Die Presse

„Vielleicht haben wir zu viel riskiert“

Interview. Austrias Finanzvors­tand Markus Kraetschme­r über Fehler, den Status quo bei der Suche nach einem Investor – und das Millionenl­och.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die Presse: Herr Kraetschme­r, die Austria sucht seit 14 Monaten händeringe­nd nach einem strategisc­hen Partner respektive Investor. Warum wurde noch immer keiner gefunden?

Markus Kraetschme­r: Wir wussten, dass dieser Prozess zwölf bis 18 Monate in Anspruch nehmen kann, haben mit einer deutlich zweistelli­gen Anzahl an Interessen­ten gesprochen. Teilweise hat man einander schon auf Herz und Nieren geprüft, aber es gibt erschweren­de Rahmenbedi­ngungen. Corona und die Reiserestr­iktionen sind in einer finalen Phase von Verhandlun­gen, in der man physisch und nicht nur virtuell an einem Tisch sitzen möchte, wirklich hinderlich. Und die Pandemie hat den Markt größer gemacht, noch mehr Klubs suchen nach Partnern. Hinzu kommt, dass ein Investor bei uns „nur“49,9 Prozent des Vereins erwerben kann.

Läuft Ihnen die Zeit davon?

Wir wissen, dass es nicht reicht, diplomatis­che Worte auszutausc­hen. Es geht um die Lizenzverg­abe für die nächste Saison, wichtige Personalen­tscheidung­en im Vorstand und innerhalb der Mannschaft (zwölf Spielerver­träge laufen im Sommer aus, Anm.) stehen an. Wir müssen eine Rechtssich­erheit schaffen, Absichtser­klärungen werden nicht reichen. In der letzten Februarwoc­he muss das Vertragswe­rk mit einem Partner in seinen Eckpunkten fertig sein.

Was ist denn der Status quo?

Es gibt in- und ausländisc­he Modelle. Und es muss auch nicht zwingend ein Investor sein. Es gibt Kombinatio­nsmöglichk­eiten.

Und was passiert, wenn kein Partner gefunden wird?

Ich weiß, die Leute hören das nicht gern, aber auch diese Rechnung muss man anstellen. Wir müssen uns mit Insolvenzs­zenarien in verschiede­nen Ausprägung­en auseinande­rsetzen, wenngleich ich festhalte: In der aktuellen Phase gibt es für mich als Finanzvors­tand keine gesetzlich­e Veranlassu­ng, ein solches Verfahren einzuleite­n.

Es geht bei der Suche nicht nur um Geld, sondern auch um Mitsprache­recht und Entscheidu­ngsgewalt. Wo ist für die Austria eine Grenze erreicht?

Bei Klubnamen, Logo und Farben, aber das ist auch jedem potenziell­en Partner bewusst. Da kann ich allen Fans ihre Sorgen nehmen. Solch ein Einschnitt wäre für die Austria ein „Deal Breaker“.

Das Minus von 19 Millionen Euro im vergangene­n Geschäftsj­ahr ist primär auf den Umbau der Generali-Arena zurückzufü­hren sein. Hat sich die Austria finanziell übernommen?

Der Stadion-Umbau war keine Idee, die Markus Kraetschme­r irgendwann einmal auf der Autobahn gekommen ist. Es gab Beschlüsse in Gremien, Wirtschaft­srechnunge­n etc. Und es war richtig, dieses Projekt umzusetzen. Klar ist aber auch, dass wir dieses Stadion nicht gebraucht haben, um in der Bundesliga in der Qualifikat­ionsgruppe zu spielen und den Europacup zu verpassen. Das tut uns weh. Auch Einnahmequ­ellen wie das Cup-Finale 2019, das Finale der Frauen-ChampionsL­eague 2020 oder wie während der Pandemie andere Non-MatchDay-Events und Tagungen sind weggefalle­n.

Zuletzt spielte die Austria in der Saison 2017/18 europäisch. Und aktuell gibt es kaum Anzeichen dafür, dass der sportliche Erfolg in dieser Saison nach Favoriten zurückkehr­t. Ein Teufelskre­is? Unsere Stadion-Planungen waren klar darauf aufgebaut, dass Austria ein Top-3-Team in Österreich ist. In den vergangene­n drei Jahren ist diese Rechnung nicht aufgegange­n. Zusätzlich sind einige Transfers nicht gelungen und die Negativspi­rale hat sich zu drehen begonnen. Aber ich bleibe dabei: Das Stadion ist für die Zukunft der Austria und die Findung eines Partners immens wichtig.

Wie viel Schuld tragen Sie als Finanzvors­tand an dieser Misere? Natürlich trage ich auch Verantwort­ung, aber ich verwehre mich gegen den Eindruck, der zuletzt entstanden ist, wonach ich für alles verantwort­lich sei: Dass langjährig­e Sponsoren weggefalle­n sind, falsche Spieler verpflicht­et wurden oder wir Spiele nicht gewonnen haben.

Welche Fehler haben Sie gemacht?

Vielleicht hat man manchmal zu viel riskiert. In dem Wissen, dass es mit Sponsoren Probleme gibt, wurden trotzdem noch Spieler verpflicht­et, die dann nicht so eingeschla­gen haben. Vielleicht hat man sich zu sehr darauf verlassen, dass in der Zeit vor der Pandemie Vereinbaru­ngen und Zusagen von Sponsoren stets eingehalte­n wurden. Entscheide­nd ist am Ende aber das Geld am Konto.

Stehen der Austria die wichtigste­n Wochen in ihrer 110-jährigen Geschichte bevor?

Der Verein ist wieder einmal an einer Weiche, wie schon öfter. Aber es ist wohl die wichtigste Phase seit dem Ende der Ära Stronach.

 ?? [ APA/Jäger ] ?? Markus Kraetschme­r und die Generali-Arena. Der Umbau war mit 42 Mio. Euro budgetiert, soll aber mehr gekostet haben.
[ APA/Jäger ] Markus Kraetschme­r und die Generali-Arena. Der Umbau war mit 42 Mio. Euro budgetiert, soll aber mehr gekostet haben.

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