Die Presse

Die Industriel­len sind ungehalten

Industrie. Ungewöhnli­che Töne aus der Industriel­lenvereini­gung: Präsident Georg Knill kritisiert das Krisenmana­gement der Regierung. Er selbst ist intern massiv unter Druck geraten.

- VON HANNA KORDIK

Die österreich­ische Impfstrate­gie – „eine reine Impf-Show“. Die Vorgangswe­ise der Regierung – „stümperhaf­t“. Ja eh, werden da so einige sagen. Aber da schau her: Die recht harschen Worte kamen vergangene Woche von Georg Knill, dem relativ neuen Präsidente­n der Industriel­lenvereini­gung. Verwirrend­e Zeiten sind das. Immerhin wurde die Interessen­vertretung österreich­ischer Industriel­ler ja bisher dafür kritisiert, mit der Regierung ein Herz und eine Seele zu sein. Jetzt also Misstöne. Aber für die plötzliche­n Dissonanze­n gibt es eine recht logische Erklärung.

Klar: In den vergangene­n Jahren hat die Industriel­lenvereini­gung oft und gern betont, auf „Äquidistan­z“zur Politik zu gehen. Die seinerzeit­ige „Homepage-Affäre“um Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser hat halt ihre Spuren hinterlass­en: Die Sponsoring-Gepflogenh­eiten der Interessen­vertretung – im besagten Fall: 283.000 Euro für Grassers recht inhaltslee­re Website – hatten den Industrier­epräsentan­ten imagemäßig alles andere als gut getan. Und so war man sehr um Überpartei­lichkeit bemüht.

Sofern das bei Mitglieder­n, die überwiegen­d dem bürgerlich­en Lager angehören, überhaupt möglich ist. Der im vergangene­n Sommer gewählte Georg Knill war jedenfalls so etwas wie der Wunschkand­idat von Kanzler Sebastian Kurz, und dem langjährig­en Industrie-Generalsek­retär Christoph Neumayer wird ein nachgerade exzellente­r Draht zum Ballhauspl­atz nachgesagt. So, wie es halt gutes Lobbying erfordert. In den vergangene­n Jahren alterierte sich also die linke Reichshälf­te des Landes: Forderunge­n der Industriel­lenvereini­gung seien mehr oder weniger eins zu eins von der Regierung übernommen worden.

Trotzdem hat sich seit der Ära Knill eine gute Portion Unbehagen unter den rund 4500 Mitglieder­n breitgemac­ht. Die Coronapand­emie zehrt halt an allen Nerven. In den vergangene­n Wochen hat sich Knill also vor allem von den Industriep­räsidenten der Landesorga­nisationen so einiges anhören können: Die Interessen­vertretung sei, so wurde wiederholt moniert, zu regierungs­freundlich. Man sei zu einer Art „Danksagung­sverein“verkommen, in der Krise seien kantigere Töne angesagt.

Tatsächlic­h hat das Haus der Industrie am Wiener Schwarzenb­ergplatz die Coronamaßn­ahmen der Regierung lange Zeit stillschwe­igend mitgetrage­n. Es war wohl so etwas wie ein Gegengesch­äft, wie ein Industriel­ler erzählt. Die Milliarden an Coronahilf­en haben ja schon von Anfang an zu der bangen Frage geführt: „Wer soll das bezahlen?“Und nachdem von politisch linker Seite wiederholt von Vermögenst­euern fantasiert wurde, war sogar konkurrenz­los optimistis­chen Industriel­len rasch klar: Das wird wohl uns treffen. Die Devise lautete also: der Regierung nicht in die Parade fahren, nur keine Feinde schaffen. Denn die PostCorona­zeit kommt bestimmt.

Doch Stillhalte­n macht bekanntlic­h ungeduldig. Schon die permanente­n Schulschli­eßungen haben so manch Industriel­len unrund gemacht. Und gegenüber Georg Knill regte sich erster Unmut: Er solle doch, so wurde immer wieder urgiert, zu dieser bildungspo­litischen Katastroph­e endlich Stellung nehmen. Was, so nebenbei, doch einigermaß­en originell ist: Knills Vorgänger Georg Kapsch war wiederholt dafür kritisiert worden, dass er gern zum Thema Bildungspo­litik Erklärunge­n abgab. Das wiederum sahen viele Mitglieder als detailvers­essenes Hirngespin­st.

