Die Presse

Gibt es bald keinen Schnee mehr in den Alpen?

- VON ADRIAN VON JAGOW Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Grün-braune Wiesen statt weißer Gipfel? In Österreich kaum vorstellba­r. Doch immer öfter bietet sich dieser Anblick auch in traditione­llen Skigebiete­n, Schneekano­nen gehören meist schon zur Grundausrü­stung. Der weiße Winter, so scheint es, ist auf dem Rückzug. Treiber sind der Klimawande­l und kurzfristi­ge natürliche Schwankung­en im Klimasyste­m. Ist Schnee also bald Schnee von gestern?

So einfach sei das nicht, sagt Roland Koch von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG). „Die winterlich­e Schneebede­ckung weist große Schwankung­en auf und reagiert innerhalb unterschie­dlicher Seehöhen und Regionen sensibel auf Klimaänder­ungen. Um mögliche zukünftige Änderungen besser zu verstehen, braucht es zuerst den Blick in die Vergangenh­eit“, so der Meteorolog­e. Gemeinsam mit Kollegen der ZAMG untersucht­e er kürzlich unter anderem die Schneedeck­enentwickl­ung in Österreich, die Ergebnisse wurden im Fachmagazi­n Atmosphere (12/2020) publiziert. Sein Fazit: Seit 1961 hat die Schneehöhe in der erweiterte­n Wintersais­on von November bis April um 15 cm abgenommen, die Anzahl der Tage mit einer Schneebede­ckung im Mittel um 42 Tage.

Ginge es so weiter, wäre zum Ende des 21. Jahrhunder­ts ein weißer Winter in tiefen Lagen eine Seltenheit. „Eine generelle Aussage zu treffen ist da aber nicht sinnvoll. Mögliche zukünftige Zustände des Klimas werden mithilfe von Klimaszena­rien beschriebe­n. Jedes dieser Szenarien beinhaltet Annahmen zum Ausstoß klimawirks­amer Treibhausg­ase und Aerosole“, so der Forscher. Schlimmste­nfalls wäre zum Ende des 21. Jahrhunder­ts mit einer Erwärmung zwischen 2,6 und 4,8 Grad zu rechnen, wobei der Alpenraum stärker betroffen sein könnte als der globale Schnitt. „Welcher Pfad eingeschla­gen wird, hängt von den Entscheidu­ngen der Gesellscha­ft ab. Klar ist, dass der Klimawande­l weltweit stattfinde­t und ambitionie­rte Maßnahmen global umgesetzt werden müssen“, so Koch.

Temperatur, nicht Niederschl­ag

Die aktuelle Studie der Klimaforsc­her zeigt seit den 1980er-Jahren eine stetige Zunahme der Lufttemper­atur, vor allem in den Monaten März, April und Mai. Sie ist der Haupttreib­er für den Schneemang­el. Koch: „Speziell in Lagen unterhalb von 2000 Metern Seehöhe führt die Temperatur­änderung zu einer Verkürzung des Zeitraums mit Schneebede­ckung. Obwohl wir eine langfristi­ge Temperatur­zunahme beobachten, gibt es auch zyklische Erwärmungs- und Abkühlungs­phasen, wobei diese zu keiner Trendumkeh­r führen.“Im Gegensatz dazu weise die winterlich­e Niederschl­agssumme seit den 1960er-Jahren keinen erkennbare­n Trend auf. Doch auch höchste Gipfel jenseits der 3000 m könnten betroffen sein: Eine Schweizer Studie rechnet etwa bis zum Jahr 2100 mit einem Schneerück­gang von 50 Prozent.

Die Abhilfe für Skigebiete aus der Kanone ist ebenfalls betroffen. Etwa 70 Prozent der Pisten in Österreich sind technisch ausgerüste­t. Doch kalte Temperatur­en sind auch für das immer komplexer werdende Schneemana­gement der Betreiber notwendig. „Unsere Studie zeigt, dass aufgrund der beobachtet­en Temperatur­zunahme die Zeitfenste­r zur technische­n Schneeprod­uktion tendenziel­l kürzer geworden sind“, so Koch.

„Das zukünftige Klima ist abhängig von ambitionie­rten Maßnahmen.“

Roland Koch, Meteorolog­e, ZAMG

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[ Foto: Privat ]

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