Sorry, Herr Professor: Es ist Zeit zu gehen
Verunsicherung, Widersprüche, Chaos wirken sich im Schulwesen aktuell fatal aus. Man sollte Heinz Faßmann nicht zumuten, das weiter durchzustehen.
Gute Berater hätten Ihnen die Blamage erspart, eine Schulöffnung zu verkünden, die der VP-Klubobmann am gleichen Tag ausschloss.
Es ist nicht Ihre Schuld, Herr Minister Faßmann. Sie wären sicher ein guter Wissenschaftsminister. Doch die Zeiten, die sind nicht so. Sie sind Forscher, kein Politiker. Das haben Sie bereits in der vorigen Regierung erkannt, als sie in einem Interview im Oktober 2018 zur Wiedereinführung der Noten an den Volksschulen meinten: „Es ist eine politische Entscheidung, wie vieles, was ich entscheiden muss. Nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung.“
Der Satz wirkte schon vor der Pandemie nicht vertrauenerweckend. Da konnten Sie aber noch nicht wissen, wie verheerend sich die Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Fakten und politischen Entscheidungen auf das Vertrauen der Menschen und die Glaubwürdigkeit der Politik auswirken wird – in Zeiten von Covid-19.
Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie seit Ausbruch der Pandemie vor allem als Unterrichts- alias Bildungsminister gefragt und gefordert sind. Schulen sind nicht Ihr Metier. In einem anderen Interview sagten Sie: „Als Wissenschaftler hat man ein hohes Ausmaß der Selbstbestimmung. Als Politiker hat man das nicht mehr in dem Maß. Man sollte mit Disziplin und Demut an die Aufgabe herangehen, dann kann man das schon durchstehen. Aber es ist ein anderes Leben.“
In diesem anderen Leben kommt die Demut in Ihren öffentlichen Auftritten glaubwürdig herüber. Allein, an Disziplin scheint es zu fehlen.
Sie hätten Ihr Ressort in den vergangenen zehn Monaten in Ordnung bringen müssen. Sie hätten die Beamten – und das schließt die Schuldirektionen mit ein – anhalten müssen, während der Sommermonate die Schulen auf den Herbst vorzubereiten. Und nicht auf die guten Infektionszahlen zu vertrauen.
Die zweite Welle einer Pandemie kann für Sie als Wissenschaftler keine Überraschung gewesen sein. Rückblickend scheint es, als ob Urlaub wichtiger gewesen wäre als Vorbereitung: Baumaßnahmen in den Schulen, Pläne für Ausweichquartiere, digitale Aufrüstung.
Wie kann es sein, dass in manchen Schulen das Internet noch immer nicht ausreichend funktioniert? Wie kann es sein, dass die versprochenen Laptops für Schüler, die sie brauchen, nicht im Sommer ausgeliefert, sondern im Herbst wieder versprochen wurden? Das waren alles Aufgaben, die von einer Verwaltung mit Disziplin in den Monaten bis Oktober zu bewältigen gewesen wären.
Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie ein über Jahrzehnte total verparteipolitisiertes Haus übernommen haben und offenbar darauf angewiesen waren, wen die ÖVP für welche Position für geeignet gehalten hat. Nach Ihrer ersten Amtszeit hätten Sie sich allerdings eigenmächtig gute Leute Ihres Vertrauens engagieren und/ oder befördern können. In zwei Jahren werden Sie sich doch einen Überblick verschafft haben.
Gute Berater hätten Ihnen die Blamage erspart, eine Schulöffnung zu verkünden, die der Klubobmann der ÖVP, August Wöginger, am gleichen Tag ausschloss. Sie hätten sich vorher in Partei und Klub erkundigt. Sie wären auch akribisch darauf bedacht, dass sich der Eindruck der Hilflosigkeit nicht noch weiter verstärkt – auch durch Aussagen wie: „Man muss auch die Notwendigkeit, Schule als örtliches Ereignis stattfinden zu lassen, einpreisen.“Wer immer diesen Satz verstanden hat, wird ihn als direkten Widerspruch zu Ihrer Aussage sehen, dass Schulschließungen ein bundeseinheitliches Vorgehen verlangten und dezentrales nur Verunsicherung schaffe.
Jetzt ist also schon wieder Chaos ausgebrochen, und die Versendung von Corona-Selbsttests wird als „Gesamtdesaster“bezeichnet. Das wäre noch erwartbar gewesen, wären wirklich TestKids, also Kinder, wie auf der Aufschrift zu lesen war, statt Kits versendet worden.
Auch das ist nicht Ihre Schuld, aber Ihre Verantwortung. Sie wollen, so meinten Sie jüngst, „das bis zum Ende der Legislaturperiode durchstehen“. Bitte nicht. Sorry!