Gibt es bald keinen Schnee mehr in den Alpen?
Grün-braune Wiesen statt weißer Gipfel? In Österreich kaum vorstellbar. Doch immer öfter bietet sich dieser Anblick auch in traditionellen Skigebieten, Schneekanonen gehören meist schon zur Grundausrüstung. Der weiße Winter, so scheint es, ist auf dem Rückzug. Treiber sind der Klimawandel und kurzfristige natürliche Schwankungen im Klimasystem. Ist Schnee also bald Schnee von gestern?
So einfach sei das nicht, sagt Roland Koch von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Die winterliche Schneebedeckung weist große Schwankungen auf und reagiert innerhalb unterschiedlicher Seehöhen und Regionen sensibel auf Klimaänderungen. Um mögliche zukünftige Änderungen besser zu verstehen, braucht es zuerst den Blick in die Vergangenheit“, so der Meteorologe. Gemeinsam mit Kollegen der ZAMG untersuchte er kürzlich unter anderem die Schneedeckenentwicklung in Österreich, die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Atmosphere (12/2020) publiziert. Sein Fazit: Seit 1961 hat die Schneehöhe in der erweiterten Wintersaison von November bis April um 15 cm abgenommen, die Anzahl der Tage mit einer Schneebedeckung im Mittel um 42 Tage.
Ginge es so weiter, wäre zum Ende des 21. Jahrhunderts ein weißer Winter in tiefen Lagen eine Seltenheit. „Eine generelle Aussage zu treffen ist da aber nicht sinnvoll. Mögliche zukünftige Zustände des Klimas werden mithilfe von Klimaszenarien beschrieben. Jedes dieser Szenarien beinhaltet Annahmen zum Ausstoß klimawirksamer Treibhausgase und Aerosole“, so der Forscher. Schlimmstenfalls wäre zum Ende des 21. Jahrhunderts mit einer Erwärmung zwischen 2,6 und 4,8 Grad zu rechnen, wobei der Alpenraum stärker betroffen sein könnte als der globale Schnitt. „Welcher Pfad eingeschlagen wird, hängt von den Entscheidungen der Gesellschaft ab. Klar ist, dass der Klimawandel weltweit stattfindet und ambitionierte Maßnahmen global umgesetzt werden müssen“, so Koch.
Temperatur, nicht Niederschlag
Die aktuelle Studie der Klimaforscher zeigt seit den 1980er-Jahren eine stetige Zunahme der Lufttemperatur, vor allem in den Monaten März, April und Mai. Sie ist der Haupttreiber für den Schneemangel. Koch: „Speziell in Lagen unterhalb von 2000 Metern Seehöhe führt die Temperaturänderung zu einer Verkürzung des Zeitraums mit Schneebedeckung. Obwohl wir eine langfristige Temperaturzunahme beobachten, gibt es auch zyklische Erwärmungs- und Abkühlungsphasen, wobei diese zu keiner Trendumkehr führen.“Im Gegensatz dazu weise die winterliche Niederschlagssumme seit den 1960er-Jahren keinen erkennbaren Trend auf. Doch auch höchste Gipfel jenseits der 3000 m könnten betroffen sein: Eine Schweizer Studie rechnet etwa bis zum Jahr 2100 mit einem Schneerückgang von 50 Prozent.
Die Abhilfe für Skigebiete aus der Kanone ist ebenfalls betroffen. Etwa 70 Prozent der Pisten in Österreich sind technisch ausgerüstet. Doch kalte Temperaturen sind auch für das immer komplexer werdende Schneemanagement der Betreiber notwendig. „Unsere Studie zeigt, dass aufgrund der beobachteten Temperaturzunahme die Zeitfenster zur technischen Schneeproduktion tendenziell kürzer geworden sind“, so Koch.
„Das zukünftige Klima ist abhängig von ambitionierten Maßnahmen.“
Roland Koch, Meteorologe, ZAMG