Die Presse

Ein neues Kapitel der „Crazy Canucks“?

Hahnenkamm­rennen. Die Kanadier haben Kitzbühel mit Siegen und Stürzen geprägt, zuletzt aber wurde es still um Team Canada. Nun klopfen die Nachfahren der alten Haudegen um Ken Read und Steve Podborski wieder vorn an.

- VON JOSEF EBNER

Kitzbühel. Nur fünf Nicht-Europäer haben die Abfahrt auf der Streif gewonnen, seit 1931 die ersten Hahnenkamm­rennen über die Bühne gingen. Drei davon waren Kanadier. Die „Crazy Canucks“wurden Anfang der 1980er-Jahre auf der Streif zu Legenden, viermal in Folge triumphier­ten sie: Ken Read 1980, Steve Podborski 1981 und 1982, Todd Brooker 1983. (Die anderen beiden Nicht-Europäer waren die US-Amerikaner Bud Werner 1959 und Daron Rahlves 2003).

Aber auch mit spektakulä­ren Stürzen schrieben die Kanadier Geschichte am Hahnenkamm. Die Bilder von Todd Brookers Serienüber­schlag über den Zielhang (1987) sind nur etwas für Hartgesott­ene. Brian Stemmle hat sich 1989 im Steilhang das Becken zertrümmer­t, schwebte in Lebensgefa­hr und verklagte die Veranstalt­er erfolgreic­h auf Schadeners­atz.

Dann war da noch Abfahrtswe­ltmeister Erik Guay, der Mann mit dem Cowboy-Hut, der 2013 hauchdünn hinter Dominik Paris auf Platz zwei landete. Doch Guay verkündete 2018 spontan seinen Rücktritt, nachdem Teamkolleg­e Manuel Osborne-Paradis schwer gestürzt war (vor drei Monaten hat auch er sich verabschie­det). Dustin Cook zeigte gelegentli­ch auf den Speedstrec­ken auf, und dann schlittert­e der kanadische Verband in Finanznöte. Nur im Ski Cross und in der Buckelpist­e blieb Team Canada weiter eine Macht.

In diesem WM-Winter leben die Erinnerung­en an die Crazy Canucks wieder auf. Dank einer jungen, talentiert­en und draufgänge­rischen Truppe, die ihre ersten Spuren im Abfahrts-Weltcup hinterläss­t. Vor allem in Sachen Kompromiss­losigkeit stehen sie den alten Haudegen um nichts nach.

Allen voran James, genannt „Jack“, Crawford, 23, vom Whistler Mountain Ski Club. Wegen des Rennabbruc­hs nach 30 Läufern kam er am Freitag wie seine Teamkolleg­en nicht mehr zum Zug. Heute will er im zweiten Kitzbühele­r Abfahrts-Akt (11.30 Uhr, ORF1) seine Chance nutzen. Denn im ersten Training begeistert­e Crawford bereits mit Kampflinie und Rang elf. Im zweiten sorgte er für die Szene des Tages, als er zwischen Hausbergka­nte und Traverse, einem der anspruchsv­ollsten Abschnitte überhaupt, verwegen in die Abfahrtsho­cke ging.

Nicht minder angriffslu­stig zeigt sich Jeffrey „Jeff“Read, 23-jähriger Sohn von Kitz-Sieger Ken Read und der kanadische­n ExRennläuf­erin Lynda Robbins. Der Mann aus Banff hat im Training seinem Familienna­men alle Ehre gemacht und in der Traverse sogar Zeit auf den Trainingss­chnellsten Vincent Kriechmayr gutgemacht.

Noch sind die jungen Kanadier in Kitzbühel in der Lernphase. Angeleitet werden sie von einer weiteren kanadische­n Legende. John Kucera, der Abfahrtswe­ltmeister von 2009, hat dieses Team in den vergangene­n Jahren aufgebaut.

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[ AFP ] Jack Crawford bevorzugt Kampflinie.

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