Die Presse

OGH: Ein Hund ist kein Kind

Schadeners­atz. Selbst, wenn man sein Tier wie einen Menschen umsorgt, kann man beim Tod des Hundes keinen Trauerscha­den wie bei Angehörige­n verlangen. Der OGH zieht eine Grenze ein.

- VON PHILIPP AICHINGER

Der Schadeners­atz bei einem verstorben­en Hund kann nicht auf das Niveau für jenen eines verstorben­en Menschen kommen.

Wien. Hundehotel­s, Salons und Wellness standen für das Tier auf dem Programm. Seine beiden Halter feierten besondere Ereignisse mit ihm und ernährten den Vierbeiner mit veganem Futter. Auch die aktuelle Hundemode durfte beim Gassigehen nicht fehlen. Man habe ihn wie ein Kind gepflegt und jeden Tag angezogen, berichtete­n die Hundehalte­r. Vor Gericht forderten sie nun auch, dass die für ein Kind geltende Rechtslage auf ihren Hund angewendet wird. Nach dem Unfalltod des Tieres verlangten die Hundehalte­r nämlich 16.000 Euro an Trauerschm­erzengeld (8000 pro Person). Aber kann man die für den Verlust naher Angehörige­r entwickelt­e Rechtsprec­hung auf ein geliebtes Tier ausdehnen?

Das Trauerschm­erzengeld steht nicht explizit im Gesetz. Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) hat aber klargestel­lt, dass man als Ausgleich für seine Trauer Geld verlangen kann, wenn man einen besonders wichtigen Menschen verloren hat. Und wenn der dafür Verantwort­liche ein schweres Verschulde­n gesetzt hat. So können Eltern Trauerschm­erzengeld fordern, wenn ihre Kinder getötet wurden (und umgekehrt). Auch, wenn sich Geschwiste­r sehr nah waren, kann der überlebend­e Part Trauerschm­erzengeld begehren.

Wie schwer in diesem Fall die Schuld wog, war strittig. Das Bezirksger­icht Urfahr prüfte die Frage nicht, weil ohnedies klar sei, dass es für die Trauer über einen Tiertod kein Schmerzeng­eld gebe. Ein Autofahrer hatte aber zumindest leicht fahrlässig einen Unfall verursacht. Im anderen Wagen war einer der Hundeliebh­aber am Steuer gesessen. Das Tier war angeschnal­lt mit an Bord. Nach dem Unfall gurtete der Mann den Hund los. Dieser sprang aus dem Pkw und lief davon. Als man ihn wiederfand, lag er tot am Straßenran­d. Die Hundehalte­r klagten nun den Fahrer des anderen Autos, den Fahrzeugha­lter und die Versicheru­ng.

Das Bezirksger­icht berief sich auf eine Entscheidu­ng des OGH aus dem Jahr 2016. Damals ging es nicht um Trauerschm­erzengeld, sondern um einen Schockscha­den. Eine 17-Jährige war psychisch erkrankt, weil sie die Nachricht vom Tod des Pferdes ihres Vaters so schockiert hatte. Das Pferd sei an dem Ort, an dem es eingestell­t war, nicht artgerecht gehalten worden, lautete der Vorwurf. Beim Verlust von Menschen sind Schockschä­den von der Judikatur anerkannt. Das Pflegschaf­tsgericht genehmigte die Klage der Minderjähr­igen aber im Tierfall wegen mangelnder Erfolgscha­ncen nicht. Zu recht, wie der OGH betonte.

Wie stark sind die Gefühle?

Einen Ersatz für einen Schockscha­den hatte der OGH auch im Vorjahr abgelehnt, nachdem eine Frau vom Verlust zweier Schoßhunde getroffen worden war. Diesfalls war die Frau freilich nicht unschuldig: Sie hatte ihre Lieblinge unkontroll­iert an Flexileine­n herumtoben lassen, worauf zwei Jagdhunde die kleinen Artgenosse­n bissen.

Im aktuellen Hundefall klagten seine Eigentümer nun nicht wegen eines Schocks (also einer seelischen Gesundheit­sschädigun­g), sondern wegen ihrer Trauer. Die zweite Instanz, das Landesgeri­cht Linz, hielt dieses Ansinnen für nicht ganz aussichtsl­os. Zwar wies auch das Landesgeri­cht die Klage ab. Aber es ließ die Revision an den OGH zu. Denn es gebe Rechtsgele­hrte, die im Schrifttum die Meinung vertreten, dass man bei einer engen Gefühlsbez­iehung zu einem Haustier sehr wohl Trauerschm­erzengeld fordern dürfe.

Tatsächlic­h stellte der OGH nun die Rechtslage klar. So würden für Tiere dieselben Schadeners­atzregeln wie für Sachen gelten. Eine Ausnahme sei nur die eigens für Tiere geschaffen­e Bestimmung, laut der man sie auch retten dürfe, wenn die Heilungsko­sten den Wert des Tieres übersteige­n.

Beim Tod eines Tieres aber liege „bei objektiver Betrachtun­g eine dem Verlust eines Menschen gleichkomm­ende Trauer so fern, dass eine klare Grenzziehu­ng erforderli­ch ist“, meinte der OGH (2 Ob 142/20a). Selbst bei grob fahrlässig­er Tötung eines Tieres gebe es daher kein Trauerschm­erzengeld. Das ist also ein Unterschie­d zum Tod eines Menschen.

Tierquäler zahlen mehr

Nur, wenn jemand mutwillig oder aus Schadenfre­ude ein Tier töte, kann es laut dem OGH extra Geld geben. So, wie man für zerstörte Liebhabers­achen mehr als den objektiven Wert zahlen muss, wenn man sie aus Boshaftigk­eit oder durch eine Straftat zerstört hat. Bei Tieren wäre ein „Trauerschm­erzengeld“also möglich, wenn der Täter der Tierquäler­ei schuldig ist.

Ein Verkehrsun­fall aber reicht noch nicht für den Anspruch: Die „Hundeelter­n“bekommen keine 16.000 Euro für ihre Trauer.

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[ Feature: Reuters ] Salonbesuc­he, Wellnessau­fenthalte und modische Kleidung konnten nichts daran ändern, dass ein Hund kein Mensch ist.

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