„Die eigene Geschichte erzählen“
Wohntrends. Unpersönliches Design ist out, individuelles Idyll ist angesagt: Die Entwicklung 2021 spiegelt die Sehnsucht nach Geborgenheit und Struktur wider. Mit allem, was gefällt.
Die Zeiten, in denen Mode wie Einrichtung und Mobiliar eindeutigen Trends folgten, sind mittlerweile vorbei: „Es vermischt sich alles. Erlaubt ist, was gefällt“, sagt Interieurdesignerin Elke Altenberger. Dennoch lassen sich jedes Jahr neue Strömungen feststellen, somit auch für 2021: „Derzeit ist der Wunsch nach Individualität und einer persönlichen Note ganz stark zu spüren. Die Menschen wollen mit ihrer Wohnung, ihrem Haus ihre eigene Geschichte erzählen“, weiß Altenberger.
Erbstücke und Maßarbeit
Immer öfter seien daher neben hippem Design auch alte Erbstücke oder Gegenstände aus Vintageoder Antiquitätenläden zu finden. Auch sonst wird stärker versucht, den eigenen vier Wänden den persönlichen Stempel aufzudrücken. „Man geht weg von Monotonie und Einheitslösungen. Die Wohnungen, in denen es aussieht wie in einem Markenschauraum, werden weniger“, erzählt Altenberger, die außerdem ein wachsendes Interesse an der Qualität und Wertigkeit des Wohnens ortet. Individuell angefertigte Stücke und Maßarbeit vom Tischler stünden daher auf der Wunschliste der Kunden ganz oben. Das sieht auch Stefanie Szöke von Liveyourhome: „Die eigenen vier Wände werden nicht mehr so stark als Statussymbol betrachtet. Das heißt, beim Einrichten und Gestalten geht es eher darum, sich wohlzufühlen, und nicht, Besucher zu beeindrucken. Die Zeiten des Perfektionismus sind vorbei.“Das Jahr 2020 sei für die meisten anstrengend und belastend gewesen, man sei viel daheim gewesen. „In Zeiten, in denen im Außen Unsicherheit herrscht, sucht man verstärkt in den eigenen vier Wänden Sicherheit und Geborgenheit“, vermutet Szöke.
Nostalgie gegen Unsicherheit
Das zeige sich unter anderem darin, dass der ganz reduzierte Minimalismus aktuell weniger gefragt ist. Verstärkt habe sich hingegen die Nachfrage nach Stilen wie Granny-Chic oder Cottage Core, so die beiden Einrichtungsexpertinnen. Dabei gehe es darum, Erinnerungen an die Großmutter beziehungsweise das idealisierte ländliche Leben, die nostalgische Ästhetik wiederaufleben zu lassen – etwa mithilfe von Blümchentapeten, verschnörkeltem Geschirr oder Zierpölstern mit Spitze. „Altmodisches scheint Sicherheit zu geben. Das war bereits nach der Wirtschaftskrise 2008 zu beobachten und jetzt wieder – und zwar auch bei jungen Leuten“, so Altenberger. Mut zur Farbe wird ebenfalls zunehmend öfter bewiesen. Und zwar nicht nur bei Vorhängen, Polstern und gegebenenfalls Sofas oder Sesseln, sondern auch bei Wänden. „Bisher waren die Österreicher diesbezüglich nicht sehr mutig, aber langsam werden sie es“, sagt Szöke. Im Kommen sind warme, natürliche, erdige Nuancen und Pastelltöne – von Taupe über Beige, einem hellen Grau bis zu sanftem Türkis. Das satte Grün, das bereits im Vorjahr in war, wird ebenfalls bleiben. Doch auch Stoffe, Tapeten oder Holz sowie Zierleisten, beispielsweise aus Stuck, werden bei der Gestaltung der Wände immer mehr ein Thema. Noch ein zartes Pflänzchen ist hingegen der Trend, die Decke in die Raumgestaltung mit einzubeziehen. „Die Decken sind die neuen Wände“, meint Altenberger.
Dem Trend zu Geborgenheit folgend, wird den Expertinnen zufolge auch Samt als Bezugsstoff für Sessel, Sofas oder als Vorhangstoff weiter bleiben. Daneben wird Cord als Stoff beim Einrichten immer beliebter. Gleiches gilt für Brokat – etwa dann, wenn es darum geht, Räume mit üppigen Vorhängen auszustatten. Bei Möbeln halten sich weiterhin fließende Linien und organische Formen, die Ecken sind abgerundet. Rund, oval oder mit geschwungenen Formen präsentieren sich heuer Teppiche, für die natürliche Materialien bevorzugt werden. „Das nimmt Räumen die Härte“, erklärt Szöke. Im Kommen sind 2021 weiters helle Hölzer, und zwar sowohl für Böden, Möbel und Accessoires als auch für Intarsien sowie Cordstoffe. Gemütlichkeit ist nicht nur in Wohn- und Schlafräumen, sondern auch in Bädern ein Thema. Armaturen, Fliesen und Accessoires in Goldtönen sorgen dort für Wärme sowie Eleganz, erläutert Altenberger.
Selbst ein Teil der Wohnung
Auf die Frage, wer eigentlich die Trends festlegt, verweist Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie, zum einen auf die Mode. So gebe es den sogenannten Trickle-downEffekt, bei dem neue Looks vornehmlich von großen Mode- und Designhäusern vorgegeben werden. Trendscouts würden dabei helfen, diese anhand von Studien und Trendmessen ausfindig zu machen.
Beim Bubble-up-Effekt hingeben würden Inspirationen aus der Ästhetik der Jugend- oder Subkulturen in die Kollektionen einfließen. „Namhafte österreichische Hersteller beschäftigen eigene Trendscouts oder Kreativteams, die aktuelle Entwicklungen beobachten und neueste Tendenzen etwa auf internationalen Messen aufgreifen“, erklärt Emprechtinger. Eine große Rolle spielen heute zudem Influencer und Blogger. Sich inspirieren zu lassen und diese Ideen dann für sich zu adaptieren, sei wichtig, weiß Szöke. „Aber letztendlich sollte man sich trauen, das zu tun, wonach einem der Sinn steht. Denn man ist schließlich jetzt Teil seiner Wohnung“, sagt die Einrichtungsexpertin.