Andy Wolf: Pessimist und Optimist
Doppelporträt. Andreas „Andy“Pirkheim geht gern vom schlimmsten Fall aus, Wolfgang „Wolf“Scheucher vom besten. Bei ihrer Designerbrillenmarke Andy Wolf treffen sie sich in der Mitte.
Zum Interview muss man einen frischen Coronatest mitbringen. Den kontrolliert am Eingang ein freundlicher Herr in weißem Ganzkörperschutzanzug. Ob man einen Kaffee wolle?, fragt er dann. Gerne, aber wie trinkt man den mit FFP2-Maske? Kein Problem, lacht er. Im Besprechungsraum werde man hinter einer Plexiglaswand sitzen. Dort dürfe man die Maske abnehmen.
Die Designerbrillenmarke Andy Wolf nimmt es ernst mit dem Coronaschutz. Sehr ernst. Andy, das ist Andreas Pirkheim (48). Wolf, das ist Wolfgang Scheucher (47). Beide nehmen hinter der Plexiglaswand Platz. Seine chinesischen Freunde, erzählt Pirkheim, hätten ihn schon im vergangenen Februar gewarnt: Deckt euch mit Masken ein! „Damals hielten mich hier alle für einen Spinner.“
Pirkheim, der Geschäftsführer, setzte sich durch, baute die erst zwei Jahre zuvor eröffnete Zentrale im Hartberger Ökopark um, stellte Plexiglaswände auf, etablierte Schutzprozesse. Die Teams wollten nicht ins Home-Office. Also lässt er sie inzwischen dreimal die Woche testen. „Die Wirtschaft“, meine Pirkheim, „sollte mehr dazu beitragen, das Testen in den Köpfen der Leute zu verankern.“Sie sollte auch mehr tun, Unternehmen in Not zu unterstützen, lokale Produkte kaufen, lokale Händler wählen. „Alle reden von den Wirten. Die kleinen Händler brauchen den Umsatz genauso.“
Shootingstars
Corona riss Andy Wolf aus seinem Höhenflug. Der Name wird englisch ausgesprochen, ein Tribut an die internationale Klientel. Andy und Wolf, die beiden Freunde aus Jugendtagen, hatten ihr Brillenlabel 2006 gegründet. Geschäftsführer Pirkheim, gelernter Kaufmann im optischen Großhandel, besaß eine Import/Export-Handelsfirma. Da kommen die Kontakte her. Doch der Zwang zum „Immer billiger“gefiel ihm nicht. Mit einer eigenen Marke wollte er „heimische Werte schaffen“, den gesamten Prozess vom Design bis zur Fertigung abdecken, in österreichischer Qualität.
Doch Brillen als Designartikel, noch dazu made in Austria – „Niemand verstand, was wir da machten“. Der Österreich-Bezug galt im Ausland mehr als daheim.
Die ersten Jahre waren bitter. „Aber irgendeine Bankomatkarte hat immer etwas hergegeben“, wirft Scheucher, der Ruhigere, ein. „Und nach vier Jahren hat es plötzlich funktioniert.“
Scheucher, verantwortlich für Marke und Verkauf, macht das an den guten Kontakten zur Designund Künstlerszene fest. Dank derer sprangen die Medien rasch auf. Dann kam der Höhenflug. Lady Gaga, Rihanna, Kendall Jenner, viele Celebrities verlangten plötzlich nach Modellen der Österreicher. Die konnten ihnen eine Brille exakt auf ein Outfit für den roten Teppich abstimmen, wenn es sein musste, auch innerhalb von zwei Tagen. Bei Herstellern in Asien braucht man das gar nicht erst zu versuchen. Auf die Promis folgte die globale Modewelt. 140.000 Brillen setzte Andy Wolf 2019 ab, handmade in Hartberg.
Oder im französischen Jura. Dort kaufte man vor ein paar Jahren eine alteingesessene Manufaktur für Metallfassungen, die kurz vor dem Zusperren stand. „Wir haben den Metallrahmentrend vorweggenommen.“Inzwischen ist man nicht mehr ganz so rein österreichisch. Teile von Design und
Marketing sitzen heute in Berlin. Die Modeszene dort ist lebendiger.
Durchbeißen
Corona war der Rückschlag. Geplant war starkes Wachstum, doch Pirkheim musste im ersten Lockdown die Produktion stoppen. „Finanziell war das sicher gut. Aber es dauerte, sie wieder hochzufahren.“Das hat er gelernt: besser auf niedrigerem Niveau, aber konstant auslasten, „so weit wie möglich für Normalität zu sorgen“.
Und in Szenarien zu planen. Am Ende hielten die beiden die Stückzahlen von 2019. Für 2021 tüftelte Pirkheim fünf Szenarien aus. „Ich gehe immer vom Worst Case aus. Er macht mich gelassener.“„Ich bin der grenzenlose Optimist“, zeigt Scheucher auf. Ja, gelegentlich gäbe es Konfrontationen, „aber die bringen uns weiter. Wir diskutieren, und wenn wir den Raum verlassen, ist die Emotion draußen.“Am Ende treffen sie sich immer in der Mitte – und das wird wohl so bleiben.