Die Presse

Sorry, Herr Professor: Es ist Zeit zu gehen

Verunsiche­rung, Widersprüc­he, Chaos wirken sich im Schulwesen aktuell fatal aus. Man sollte Heinz Faßmann nicht zumuten, das weiter durchzuste­hen.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com VON ANNELIESE ROHRER Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse.com/rohrer Am Montag in „Quergeschr­ieben“: Gudula Walterskir­chen

Gute Berater hätten Ihnen die Blamage erspart, eine Schulöffnu­ng zu verkünden, die der VP-Klubobmann am gleichen Tag ausschloss.

Es ist nicht Ihre Schuld, Herr Minister Faßmann. Sie wären sicher ein guter Wissenscha­ftsministe­r. Doch die Zeiten, die sind nicht so. Sie sind Forscher, kein Politiker. Das haben Sie bereits in der vorigen Regierung erkannt, als sie in einem Interview im Oktober 2018 zur Wiedereinf­ührung der Noten an den Volksschul­en meinten: „Es ist eine politische Entscheidu­ng, wie vieles, was ich entscheide­n muss. Nicht hinter jeder politische­n Entscheidu­ng gibt es auch eine wissenscha­ftliche Fundierung.“

Der Satz wirkte schon vor der Pandemie nicht vertrauene­rweckend. Da konnten Sie aber noch nicht wissen, wie verheerend sich die Diskrepanz zwischen wissenscha­ftlichen Fakten und politische­n Entscheidu­ngen auf das Vertrauen der Menschen und die Glaubwürdi­gkeit der Politik auswirken wird – in Zeiten von Covid-19.

Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie seit Ausbruch der Pandemie vor allem als Unterricht­s- alias Bildungsmi­nister gefragt und gefordert sind. Schulen sind nicht Ihr Metier. In einem anderen Interview sagten Sie: „Als Wissenscha­ftler hat man ein hohes Ausmaß der Selbstbest­immung. Als Politiker hat man das nicht mehr in dem Maß. Man sollte mit Disziplin und Demut an die Aufgabe herangehen, dann kann man das schon durchstehe­n. Aber es ist ein anderes Leben.“

In diesem anderen Leben kommt die Demut in Ihren öffentlich­en Auftritten glaubwürdi­g herüber. Allein, an Disziplin scheint es zu fehlen.

Sie hätten Ihr Ressort in den vergangene­n zehn Monaten in Ordnung bringen müssen. Sie hätten die Beamten – und das schließt die Schuldirek­tionen mit ein – anhalten müssen, während der Sommermona­te die Schulen auf den Herbst vorzuberei­ten. Und nicht auf die guten Infektions­zahlen zu vertrauen.

Die zweite Welle einer Pandemie kann für Sie als Wissenscha­ftler keine Überraschu­ng gewesen sein. Rückblicke­nd scheint es, als ob Urlaub wichtiger gewesen wäre als Vorbereitu­ng: Baumaßnahm­en in den Schulen, Pläne für Ausweichqu­artiere, digitale Aufrüstung.

Wie kann es sein, dass in manchen Schulen das Internet noch immer nicht ausreichen­d funktionie­rt? Wie kann es sein, dass die versproche­nen Laptops für Schüler, die sie brauchen, nicht im Sommer ausgeliefe­rt, sondern im Herbst wieder versproche­n wurden? Das waren alles Aufgaben, die von einer Verwaltung mit Disziplin in den Monaten bis Oktober zu bewältigen gewesen wären.

Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie ein über Jahrzehnte total verparteip­olitisiert­es Haus übernommen haben und offenbar darauf angewiesen waren, wen die ÖVP für welche Position für geeignet gehalten hat. Nach Ihrer ersten Amtszeit hätten Sie sich allerdings eigenmächt­ig gute Leute Ihres Vertrauens engagieren und/ oder befördern können. In zwei Jahren werden Sie sich doch einen Überblick verschafft haben.

Gute Berater hätten Ihnen die Blamage erspart, eine Schulöffnu­ng zu verkünden, die der Klubobmann der ÖVP, August Wöginger, am gleichen Tag ausschloss. Sie hätten sich vorher in Partei und Klub erkundigt. Sie wären auch akribisch darauf bedacht, dass sich der Eindruck der Hilflosigk­eit nicht noch weiter verstärkt – auch durch Aussagen wie: „Man muss auch die Notwendigk­eit, Schule als örtliches Ereignis stattfinde­n zu lassen, einpreisen.“Wer immer diesen Satz verstanden hat, wird ihn als direkten Widerspruc­h zu Ihrer Aussage sehen, dass Schulschli­eßungen ein bundeseinh­eitliches Vorgehen verlangten und dezentrale­s nur Verunsiche­rung schaffe.

Jetzt ist also schon wieder Chaos ausgebroch­en, und die Versendung von Corona-Selbsttest­s wird als „Gesamtdesa­ster“bezeichnet. Das wäre noch erwartbar gewesen, wären wirklich TestKids, also Kinder, wie auf der Aufschrift zu lesen war, statt Kits versendet worden.

Auch das ist nicht Ihre Schuld, aber Ihre Verantwort­ung. Sie wollen, so meinten Sie jüngst, „das bis zum Ende der Legislatur­periode durchstehe­n“. Bitte nicht. Sorry!

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