump.

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London/Wien. Die Hoffnungen auf eine Rückkehr zu normalen Verhältnis­sen nach dem endgültige­n Abschied Großbritan­niens vom Binnenmark­t der EU zum Jahreswech­sel haben sich bis dato nicht erfüllt – immer noch ist die Haltung der in London regierende­n konservati­ven Tories zu Europa von Irritation­en und Irrational­itäten geprägt.

Das jüngste exemplaris­che Beispiel dafür ist das Hickhack zwischen London und Brüssel um den diplomatis­chen Status der EUVertrete­r in Großbritan­nien. Demnach verweigert die Regierung von Boris Johnson den Vertretern der EU in London die Anerkennun­g als Botschafts­angehörige – mit dem Argument, die EU sei kein Staat, sondern lediglich eine internatio­nale Organisati­on.

Das britische Argument hat mindestens zwei Schwachste­llen. Erstens werden EU-Botschafte­r weltweit als solche anerkannt und nicht schlechter behandelt als Botschafte­r von Staaten – und die EU verfügt mittlerwei­le über 142 diplomatis­che Niederlass­ungen rund um den Globus. Und zweitens hat sich Großbritan­nien noch als EU-Mitglied im Jahr 2010 (als im Zuge der Lissabon-Reform der diplomatis­che Korps der EU gegründet wurde) für die Gleichbeha­ndlung von EU-Diplomaten ausgesproc­hen. Der einzige Präzedenzf­all, auf den Johnson verwiesen hat, ist Ex-US-Präsident Donald Trump, der ursprüngli­ch EUVertrete­r in den USA diplomatis­ch degradiere­n wollte – aber schlussend­lich von seinem eigenen Stab davon abgebracht werden konnte.

Dass die Tories noch keinen rationalen Zugang zu ihren europäisch­en Nachbarn gefunden haben, bezeugt auch eine Blitzumfra­ge des Instituts Savanta ComRes unter Abgeordnet­en des Unterhause­s: Während das britische Parlament das Ende der Personenfr­eizügigkei­t mit der EU besiegelt hat, sprechen sich 60 Prozent der befragten Abgeordnet­en für die Einführung der Personenfr­eizügigkei­t mit den ehemaligen britischen Kolonien Kanada, Australien und Neuseeland aus.

Angst vor britischem Zuzug

Inwieweit dieser Wunsch auf Gegenliebe stößt, bleibt abzuwarten. Anfang 2020, kurz vor dem Ausbruch der Coronapand­emie, hat die australisc­he Regierung diesbezügl­ich Zurückhalt­ung signalisie­rt

– aus Sorge, die Grenzöffnu­ng würde zum Massenexod­us schlecht gebildeter und minderqual­ifizierter Briten nach Australien führen. Ähnliche Bedenken hat davor auch Neuseeland geäußert.

Während das Tory-Projekt „Reisefreih­eit Richtung Übersee“also noch in Kinderschu­hen steckt, gibt es punkto Reisefreih­eit nach Europa gehörige Probleme. Die Vorwürfe britischer Musiker, London habe bei den Verhandlun­g des Handels- und Partnersch­aftsabkomm­ens mit der EU ihre Interessen vernachläs­sigt, prallten an der Regierung ab. Die Entertaine­r sollten stattdesse­n „ihre Starqualit­äten“dazu einsetzen, Brüssel davon zu überzeugen, ihnen die Reisefreih­eit in der EU zu ermögliche­n, sagte Kulturmini­ster Oliver Dowden. (la)

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