„Die Defizite sind kaum aufzuholen“
M. H. unterrichtet eine Deutschförderklasse in Wien.
In den ersten Schulwochen haben die Kinder meiner Deutschförderklasse einiges gelernt. Sie konnten Obstsorten und Spielsachen benennen und statt „Toilette“haben sie „Darf ich bitte auf die Toilette gehen?“gesagt. Dann kam der Lockdown. Wenn ich jetzt sage, „Bitte nimm deinen blauen Filzstift“, dann sehen sie mich mit großen Augen an. Sie haben massiv abgebaut.
Das ist klar. Ein Kind lernt eine Sprache, indem es viel spricht und hört. Meine Schüler waren aber wohl wochenlang kaum mit einem deutschen Wort konfrontiert. Ein Onlineunterricht ist bei Sechsjährigen nicht sinnvoll und auch nicht möglich. Es gibt weder die technische Voraussetzung noch hätten die Kinder daheim die Ruhe dazu. Oft leben sie in kleinen Wohnungen mit vielen Geschwistern.
Einmal in der Woche gibt es ein Paket mit Übungszetteln. Darauf sind Buchstaben zu schreiben, Mengen einzukreisen und Schwungübungen zu machen. Bei den motorischen Fähigkeiten habe ich eine große Steigerung bemerkt. Das können die Kinder allein üben. Für vieles andere würden sie die Unterstützung der Eltern brauchen. Doch die gibt es oft nicht. Manche wollen und viele können sie nicht geben. Einige Eltern erreichen wir auch gar nicht. Immer mehr sind überfordert. Es bemühen sich zwar viele. Aber die zunehmende Überforderung ist in einzelnen Fällen schon erkennbar. Manche Schüler jammern etwa, dass sie zu Hause nicht genug zu essen bekommen.
Doch zurück zum Lernen. Meine Klasse wird im restlichen Schuljahr hoffentlich einen Grundwortschatz erwerben. Den brauchen sie im Herbst. Dazwischen liegt allerdings der Sommer. Und auch da werden die Kinder viel verlieren.