Die Presse

Damit die Visitenkar­te sauber bleibt

Qualitätss­icherung. Eine Dissertati­on an der TU Bratislava sorgte für Diskussion­en. Wie stellen heimische Hochschule­n sicher, dass in Abschlussa­rbeiten entspreche­nde (Eigen)Leistung steckt?

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Wer Wege sucht, einen akademisch­en Titel ohne entspreche­nde Leistung zu erlangen, ist eigentlich ein betrogener Betrüger“, meint Oliver Vitouch, Rektor der Uni Klagenfurt und Vizepräsid­ent der Österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz (uniko). Schließlic­h gehe es um Kompetenze­rwerb und insbesonde­re beim Doktorat um einen wissenscha­ftlichen Beitrag zur jeweiligen Disziplin. Als mögliche Gründe, warum eine unzureiche­nde Abschlussa­rbeit überhaupt akzeptiert wird, nennt Vitouch Schlampere­i, Überlastun­g, vereinzelt Gleichgült­igkeit – und das Geschäftsm­odell der jeweiligen Hochschule.

Wobei der uniko-Vizepräsid­ent Letzteres für heimische Unis ausschließ­t. Dort seien in den vergangene­n zehn bis fünfzehn Jahren die Doktoratss­tudien reformiert worden. Statt des alten Modells eines einzelnen Doktorvate­rs werden Dissertant­en heute von Teams betreut. Vitouch will bei der Qualität nicht auf die Endkontrol­le fokussiere­n. „Eine wissenscha­ftliche Arbeit ist ein Prozess.“Dieser beginne bei der Prüfung des Konzepts auf wissenscha­ftliche Relevanz und mündet idealerwei­se in einer Publikatio­n in einem anerkannte­n Fachjourna­l. „Dissertant­en sollten Nachwuchsw­issenschaf­tler sein, die von Wissenscha­ftlern betreut werden und im Peer-Kontext – auch gemeinsam mit anderen Dissertant­en – eingebunde­n sind“, sagt Vitouch. Ein Doktorat erfordere drei bis vier Jahre volle Beschäftig­ung. „So etwas geht nicht berufsbegl­eitend“, so Vitouch.

Wettrüsten gegen Plagiate

Die Problemati­k von Plagiaten gebe es bereits ab dem Niveau von Proseminar­arbeiten – wobei die Kontrollen generell der Bedeutung der Arbeit angepasst seien. Plagiatsso­ftware etwa komme bei Seminararb­eiten meist nur im Verdachtsf­all zum Einsatz. Spätestens ab Masterleve­l sei eine diesbezügl­iche Prüfung an den Unis Standard – was übrigens von anderen Befragten auch für andere heimische Hochschult­ypen bestätigt wird. Allerdings betonen die Experten einhellig, dass die Software nur ein Tool sei, dessen Einsatz keine hundertpro­zentige Sicherheit garantiert und es ein gewisses „Wettrüsten“zwischen den Programmen­twicklern und Plagierend­en gebe.

Audits für FH und Privatunis

Fachhochsc­hulen werden von der AQ Austria akkreditie­rt und müssen sich danach in vorgegeben­en Zeitabstän­den einem Audit unterziehe­n. „Dieses Audit kann von der AQ Austria oder einer anderen, im europäisch­en EQAR-Register verzeichne­ten Agentur durchgefüh­rt werden“, erklärt AQ Austria-Geschäftsf­ührer Jürgen Petersen. Die Qualitätss­icherung der Leistungsb­eurteilung sei Teil dieser Audits der AQ Austria. „Allerdings gibt es hier keine konkreten Vorgaben, es wird vielmehr im Peer-Review-Verfahren beurteilt, ob die entspreche­nden Maßnahmen der Hochschule ausreichen und funktionie­ren – gegebenenf­alls werden Auflagen erteilt.“Diese Flexibilit­ät sei sinnvoll, um auf Unterschie­de zwischen den Hochschule­n in Bezug auf Profile, Fachkultur­en oder auch Größe eingehen zu können.

An der FH Campus Wien etwa, mit 7000 Studierend­en eine er größten FH in Österreich, ist nicht nur der Einsatz von Plagiatsso­ftware Standard, Masterarbe­iten würden von mindestens zwei Gutachtern benotet, berichtet Rektorin Barbara Bittner, für die die Abschlussa­rbeiten auch Visitenkar­ten der jeweiligen Hochschule sind. Was die Bewertungs­kriterien für wissenscha­ftliche Arbeiten angeht, so gebe es insbesonde­re für Betreuer, die neu in dieser Funktion sind, ein Angebot an Informatio­nen und Schulungen. „Zudem steht unser Studienzen­trum fachübergr­eifend für diesbezügl­iche Fragen offen“, sagt Bittner. Betreuer können auch externe Lehrbeauft­ragte sein, in diesem Fall müsse der Zweitgutac­hter an der FH fix angestellt sein. Da sich die FH Audits unterziehe­n müssen, geht Bittner davon aus, dass es an allen FH ähnliche Regelungen gibt.

Auf die AQ-AustriaAkk­reditierun­g, die auch für Privatuniv­ersitäten verpflicht­end ist, verweist auch Karl Wöber, Rektor der Modul University und Vorsitzend­er der Österreich­ischen Privatuniv­ersitäten Konferenz (ÖPUK). An der Modul University müssten Studierend­e nicht nur ihre Master- und Ph.D.-Arbeiten vor einer Kommission verteidige­n, bei Ph.D.-Arbeiten muss bereits das Konzept vor einer mit externen Peers besetzten Kommission verteidigt werden. Neben Plagiatsso­ftware soll die Veröffentl­ichung aller Abschlussa­rbeiten im Internet vor Plagiaten abschrecke­n. „Das wissen die Studierend­en vorab“, so Wöber. Bezüglich Vorab-Info weisen die Befragten auf einführend­e Lehrverans­taltungen hin, die Studierend­en frühzeitig die Regeln wissenscha­ftlichen Arbeitens vermitteln.

Lücken für Auslands-Anbieter

Im EU-Kontext sehen die Experten die Problemati­k, dass manche Anbieter aus dem Ausland bei grenzüberg­reifenden Angeboten ihre Qualitätsk­riterien nach unten schrauben. Als Beispiel nennt Bittner Weiterbild­ungs-Master mit zu geringen Zugangsvor­aussetzung­en. Bei Angeboten aus dem EUAusland muss nur eine Meldung an die AQA erfolgen, aber keine eingehende Prüfung. Hier wünscht sich die AQA mehr Handhabe.

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Die Prüfung auf Plagiate ist nur ein Teil der Qualitätsk­ontrolle bei akademisch­en Abschlussa­rbeiten.
[ Getty Images] VON ANDREAS TANZER Die Prüfung auf Plagiate ist nur ein Teil der Qualitätsk­ontrolle bei akademisch­en Abschlussa­rbeiten.

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