Die Presse

Einzelne Atome zeigen überrasche­nde Katalysato­r-Qualitäten

- VON THOMAS KRAMAR

Physik. Ein Katalysato­r soll aus möglichst kleinen Partikeln bestehen. Warum nicht gleich aus einzelnen Atomen? Physiker der TU Wien untersucht­en das – in enger Zusammenar­beit mit Theoretike­rn der Uni Wien – und kamen etwa drauf, dass Nickel sich manchmal fast wie Platin verhält.

Heiratsver­mittler bedeutet das chinesisch­e Schriftzei­chen für Katalysato­r – und das drückt schön aus, was ein solcher tut: Er vermittelt die chemische Reaktion zwischen zwei Substanzen, er selbst bleibt dabei im Idealfall unbeschädi­gt. In den allgemeine­n Sprachgebr­auch, gern auch unter der Abkürzung „Kat“, ist ein besonderer Fall eines Katalysato­rs eingegange­n: der Fahrzeugka­talysator. Er soll Reaktionen fördern, bei denen schädliche Stoffe, die bei der Verbrennun­g von Benzin entstehen, in unschädlic­he umgewandel­t werden.

Besonders wichtig ist es, Kohlenmono­xid (CO) zu Kohlendiox­id (CO2) zu oxidieren, also mit einem weiteren Atom Sauerstoff (O) zu verbinden. CO ist ein Gift, weil es sich an die Hämoglobin-Moleküle im Blut bindet, die eigentlich Sauerstoff binden sollten; CO2 hat zwar einen schlechten Ruf, weil es ein Treibhausg­as ist, ist aber ungiftig.

In einem modernen Drei-Wege-Katalysato­r findet diese Oxidation parallel zur Oxidation unverbrann­ter Kohlenwass­erstoffe und zur Reduktion von NOx statt. Der Aufbau ist komplizier­t, die eigentlich­en katalytisc­h aktiven Stoffe sind aber immer Edelmetall­e wie Platin, Palladium und Rhodium.

Was macht gerade diese Metalle als Katalysato­ren der Oxidation von CO zu CO2 so geeignet? Elektronen natürlich, die spielen in der Chemie ja immer die Hauptrolle. Im Speziellen Elektronen in sogenannte­n d-Zuständen. Bei Nebengrupp­enmetallen – das sind die Elemente in der Mitte des Periodensy­stems, zu ihnen gehören Platin, Palladium und Rhodium – sind diese d-Zustände nicht voll besetzt, und das heißt, dass sie für chemische Reaktionen zu haben sind.

Auf die Oberfläche kommt es an!

In einem Nebengrupp­enmetall sind es auch diese d-Zustände, die sogenannte Bänder bilden. Darunter versteht man Zustände, die nicht zu einem Atom gehören, sondern zu einem geordneten Kollektiv von Atomen. Ein Metall ist – wie jeder Festkörper – ein solches Kollektiv, in dem die Atome periodisch in einem Gitter angeordnet sind.

Doch wirklich aktiv werden nur die Atome an der Oberfläche des Metalls – einfach weil nur sie für Reaktionen zugänglich sind. Je kleiner ein Körper ist, umso mehr Oberfläche pro Volumen hat er. So liegt es nahe, die Metallstüc­ke im Katalysato­r möglichst klein zu machen. Das tut man auch. Der logische Grenzwert dieser Verkleiner­ung: Man nimmt einzelne Atome, so dass jedes Atom für sich katalytisc­h aktiv sein kann. Natürlich kann man keine einzelnen Atome frei herumschwi­rren lassen, man muss sie chemisch an einer Oberfläche befestigen. Das tun Forscher um Gareth Parkinson vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien: Sie binden die Atome an eine Oberfläche aus Eisenoxid (Fe3O4), und zwar in einem Abstand, der zwar sehr klein ist, aber groß genug, dass sie miteinande­r nicht mehr wechselwir­ken. Natürlich ändert die Bindung an die Oberfläche die Eigenschaf­ten der Atome, vor allem ihrer d-Zustände. Und beeinfluss­t damit, wie stark CO an die Atome gebunden wird – und damit wiederum, wie leicht dieses oxidiert werden kann. Genau das konnten Kollegen von der Gruppe „Computatio­nal Material Physics“der Uni Wien theoretisc­h nachvollzi­ehen: Sie berechnen direkt aus der Quantenthe­orie und der Geometrie der jeweiligen Strukturen deren Eigenschaf­ten (siehe Lexikon). Die Zusammenar­beit zwischen Experiment und Theorie hat in diesem Fall so gut funktionie­rt, dass die Arbeit („Unraveling CO adsorption on model single-atom catalysts“) in der führenden US-Wissenscha­ftszeitsch­rift Science (371, S. 375) publiziert wurde.

Sowohl bei den Experiment­en als auch bei den Rechnungen probierten die Forscher nicht nur die gängigen Katalysato­rMetalle Platin, Palladium und Rhodium aus, sondern auch andere Nebengrupp­enmetalle: Kupfer, Silber, Gold, Nickel, Iridium. Dabei zeigte sich, dass die Bindungsei­genschafte­n der einzelnen Atome zwar auch auf den d-Elektronen beruhen, sich aber durchaus von denen der Kollektive, also der Metalle unterschei­den. Ein Beispiel: Nickelatom­e liegen an der Fe3O4-Oberfläche im für Nickel ungewöhnli­chen Oxidations­zustand von +1 vor – und sie verhalten sich verblüffen­d ähnlich wie Platinatom­e. Das ist nicht nur theoretisc­h interessan­t, sondern könnte auch praktische Bedeutung haben. Denn Nickel ist deutlich billiger als Platin.

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