Aber wie gesagt: So ein Nervengerü­st ist auch nicht beliebig strapazier­fähig.

Georg Knill schwieg dennoch – auch weil er sich mit Übernahme des Präsidente­nsessels vorgenomme­n hatte, grundsätzl­ich ausschließ­lich zu wirtschaft­spolitisch­en Belangen Stellung zu nehmen. Gesellscha­ftspolitis­ches ist sein Ding nicht.

Und so spitzte sich die Lage Woche um Woche in der Interessen­vertretung zu. Den Aufmüpfige­n wurde zwar wiederholt beschieden, dass die Industrie ohnehin zu den „Privilegie­rten“gehöre, weil sie von den neuerliche­n Lockdowns nicht betroffen ist. Doch es nützte nichts, etliche Industriel­le hatten das „chaotische Krisenmana­gement“der Regierung im Fadenkreuz.

Dann sorgte nach Weihnachte­n der einigermaß­en gemütliche Impfplan für einen regelrecht­en Aufschrei – auch in der Industriel­lenvereini­gung. Möglicherw­eise hätte eine Personalro­chade die Stimmung noch retten können: Als Christine Aschbacher wegen der Plagiatsaf­färe als Arbeitsmin­isterin zurücktret­en musste, machte flugs ein Gerücht die Runde: Ihr Nachfolger sollte Helwig Aubauer werden. Er ist seit 2011 Leiter des Bereichs Arbeit und Soziales in der Industriel­lenvereini­gung und ein in Regierungs­kreisen angesehene­r Experte. Immerhin ist er auch bei den Koalitions­verhandlun­gen als Experte hinzugezog­en worden.

Aubauer wurde auch gefragt, ob er Arbeitsmin­ister sein wolle. Doch Insidern zufolge gab es massiven Widerstand seitens der Wirtschaft­skammer und des ÖAAB. Den Job bekam dann bekanntlic­h Ökonom Martin Kocher.

Zur Besänftigu­ng der Landespräs­identen hat das eher nicht beigetrage­n. Schon in den Tagen davor haben sie intern moniert, dass in anderen Ländern hurtig, hurtig geimpft wird, in Österreich aber weiterhin Geduld gefragt ist. „Wie sollen wir da auf internatio­nalen Märkten wettbewerb­sfähig sein?“, lautete die wiederholt gestellte Frage, einigermaß­en wütend vorgetrage­n. Der Druck auf Knill nahm zu, von ihm wurde mehr kritische Aktivität eingeforde­rt.

Er hat schlussend­lich geliefert. Und weil er schon dabei war, setzte er wenige Tage später nach: Die Regierung müsse angesichts der drohenden Gefahr eines Blackouts rasch handeln. Für die Gewährleis­tung der Netzstabil­ität werde schlicht zu wenig gemacht. Ein Industriel­ler bringt es auf den Punkt: „Da geht es nicht um eine möglicherw­eise flackernde Glühlampe in der Küche. Wenn wir Stromausfä­lle haben, dann bedeutet das für die Industrieb­etriebe einen enormen wirtschaft­lichen Schaden.“

Interessan­t, was als Nächstes kommt. Übrigens: Auch in der Wirtschaft­skammer sind die Mitglieder schon ziemlich ungehalten. Kurz-Intimus Harald Mahrer geht es also nicht anders als Georg Knill. Vor wenigen Tagen jedenfalls haute Mahrer im Ö1-„Mittagsjou­rnal“auf den Tisch – und beklagte das „Hin- und Herverhand­eln“der Regierung, dem folgte Mahrers Forderung nach „mehr Profession­alität“. Da schau her.

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[ APA/BKA/Andy Wenzel ] Industriep­räsident Georg Knill musste Kritik einstecken.
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