„Vielleicht haben wir zu viel riskiert“
Interview. Austrias Finanzvorstand Markus Kraetschmer über Fehler, den Status quo bei der Suche nach einem Investor – und das Millionenloch.
Die Presse: Herr Kraetschmer, die Austria sucht seit 14 Monaten händeringend nach einem strategischen Partner respektive Investor. Warum wurde noch immer keiner gefunden?
Markus Kraetschmer: Wir wussten, dass dieser Prozess zwölf bis 18 Monate in Anspruch nehmen kann, haben mit einer deutlich zweistelligen Anzahl an Interessenten gesprochen. Teilweise hat man einander schon auf Herz und Nieren geprüft, aber es gibt erschwerende Rahmenbedingungen. Corona und die Reiserestriktionen sind in einer finalen Phase von Verhandlungen, in der man physisch und nicht nur virtuell an einem Tisch sitzen möchte, wirklich hinderlich. Und die Pandemie hat den Markt größer gemacht, noch mehr Klubs suchen nach Partnern. Hinzu kommt, dass ein Investor bei uns „nur“49,9 Prozent des Vereins erwerben kann.
Läuft Ihnen die Zeit davon?
Wir wissen, dass es nicht reicht, diplomatische Worte auszutauschen. Es geht um die Lizenzvergabe für die nächste Saison, wichtige Personalentscheidungen im Vorstand und innerhalb der Mannschaft (zwölf Spielerverträge laufen im Sommer aus, Anm.) stehen an. Wir müssen eine Rechtssicherheit schaffen, Absichtserklärungen werden nicht reichen. In der letzten Februarwoche muss das Vertragswerk mit einem Partner in seinen Eckpunkten fertig sein.
Was ist denn der Status quo?
Es gibt in- und ausländische Modelle. Und es muss auch nicht zwingend ein Investor sein. Es gibt Kombinationsmöglichkeiten.
Und was passiert, wenn kein Partner gefunden wird?
Ich weiß, die Leute hören das nicht gern, aber auch diese Rechnung muss man anstellen. Wir müssen uns mit Insolvenzszenarien in verschiedenen Ausprägungen auseinandersetzen, wenngleich ich festhalte: In der aktuellen Phase gibt es für mich als Finanzvorstand keine gesetzliche Veranlassung, ein solches Verfahren einzuleiten.
Es geht bei der Suche nicht nur um Geld, sondern auch um Mitspracherecht und Entscheidungsgewalt. Wo ist für die Austria eine Grenze erreicht?
Bei Klubnamen, Logo und Farben, aber das ist auch jedem potenziellen Partner bewusst. Da kann ich allen Fans ihre Sorgen nehmen. Solch ein Einschnitt wäre für die Austria ein „Deal Breaker“.
Das Minus von 19 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr ist primär auf den Umbau der Generali-Arena zurückzuführen sein. Hat sich die Austria finanziell übernommen?
Der Stadion-Umbau war keine Idee, die Markus Kraetschmer irgendwann einmal auf der Autobahn gekommen ist. Es gab Beschlüsse in Gremien, Wirtschaftsrechnungen etc. Und es war richtig, dieses Projekt umzusetzen. Klar ist aber auch, dass wir dieses Stadion nicht gebraucht haben, um in der Bundesliga in der Qualifikationsgruppe zu spielen und den Europacup zu verpassen. Das tut uns weh. Auch Einnahmequellen wie das Cup-Finale 2019, das Finale der Frauen-ChampionsLeague 2020 oder wie während der Pandemie andere Non-MatchDay-Events und Tagungen sind weggefallen.
Zuletzt spielte die Austria in der Saison 2017/18 europäisch. Und aktuell gibt es kaum Anzeichen dafür, dass der sportliche Erfolg in dieser Saison nach Favoriten zurückkehrt. Ein Teufelskreis? Unsere Stadion-Planungen waren klar darauf aufgebaut, dass Austria ein Top-3-Team in Österreich ist. In den vergangenen drei Jahren ist diese Rechnung nicht aufgegangen. Zusätzlich sind einige Transfers nicht gelungen und die Negativspirale hat sich zu drehen begonnen. Aber ich bleibe dabei: Das Stadion ist für die Zukunft der Austria und die Findung eines Partners immens wichtig.
Wie viel Schuld tragen Sie als Finanzvorstand an dieser Misere? Natürlich trage ich auch Verantwortung, aber ich verwehre mich gegen den Eindruck, der zuletzt entstanden ist, wonach ich für alles verantwortlich sei: Dass langjährige Sponsoren weggefallen sind, falsche Spieler verpflichtet wurden oder wir Spiele nicht gewonnen haben.
Welche Fehler haben Sie gemacht?
Vielleicht hat man manchmal zu viel riskiert. In dem Wissen, dass es mit Sponsoren Probleme gibt, wurden trotzdem noch Spieler verpflichtet, die dann nicht so eingeschlagen haben. Vielleicht hat man sich zu sehr darauf verlassen, dass in der Zeit vor der Pandemie Vereinbarungen und Zusagen von Sponsoren stets eingehalten wurden. Entscheidend ist am Ende aber das Geld am Konto.
Stehen der Austria die wichtigsten Wochen in ihrer 110-jährigen Geschichte bevor?
Der Verein ist wieder einmal an einer Weiche, wie schon öfter. Aber es ist wohl die wichtigste Phase seit dem Ende der Ära Stronach.