Putzen ohne Besuch
Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus bald einem Jahr Corona-Ausnahmezustand so mit? Ich habe zum Beispiel in Lockdown I gelernt, dass man tatsächlich mehrere Tage nicht einkaufen gehen muss und trotzdem variantenreiche Speisen zubereiten kann. Das war davor nicht so. Wenn man, so wie wir, praktisch Tür an Tür mit einer Spar-Filiale lebt, rennt man schon einmal nur wegen drei Semmerln zum Einkaufen. Und eine Stunde später noch einmal, weil die Milch fast leer ist.
Außerdem musste ich mir im besuchsarmen 2020 erst angewöhnen, dass man die Wohnung auch aufräumen könnte/sollte/müsste, wenn sich ggar kein Gast angekündigt hat. Denn in der Prä-Corona-Ära war es (wie ich vernehme, nicht nur bei mir) so, dass Antrieb und Grund für Ordnung machen häufig ein anstehender Besuch war. Auch wenn ein großer Teil der Besucher sehr kleine Menschen waren (Freunde vom Kind), die auf einen aufgeräumten Zustand nicht nur wenig Wert gelegt, sondern auch hochbegabt dazu beigetragen haben, dass dieser von vergänglicher Dauer ist. Anders gesagt: Aufräumen, bevor Kinder zu Besuch kommen, ist mehr aus der Kategorie Sisyphos. Von der es einige besonders sinnlose Spielarten gibt: Die Küche sauber machen, ehe man mit Kindern Kekse aussticht. Das Wohnzimmer saugen, um Kindern Minuten später Plastilin in die Hand zu drücken. Oder Lego, Playmo und Schleich auseinander sortieren, nur damit einen Nachmittag später alles wieder wunderbar ineinander übergeht.
Da Kleinkinder exzellente Beobachter sind, hat das Kind schon früh den Anblick der aufräumenden Mutter mit einem anstehenden Besuch assoziiert: Wenn ich etwa das Bad geputzt habe, hat das Kind gern gefragt: „Kommt die Oma?“. (Ja!) Damals lautete der Berufswunsch des Kindes neben „Bestimmerin“(wurde glücklicherweise wieder verworfen) und Abmalerin (nach wie vor in der Variante „Künstlerin“im Rennen) irgendwann in bestechender Kleinkindlogik auch „Putzfrau“. Denn: Da muss man nur einmal in der Woche kurz arbeiten. Sonst hat man frei. Sie sehen: Die Arbeitsmoral hat schon in frühester Kindheit gestimmt.