Die Presse

Ibiza-Video: Der „Regisseur“kämpft gegen seine Auslieferu­ng

Affäre. Frühestens im Februar könnte der Produzent des Ibiza-Videos, Julian H., von Berlin nach Österreich gebracht werden. Der 40-jährige Häftling kämpft gegen seine Auslieferu­ng an. Seine Verteidige­r sprechen von „Fake-Vorwürfen“. Und vergleiche­n H. gar

- VON MANFRED SEEH

Wien/Berlin. Am 10. Dezember 2020 wurde Julian H. in Berlin verhaftet. Der 40-Jährige gilt als Produzent des Ibiza-Videos, das die FPÖSpitzen Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus zu Fall gebracht und das Ende der türkisblau­en Koalition verursacht hatte. Alles deutet daraufhin, dass H. – früher oder später – nach Österreich ausgeliefe­rt wird. Zuletzt wurde seiner Verteidigu­ng gewährt, sich bis Ende Jänner mit einer Stellungna­hme Zeit zu lassen.

Das Kuriose: Im Auslieferu­ngsverfahr­en spielt das berühmte Video kaum eine Rolle. In erster Linie wird H. Kokainhand­el (ab dem Jahr 2014) vorgeworfe­n. Dies wiederum wird von seinem Berliner Anwalt, Johannes Eisenberg, scharf kritisiert. Dazu erklärt die Kanzlei Eisenberg/König/Schork in einer Stellungna­hme, es handle sich bei den Anschuldig­ungen um eine „orchestrie­rte Verdachtsk­onstruktio­n“. Und es wird ein kühn anmutender Vergleich gezogen: „Dieses Vorgehen ist bekannt aus dem Umgang mit Whistleblo­wern wie Edward Snowden, Julian Assange und anderen.“Man konstruier­e Fake-Vorwürfe, „aufgrund derer die Verfolgung wie eine normale Strafverfo­lgung erscheint“. Doch vielmehr sei die Verfolgung des „Antifaschi­sten H.“von FPÖnahen Kräften getrieben – diese hätten Einfluss auf die Behörden.

Schon im Juli 2020, als die Europäisch­e Ermittlung­sanordnung gegen den damals untergetau­chten H. vorlag, hatte Anwalt Eisenberg in Eingaben an die Staatsanwa­ltschaft Wien erklärt, die Herstellun­g des Ibiza-Videos und dessen Übergabe an deutsche Medien sei „erforderli­ch“gewesen, „um einen rechtsradi­kalen Politiker an der

Machtübern­ahme in Österreich zu hindern“. Nun heißt es: Sollte das Kammergeri­cht Berlin (zuständig ist der 4. Strafsenat) die Auslieferu­ng des derzeit inhaftiert­en „Verfolgten“, so die formal korrekte Bezeichnun­g, für zulässig erklären, so werde H. prüfen, ob er das Bundesverf­assungsger­icht anruft. „Und er wird prüfen, ob er einen Asylantrag stellen kann.“

Dass H. und der in Wien befindlich­e Mitbeschul­digte, der Anwalt M., tatsächlic­h nur als zivilgesel­lschaftlic­h engagierte Streiter handelten, darf aber bezweifelt werden. Schließlic­h soll das Video vor Veröffentl­ichung mehreren Stellen zum Verkauf angeboten worden sein („Die Presse“berichtete). So wurde offenbar (dies liest man auch im Auslieferu­ngshaftbef­ehl gegen H.) im August 2017 einem Berater des Bauunterne­hmers Hans Peter Haselstein­er das kurz zuvor auf Ibiza heimlich aufgezeich­nete Material um fünf Millionen Euro angeboten. Ein Ankauf unterblieb damals aber.

Abgesehen davon, in welcher Rolle man den Videoprodu­zenten nun sieht, stellt sich die Frage, weshalb er tatsächlic­h ausgeliefe­rt werden könnte und wie sich die vom Kammergeri­cht Berlin allenfalls angenommen­en Verdachtsm­omente auf die drohende Anklage gegen H. auswirken könnten. Die Berliner Anwaltskan­zlei meint, dem derzeit in der Untersuchu­ngshaftans­talt Moabit angehalten­e Videoprodu­zenten dürfe nach einer Entscheidu­ng des Kammergeri­chts in Österreich „wegen der Herstellun­g und Verbreitun­g des Ibiza-Videos“nicht der Prozess gemacht werden.

So ganz ohne Video-Vorwurf dürfte eine mögliche Anklage aber freilich nicht auskommen. Denn es gibt auch noch den Vorwurf, dass ein Helfer von H. nach Veröffentl­ichung von Videopassa­gen versucht habe, Strache zu erpressen (damals war ja der gesamte Inhalt des Videos noch nicht verfügbar, mittlerwei­le liegt das Material dem U-Ausschuss vor).

Dazu heißt es auf „Presse“-Anfrage seitens des Kammergeri­chts: „Soweit es die Fertigung der inkriminie­rten Aufzeichnu­ng betrifft, wird die Auslieferu­ng nicht begehrt, da die Tat insoweit auch nach österreich­ischem Recht nicht verfolgbar ist.“Hier fehle es an der Voraussetz­ung der beiderseit­igen Strafbarke­it. Aber: „Soweit es um eine mögliche Erpressung im Zusammenha­ng mit den inkriminie­rten Aufnahmen geht, wurden diese Vorwürfe ausdrückli­ch als auslieferu­ngsfähig bezeichnet.“

Außerdem heißt es allgemein: Der zuständige Senat des Kammergeri­chts habe schon im Auslieferu­ngshaftbef­ehl klargestel­lt, „dass er keinen Anlass hat, an der Gewährleis­tung eines rechtsstaa­tlichen Verfahrens im ersuchende­n Staat zu zweifeln“.

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