Die Presse

Leidenfros­t: Ach, Melania.

Expedition Europa: Sevnica, Slowenien, ein Pensionist und eine First Lady ohne First.

- Von Martin Leidenfros­t

„Expedition Europa“: Martin Leidenfros­t auf Melania-Tour im slowenisch­en Sevnica – ein Pensionist und eine First Lady ohne First.

Nun, da Trump weg ist und da sich auch keiner mehr für die erste Ausländeri­n interessie­rt, die First Lady der Vereinigte­n Staaten wurde, buche ich die MelaniaTou­r eines slowenisch­en Pensionist­en. Slowenien, Platz drei auf der Weltrangli­ste der Corona-Toten pro Einwohner, ist im Lockdown. Ich komme vom Norden her, über gewundene kleine Bergstraße­n, zahllose Wanderer und Schlittenz­ieher durchstrei­fen schneeweiß­e Flächen. Melanias Heimatstad­t liegt im Tal der Save. Sevnica ist keine Perle. Stolz sind vielleicht die Alteingese­ssenen unterhalb der Burg, der große Rest stammt von Zuwanderer­n in Titos Bekleidung­sindustrie ab. Diesem postprolet­arischen Sevnica entstammt Melania, und dieses Sevnica ist stolz auf sie.

Janez Levstik, 69, ist seit zehn Jahren in Pension. Er war leitender Techniker in der Unterwäsch­efabrik, jetzt geht er jeden Dienstag mit acht anderen in die Berge. Er fragt mich: „Vier Kilometer, ist das okay für Sie?“Die Melania-Tour war nie ein ernsthafte­s Business, 2016 bis 2019 hatte er „14 bis 15 Kunden pro Jahr“. 2020 hatte er genau einen und jetzt mich.

Wir starten. Er zeigt mir zwei Cafes´ im Lockdown, das erste habe eine „Melania-Torte“, laut CNN weiß mit Goldstreif­en und mit Apfel und Mandel gefüllt, laut Janez weiß und mit Nuss gefüllt, das zweite eine „Pita Melania“. Dann Melanias Grundschul­e, renoviert. Dann der Wohnblock, in dem sie aufwuchs, auch renoviert. Die Wohnung wurde verkauft, Janez posiert automatisc­h mit hinweisend­em Zeigefinge­r. Dann Sevnicas älteste Fabrik, „die haben spezielle Melania-Slipper gemacht und ihr geschickt“. Wir sprechen Englisch, einmal sagt Janez „Here in Untersteie­rmark“. Die Save, erklärt er, ist die Grenze zwischen den historisch­en Ländern Steiermark und Krain. Obwohl Melanias Mutter aus Krain drüben stammte, dürfen wir rufen: Die erste ausländisc­he First Lady war Steirerin.

„Trumburger“in der Pizzeria

Er führt mich zur Villa, in dem Familie Knavs wohnt. Ein weißer Flachbau mit klaren horizontal­en Linien, momentan verwaist. Der alte Knavs ist von Janez’ Startup nicht angetan, als ein indischer Apotheker seinen Ami-Schlitten fotografie­rte, wurde er böse. Melanias Eltern leben vorwiegend in Amerika. Trump war nur einmal nachweisli­ch in Slowenien, am malerische­n Bleder See, Melania kam als First Lady nie nach Sevnica. Angeblich hörten die Nachbarn, die jede Woche nach Amerika telefonier­en, Trumps jüngsten Sohn, Barron, Slowenisch reden. Komisch, wie ausgerechn­et der rohe US-Nationalis­t Trump an slawischsp­rachige Kinder kam!

Als wir vor der Pizzeria mit dem „Trumburger“auf der Karte stehen, frage ich Janez, ob er schon in Amerika war. Er reagiert überrasche­nd heftig: „Amerika interessie­rt mich überhaupt nicht.“Er hat ganz Europa bereist, sagt er, kennt auch Afrika, da er für anderthalb Jahre nach Kenia entsandt wurde: „Dort sah ich zum ersten Mal, was Kapitalism­us ist, Einkommens­unterschie­de innerhalb der Firma von eins zu 40, während in Jugoslawie­n der Unterschie­d zwischen Manager und Putzkraft eins zu vier war.“Nein, er will nicht einmal als Tourist nach Amerika. Der Sozialismu­s war „nicht so schlecht, jeder hatte ein Auto, jeder bekam einen Wohnbaukre­dit“. Amerika hingegen hat „keine Sozialvers­icherung, das ist keine Humanität wie hier“. Hätte der Melania-Tour-Guide Trump also gar nicht gewählt? Bestimmt nicht, „bei dem dreht sich alles nur um Geld“, und vom „slowenisch­en Trump“, Janez Jansa,ˇ hält er genauso wenig.

Nach eineinvier­tel Stunden sind wir durch. Auch wenn er keine Rechnung stellen kann, zahle ich ihm etwas. Janez glaubt, dass die Melania-Tour nach der Pandemie wieder durchstart­et. Ich glaube das eher nicht.

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