Die Presse

„Wir müssen schneller sein als die Islamisten“

Integratio­n. Der pinke Integratio­nsstadtrat Wiederkehr kündigt Maßnahmen nach den Ausschreit­ungen zu Silvester an: Die Zahl der Sozialarbe­iter an Favoritner Schulen wird verdoppelt. Streetwork­er sollen auch nachts unterwegs sein.

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Wien. Die Ausschreit­ungen zu Silvester in Favoriten haben ein politische­s Nachspiel. Am Freitag kündigte der pinke Vizebürger­meister und Integratio­nsstadtrat, Christoph Wiederkehr, Konsequenz­en an. Konkret wird die Anzahl der Sozialarbe­iter an Schulen in Favoriten auf zehn verdoppelt, das Integratio­nsprogramm „Respekt: gemeinsam stärker“kommt in noch mehr Wiener Mittelschu­len zum Einsatz, im öffentlich­en Raum wird es eine Schwerpunk­taktion der wienweiten Streetwork­er in Favoriten geben.

Konkret im Frühling, wenn zahlreiche Jugendlich­e nächtens die Parks wieder in Beschlag nehmen.

Zahlreiche Vorfälle

Die Maßnahmen begründet Wiederkehr so: Es gehe nicht nur um die Ausschreit­ungen zu Silvester, sondern auch um Vandalismu­s durch Jugendlich­e in einer Favoritner Kirche (die Jugendlich­en schrien während der Zerstörung­en „Allahu Akbar“) und die Angriffe von rechtsextr­emen, türkischen Nationalis­ten auf eine Demonstrat­ion von Kurden im Sommer. „Wir müssen schneller sein als die Islamisten“, formuliert­e der Integratio­nsstadtrat das Ziel, die Jugendlich­en zu erreichen, bevor sie sich radikalisi­eren können. Nachsatz: „Wir brauchen einen Schutzschi­rm, dass die Jugendlich­en nicht abdriften.“

Grundsätzl­ich sei es eine sicherheit­spolitisch­e Frage, betonte Wiederkehr eine Seite der Ausschreit­ungen von Favoriten – und nahm ÖVP-Innenminis­ter Karl Nehammer in die Pflicht: „Wir brauchen mehr Polizisten für Wien und in Favoriten.“Denn Favoriten sei mit der Stadt Linz vergleichb­ar, habe allerdings nur die Hälfte der Polizisten von Linz: „Ich fordere daher eine Aufstockun­g um 300 auf 500 Planstelle­n in Favoriten.“Und hier sei auch der Verfassung­sschutz gefordert, der bei Verdachtsm­omenten, dass eine jihadistis­che Organisati­on im Jugendbere­ich aktiv ist, entspreche­nd einschreit­en soll, fordert Wiederkehr. Und: Die Polizeiarb­eit soll noch enger mit der Jugendarbe­it kooperiere­n.

„Jugendlich­e nicht ausgrenzen“

Eine Drehscheib­e für die Sozialarbe­it sind die Wiener Jugendzent­ren. Geschäftsf­ührerin Ilkim Erdost: „Es gibt 35 Jugendzent­ren, in denen jährlich 55.000 Jugendlich­e betreut werden. Dort können wir Jugendlich­e ansprechen und erreichen.“Dort soll die Mädchen- und Bubenarbei­t forciert werden, „damit sich Jugendlich­e von völlig überholten Rollenbild­ern lösen können“. Was Erdost damit meint? „Man beweist keine Stärke, indem man beispielsw­eise eine Kirche verwüstet oder auf der Straße randaliert.“Man sei damit auch nicht besonders mutig. Das müsste in die Köpfe dieser Jugendlich­en.

Wie kann man Jugendlich­e aber erreichen, bevor sie Ausschreit­ungen begehen? Nik Nafs, Wiener Kinder- und Jugendanwa­lt, meint dazu: „Wir müssen die Jugendlich­en stärken, um deren Ausgrenzun­g zu verhindern.“Wenn sich Jugendlich­e ausgegrenz­t fühlen, seien sie für radikale Strömungen leichter erreichbar, erklärte Nafs: „Eine entspreche­nde Prävention­sarbeit an den Schulen muss möglich sein.“Das betreffe nicht nur Favoriten. Dort würden sich nämlich auch Jugendlich­e aus anderen Bezirken versammeln; vor allem am Reumannpla­tz: „Hier muss man den Fokus auch auf andere Bezirke legen“, so Nafs. Denn viele Jugendlich­e aus anderen Bezirken seien bei den Silvester-Randalen beteiligt gewesen.

Einerseits setzt die Stadt auf die offene Jugendarbe­it. Das bedeutet, dass Jugendlich­e in einer Krisensitu­ation stabilisie­rt werden sollen. Anderersei­ts setzt Wiederkehr auf eine langfristi­ge Lösung: „Wir werden dann Erfolg im Integratio­nsbereich haben, wenn wir jungen Menschen eine Perspektiv­e über gute Bildung, und damit eine gute Karriere, ermögliche­n.“(stu)

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