Einzelne Atome zeigen überraschende Katalysator-Qualitäten
Physik. Ein Katalysator soll aus möglichst kleinen Partikeln bestehen. Warum nicht gleich aus einzelnen Atomen? Physiker der TU Wien untersuchten das – in enger Zusammenarbeit mit Theoretikern der Uni Wien – und kamen etwa drauf, dass Nickel sich manchmal fast wie Platin verhält.
Heiratsvermittler bedeutet das chinesische Schriftzeichen für Katalysator – und das drückt schön aus, was ein solcher tut: Er vermittelt die chemische Reaktion zwischen zwei Substanzen, er selbst bleibt dabei im Idealfall unbeschädigt. In den allgemeinen Sprachgebrauch, gern auch unter der Abkürzung „Kat“, ist ein besonderer Fall eines Katalysators eingegangen: der Fahrzeugkatalysator. Er soll Reaktionen fördern, bei denen schädliche Stoffe, die bei der Verbrennung von Benzin entstehen, in unschädliche umgewandelt werden.
Besonders wichtig ist es, Kohlenmonoxid (CO) zu Kohlendioxid (CO2) zu oxidieren, also mit einem weiteren Atom Sauerstoff (O) zu verbinden. CO ist ein Gift, weil es sich an die Hämoglobin-Moleküle im Blut bindet, die eigentlich Sauerstoff binden sollten; CO2 hat zwar einen schlechten Ruf, weil es ein Treibhausgas ist, ist aber ungiftig.
In einem modernen Drei-Wege-Katalysator findet diese Oxidation parallel zur Oxidation unverbrannter Kohlenwasserstoffe und zur Reduktion von NOx statt. Der Aufbau ist kompliziert, die eigentlichen katalytisch aktiven Stoffe sind aber immer Edelmetalle wie Platin, Palladium und Rhodium.
Was macht gerade diese Metalle als Katalysatoren der Oxidation von CO zu CO2 so geeignet? Elektronen natürlich, die spielen in der Chemie ja immer die Hauptrolle. Im Speziellen Elektronen in sogenannten d-Zuständen. Bei Nebengruppenmetallen – das sind die Elemente in der Mitte des Periodensystems, zu ihnen gehören Platin, Palladium und Rhodium – sind diese d-Zustände nicht voll besetzt, und das heißt, dass sie für chemische Reaktionen zu haben sind.
Auf die Oberfläche kommt es an!
In einem Nebengruppenmetall sind es auch diese d-Zustände, die sogenannte Bänder bilden. Darunter versteht man Zustände, die nicht zu einem Atom gehören, sondern zu einem geordneten Kollektiv von Atomen. Ein Metall ist – wie jeder Festkörper – ein solches Kollektiv, in dem die Atome periodisch in einem Gitter angeordnet sind.
Doch wirklich aktiv werden nur die Atome an der Oberfläche des Metalls – einfach weil nur sie für Reaktionen zugänglich sind. Je kleiner ein Körper ist, umso mehr Oberfläche pro Volumen hat er. So liegt es nahe, die Metallstücke im Katalysator möglichst klein zu machen. Das tut man auch. Der logische Grenzwert dieser Verkleinerung: Man nimmt einzelne Atome, so dass jedes Atom für sich katalytisch aktiv sein kann. Natürlich kann man keine einzelnen Atome frei herumschwirren lassen, man muss sie chemisch an einer Oberfläche befestigen. Das tun Forscher um Gareth Parkinson vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien: Sie binden die Atome an eine Oberfläche aus Eisenoxid (Fe3O4), und zwar in einem Abstand, der zwar sehr klein ist, aber groß genug, dass sie miteinander nicht mehr wechselwirken. Natürlich ändert die Bindung an die Oberfläche die Eigenschaften der Atome, vor allem ihrer d-Zustände. Und beeinflusst damit, wie stark CO an die Atome gebunden wird – und damit wiederum, wie leicht dieses oxidiert werden kann. Genau das konnten Kollegen von der Gruppe „Computational Material Physics“der Uni Wien theoretisch nachvollziehen: Sie berechnen direkt aus der Quantentheorie und der Geometrie der jeweiligen Strukturen deren Eigenschaften (siehe Lexikon). Die Zusammenarbeit zwischen Experiment und Theorie hat in diesem Fall so gut funktioniert, dass die Arbeit („Unraveling CO adsorption on model single-atom catalysts“) in der führenden US-Wissenschaftszeitschrift Science (371, S. 375) publiziert wurde.
Sowohl bei den Experimenten als auch bei den Rechnungen probierten die Forscher nicht nur die gängigen KatalysatorMetalle Platin, Palladium und Rhodium aus, sondern auch andere Nebengruppenmetalle: Kupfer, Silber, Gold, Nickel, Iridium. Dabei zeigte sich, dass die Bindungseigenschaften der einzelnen Atome zwar auch auf den d-Elektronen beruhen, sich aber durchaus von denen der Kollektive, also der Metalle unterscheiden. Ein Beispiel: Nickelatome liegen an der Fe3O4-Oberfläche im für Nickel ungewöhnlichen Oxidationszustand von +1 vor – und sie verhalten sich verblüffend ähnlich wie Platinatome. Das ist nicht nur theoretisch interessant, sondern könnte auch praktische Bedeutung haben. Denn Nickel ist deutlich billiger als Platin.